Bürgergeld steigt – ist jetzt mit mehr Kündigungen zu rechnen?
Ab Januar sollen die Regelsätze für Bürgergeld und Sozialhilfe um etwa zwölf Prozent steigen. Für einen alleinstehenden Erwachsenen würde das ein monatliches Plus von 61 auf dann 563 Euro bedeuten. Die Sätze für Partner, Kinder und Jugendliche steigen in etwas geringerem Ausmaß. Gleichzeitig steigt der Mindestlohn für Geringverdiener von 12 auf 12,41 Euro pro Stunde. Aus Sicht von Union und FDP stellt dies eine Infragestellung des Lohnabstandsgebots dar. Sie befürchten, dass massenhaft Beschäftigte ihre Jobs kündigen, um stattdessen Bürgergeld zu beziehen.
CDU will Abschaffung des Bürgergelds in Grundsatzprogramm verankern
Bereits im September hatte Bundesfinanzminister Christian Lindner eine Befürchtung geäußert, dass die Entwicklung zu einer relativen Benachteiligung von Erwerbstätigen beitragen könne. Es müsse gewährleistet sein, dass diese mehr Geld zur Verfügung hätten als Bezieher von Sozialhilfe.
Jüngst kündigte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann an, die Union werde das Aus für das Bürgergeld in seiner jetzigen Form in ihr neues Grundsatzprogramm aufnehmen. Gegenüber Medien deutete er an, Bezieher der „Hartz IV“-Nachfolgeleistung würden sich freiwillig gegen eine Erwerbstätigkeit entscheiden.
Wer „nicht arbeiten will, muss das nicht tun“, äußerte der Politiker. Der Betreffende könne dann „aber auch nicht erwarten, dass die Allgemeinheit für seinen Lebensunterhalt aufkommt“. Er forderte mehr Anreize zur Arbeitsaufnahme. Zudem müsse es nach spätestens sechs Monaten des Bezugs von Sozialleistungen eine Pflicht zur Jobannahme oder gemeinnützigen Arbeit geben.
Mehrbedarf für Unterkunft und Heizung angemeldet
Anlass für den aktuellen Vorstoß der CDU dürfte das jüngst erfolgte Eingeständnis der Ampel hinsichtlich eines Mehrbedarfs für Bürgergeld im laufenden Jahr sein. Demnach benötigt das Bundesarbeitsministerium voraussichtlich um 1,15 Milliarden Euro mehr, um Leistungen für Unterkunft und Heizung zu finanzieren. Diese Kosten übernimmt das Jobcenter zusätzlich zum Regelsatz für Bürgergeld-Bezieher.
Finanzstaatssekretär Florian Toncar zufolge sei mit einer „überplanmäßigen Ausgabe“ für das Bürgergeld in Höhe von etwa 2,1 Milliarden Euro zu rechnen. Insgesamt beliefen sich die Kosten für das Bürgergeld unter Einberechnung dieser auf etwa 28 Milliarden Euro.
Toncar machte die „deutlich eingetrübte wirtschaftliche Lage“ und den „fortdauernden russischen Angriffskrieg“ in der Ukraine für die Mehrkosten verantwortlich. Für 2023 sei deshalb mit einer höheren Zahl an Arbeitslosen zu rechnen. Weiterhin befänden sich nach wie vor zahlreiche ukrainische Flüchtlinge im Land. Deren Eingliederung in den Arbeitsmarkt wolle man nun forcieren.
Corona war deutlich teurer als Bürgergeld
Mit den knapp 28 Milliarden Euro bewegt sich der für das Bürgergeld vorgesehene Haushaltsposten in etwa in einer Größenordnung, wie sie 2023 für Asylkosten veranschlagt ist. Diesbezüglich rechnet man mit etwa 27,6 Milliarden Euro.
In Relation zum Verteidigungshaushalt von 50,1 Milliarden Euro plus 8,5 Milliarden aus dem Sondervermögen Bundeswehr sind das verhältnismäßig geringe Summen. Erst recht gemessen an den 439,7 Milliarden Euro, die der Bund in drei Jahren Corona-Politik ausgegeben hatte – davon 64 für Schutzausrüstungen, Impfungen und Tests.
Dennoch befürchtet man offenbar eine Kostenexplosion, die dadurch entstehen könnte, dass Erwerbstätige in den Bürgergeld-Bezug wechseln könnten. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil hält das für unwahrscheinlich. Er geht davon aus, dass Erwerbstätigkeit grundsätzlich eine finanzielle Besserstellung bewirkt – auch deshalb, weil neben dem Mindestlohn auch Wohngeld und Kindergeld steigen.
Heil warnt davor, „bescheuert“ genug für eine Kündigung zu sein
Bei beidem handelt es sich um Leistungen, die beim Bezug von Bürgergeld zumindest teilweise der Anrechnung unterliegen. Darüber hinaus hätten Erwerbstätige steuerliche Vergünstigungen, die Bürgergeld-Empfängern nicht offen stünden.
Inwieweit es Konstellationen gibt, in denen Bürgergeld-Bezug die Betroffenen am Ende günstiger stellt als Erwerbstätigkeit, ist umstritten. Eine Untersuchung, die das Bundesarbeitsministerium in Auftrag gegeben hat, ist noch im Gange. Minister Heil warnte jüngst davor, so „bescheuert“ zu sein, ein bestehendes Arbeitsverhältnis zu kündigen in der Absicht, Bürgergeld zu beziehen.
Wie er gegenüber der „Tagesschau“ betont, drohe in einem solchen Fall eine Bezugssperre beim Arbeitslosengeld. Das Bürgergeld, so Heil, sei „kein bedingungsloses Grundeinkommen“. Man müsse bedürftig sein und habe Mitwirkungspflichten. Komme man diesen nicht nach, drohe eine Leistungskürzung von bis zu 30 Prozent. Die Erhöhung des Bürgergeldes ab 2024 diene dem Inflationsausgleich.
In welchen Konstellationen kann Bürgergeld tatsächlich einträglicher sein?
Der „Deutschen Handwerks-Zeitung“ zufolge haben im Bereich der Gebäudereinigung mehr als zwei Drittel aller Unternehmen erlebt, dass Mitarbeiter mit Verweis auf das Bürgergeld kündigen. Innungsverbandspräsident Thomas Dietrich zufolge würde das höhere Bürgergeld in sieben von zehn Unternehmen die Personalnot verschärfen.
In 40 Prozent der 2.500 befragten Betriebe hätte es sich um „Einzelfälle“ gehandelt, in 30 Prozent um „mehrere“ Personen. Bei den Gebäudereinigern steigt der tarifliche Mindestlohn ab 2024 von 13 auf 13,50 Euro pro Stunde – was deutlich oberhalb des gesetzlichen Mindestlohns liegt. Allerdings sind nicht alle Arbeitskräfte in der Branche in Vollzeit beschäftigt. Zudem spielen Zeitarbeit oder Bereitschaftsdienste dort eine bedeutende Rolle.
Das Institut für Weltwirtschaft (IfW) hatte im Vorjahr einige Beispielrechnungen präsentiert, denen zufolge Bürgergeld zu beziehen attraktiver wäre als Erwerbstätigkeit. Der „Focus“ präsentierte eine Gegenrechnung. Dieser zufolge sei die Annahme, wonach Bürgergeld auf breiter Ebene einträglicher wäre als Arbeit zum Mindestlohn – ein Mythos.
Es gebe zwar Extrembeispiele wie die erwähnte vierköpfige Familie. Allerdings griffen diese lediglich unter besonderen Umständen. Dies könnten etwa teure Gaspreise oder besonders hohe Mieten sein, wie man sie von Städten wie München kenne.
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