Beherbergungsverbot: Staatsrechtler bezweifelt Verfassungsmäßigkeit – „Intensivste Grundrechtseingriffe“

Popcorn mit Schutzhandschuh und Maskenpflicht im Dresdner Ufa-Kristallpalast.
Foto: Robert Michael/dpa-Zentralbild/dpa/dpa
Der Leipziger Staatsrechtler Christoph Degenhart hat verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Beherbergungsverbote vieler Bundesländer für Urlauber aus deutschen Corona-Risikogebieten geäußert. Er halte die Maßnahmen für „nicht gerechtfertigt“, sagte Degenhart dem „Handelsblatt“. Und weiter: „Sie greifen in die Grundrechte der Betriebe sowie der Reisenden ein.“
Zudem werde offenbar durchweg bestritten, dass die Verbote dazu beitragen könnten, die Verbreitung des Virus ernstlich zu behindern. „Zwar hat die Verwaltung beim Erlass einer Verordnung gewisse Einschätzungsspielräume.“ Die „Geeignetheit“ der Beherbergungsverbote sei aber offenbar „nicht plausibel belegt“. Er sehe auch kein konsistentes Schutzkonzept.
Als Konsequenz fordert der Staatsrechtler, dass die Parlamente „in deutlich stärkerem Maße als bisher“ eine Mitsprache bei Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie bekommen. Seit Ausbruch der Corona-Krise würden im Wege von Rechtsverordnungen „intensivste Grundrechtseingriffe“ angeordnet.
„Elementare Grundrechte werden im Wege von Notverordnungen außer Kraft gesetzt“, sagte der Jurist.
„Dies widerspricht an sich dem Grundsatz, dass über grundrechtswesentliche Fragen der Gesetzgeber selbst entscheiden muss.“ In den ersten Phasen der Unsicherheit sei dies hinzunehmen gewesen. Nun aber sei man in der zweiten Welle und wieder träfen Länderchefs und die Bundeskanzlerin die Entscheidungen, während Stimmen der Parlamente kaum vernehmbar seien.
Somit erfolgten weiterhin „intensive Grundrechtsbeschränkungen auf generalklauselartiger Ermächtigungsgrundlage und damit in deutlichem Widerspruch zum Vorbehalt des Gesetzes“. Es wäre daher „verfassungsrechtlich dringend geboten, tragfähige gesetzliche Grundlagen zu schaffen“, mahnte Degenhart.
„Es verwundert, dass der Bundestag die Entspannungsphase nach dem Abklingen der ersten Welle nicht dazu genutzt hat.“
FDP-Schatzmeister rät von weiteren Corona-Einschränkungen ab
Der Bundesschatzmeister der FDP, Harald Christ, rät trotz der hohen Zahl an positiven Tests von weiteren Einschränkungen und Regeln ab. „Viel wichtiger ist doch, dass Abstandsregeln, Hygieneregeln und gewisse Standards eingehalten werden“, sagte Christ der RTL/n-tv-Redaktion.
„Man sollte sich vielmehr damit beschäftigen, wie man dort, wo sich nicht an Regeln gehalten wird, das sanktioniert und auch Recht umsetzt. Und vor allem dafür sorgt, dass nicht die bestraft werden, die sich tagtäglich an die Regeln halten.“
Zum umstrittenen Beherbergungsverbot sagte er, dass die Politik über das Ziel hinausschieße. „Ich möchte vor allem den ganzen betroffenen Unternehmen in der Gastronomie, in der Hotellerie eine Stimme geben. Wir müssen sehr deutlich machen, dass Verbote, Reiseeinschränkungen nichts bringen, sondern dass sie eher die Menschen verunsichern.“ (dts/sza)
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