Arbeitergeberpräsident Rainer Dulger warnt vor „Zusammenbruch“ bei der Rente

In einem Interview warnt Arbeitergeberpräsident Dulger vor einem „Zusammenbruch“ bei der gesetzlichen Rente. In 15 Jahren kämen auf 100 Beitragszahler 70 Rentner. Mit steigender Lebenserwartung müsse auch das Eintrittsalter steigen.
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger nimmt an einer Pressekonferenz teil.
Arbeitgeberpräsident Dulger fordert radikale Reformen in den Bereichen Rente und Soziales. Sven Hoppe/dpa
Von 25. Oktober 2023

Erst vor knapp einer Woche hat Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger die Klimapolitik der Ampel scharf kritisiert. Diese, so zitiert ihn der „Münchner Merkur“, würde für Klimaschutzziele eine „absterbende Wirtschaft als Kollateralschaden billigend in Kauf nehmen“. Nun legt der BDA-Chef nach und warnt vor einem Zusammenbruch der Rente und der sozialen Sicherungssysteme.

Dulger sieht Dringlichkeit von Reformen bei Rente und Sozialstaat

In einem Interview mit „Bild am Sonntag“ erklärt Dulger, die „fetten Jahre“ seien „vorerst vorbei“. Bereits in den kommenden fünf Jahren würden die Sozialversicherungen nicht mehr wie heute funktionieren. Angesichts der explodierenden Kosten drohe sich die Aussage „Sozialstaat frisst Zukunft“ zu bewahrheiten.

Es müsse in Deutschland eine „große Sozialreform“ geben. Diese müsse die „Dimension der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion nach der Wiedervereinigung“ haben. Vor allem bei der Rente stehe die Finanzierung des Systems „vor dem Zusammenbruch“.

Stünden derzeit 100 Beitragszahlern bereits 50 Rentenempfänger gegenüber, würden es in 15 Jahren bereits 70 sein. Als Ausweg sieht der Arbeitgeberchef eine Dynamisierung des Renteneintrittsalters. Je höher die durchschnittliche Lebenserwartung werde, umso stärker müsse auch dieses ansteigen:

Es darf nicht sein, dass die weiter wachsende Lebenserwartung zu einem immer noch längeren Ruhestand führt.“

Wirtschaftsweise Schnitzer schlug „Rente mit 70“ vor

Dulger machte bereits im Vorjahr das frühe Renteneintrittsalter für den „Brain Drain“ in vielen Betrieben verantwortlich. Vor allem die „Rente mit 63“ entziehe diesen wertvolle Mitarbeiter. In der Tendenz gehen Deutsche mittlerweile zwar später in Rente als noch Jahre zuvor. Dennoch führt dies nicht zu einer nachhaltigen Entlastung der Rentenkassen.

Auch die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer hatte zu Beginn des Jahres deutliche Einschnitte bei der gesetzlichen Rente gefordert. Die Ökonomin trat dafür ein, „besonders hohe Renten“ künftig „abzuschmelzen“.

Um die „starke Babyboomer-Generation, die bald in Rente geht, noch an den Kosten zu beteiligen“, solle die Regierung zudem schon jetzt die Beitragssätze erhöhen. Aber auch die „Rente mit 70“ dürfe kein Tabu mehr sein.

Fast zehn Millionen müssen Rente unter 1.500 Euro befürchten

Unterdessen spricht Linkspolitiker Dietmar Bartsch mit Blick auf jüngste Erhebungen aus dem Bundesarbeitsministerium von einem „sozialen Sprengsatz“. Bereits jetzt müssen etwa 9,3 Millionen sozialversicherungspflichtige Vollzeiterwerbstätige in Deutschland mit einer Rente von unter 1.500 Euro rechnen. Selbst diese Bezüge setzen jedoch voraus, dass die Versicherten 45 Jahre lang vollzeitbeschäftigt waren – bei einem Monatsbrutto von 3.602 Euro.

Das Mindestsicherungsniveau bei der Rente liegt derzeit bereits nur noch bei 48 Prozent des jeweiligen Durchschnittsverdienstes. Der sogenannte Eckrentner – also der Standardrentner mit 45 Beitragsjahren – kann derzeit mit einer Rente von durchschnittlich etwa 68 Prozent seines durchschnittlichen Nettoeinkommens rechnen. Auch hier ist die Tendenz sinkend.

Die Regierung Schröder hatte einst das Rentenniveau gesenkt, um einen dramatischen Anstieg der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung abzuwenden. Das Alterseinkünftegesetz sollte im Gegenzug die private und betriebliche Altersvorsorge im sogenannten Drei-Schichten-Modell fördern.

Deutlicher Rückgang der Geburtenrate als Anfang vom Ende des Umlagesystems

Die Entwicklung, die zur Krise des Umlageverfahrens in der gesetzlichen Rentenversicherung geführt hat, geht bereits auf den Einbruch der Geburtenrate Ende der 1960er- und Anfang der 1970er-Jahre zurück.

Es zeichnete sich ab, dass perspektivisch auf einen Altersrentenempfänger immer weniger aktive Beitragszahler kämen. Einwanderung mildere die Entwicklung ab, könne sie aber nicht aufhalten. Die damaligen Bundesregierungen sahen jedoch keinen akuten Handlungsbedarf.



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