Antisemitismus und Festnahmen bei Pro-Palästina-Demos – Forderungen nach „Kalifat“ in Essen

Eine fünfstellige Zahl an Personen beteiligte sich am Wochenende an Kundgebungen pro Palästina in mehreren deutschen Städten. In Essen provozierten Teilnehmer mit Forderungen nach einem „Kalifat“.
Titelbild
Einige der Teilnehmer der „Freiheit für Palästina“-Proteste stiegen auf den Neptunbrunnen in Berlin, 4. November 2023.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Von 5. November 2023

Keine gröberen Gewaltausbrüche, allerdings zahlreiche Provokationen und mehrere Festnahmen begleiteten im bisherigen Verlauf des Wochenendes Demonstrationen pro Palästina in mehreren deutschen Städten. Die größten Kundgebungen fanden am Samstag, 4. November, mit laut Polizei 9.000 Teilnehmern in Berlin und 17.000 Personen in Düsseldorf statt. Weitere Aufmärsche gab es – zum Teil schon am Freitagabend – in Städten wie Essen, Frankfurt am Main und Bremen statt. Eine geplante Kundgebung in Hamburg wurde verboten.

Bereits im Vorfeld der Aufmärsche hatten die Sicherheitsbehörden einige weitreichende Auflagen verfügt. So kündigte die Polizei in Berlin eine Auflösung der Demonstration für den Fall der Leugnung des Existenzrechts Israels oder der Verherrlichung von Terrorismus an.

Zudem durften keine Fahnen der terroristischen Hamas, der verbotenen Organisation „Samidoun“ oder der „Volksfront für die Befreiung Palästinas“ (PFLP) mitgeführt werden. Parolen wie „From the river to the sea“, die als Forderung nach einer Vernichtung Israels zu verstehen sind, waren ebenfalls untersagt.

Trotz Auflagen zahlreiche antisemitische Äußerungen

Dennoch kam es im Zuge der Kundgebungen mehrfach zu antisemitischen Ausfällen. So wurden „Völkermord“- und „Apartheid“-Vorwürfe gegen den jüdischen Staat laut. Teilnehmer führten Transparente der Aktion „Boycott, Sanctions, Divestment“ (BDS) mit sich.

Linksextreme Gruppen forderten zur „Intifada“ auf. Unter dem Banner der „Intifada“ war es in Israel zu zahlreichen Terroranschlägen und Gewaltakten gegen Sicherheitskräfte und Zivilisten gekommen.

Die Kundgebungen richteten sich gegen die derzeitige Antiterror-Operation der israelischen Armee im Gazastreifen. Diese stellt die Reaktion auf das Massaker der Hamas an mindestens 1.400 Zivilisten vom 7. Oktober in grenznahen israelischen Städten und Gemeinden dar. Dabei nahmen die Terroristen auch mehr als 200 Geiseln. Unter den Getöteten und Verschleppten befanden sich auch Kinder im Säuglingsalter.

Beunruhigung in der jüdischen Gemeinde

Nicht unabhängig überprüfbaren Angaben der Hamas, die Gaza kontrolliert, zufolge starben infolge der Antiterror-Offensive Israels bis Samstag 9.844 Menschen. Auch hier ist von einer erheblichen Zahl ziviler Opfer und auch Kindern auszugehen. Beobachter werfen der Hamas vor, zivile Opfer in dem dicht besiedelten Gebiet bewusst in Kauf zu nehmen.

In mehreren Fällen wurde der Organisation nachgewiesen, Raketen von Schulen, Moscheen oder Wohnhäusern aus abgeschossen zu haben. Zudem hat die Hamas, die seit 2006 den Gazastreifen kontrolliert, keine Investitionen in den Schutz von Zivilisten im Kriegsfall getätigt.

Distanzierungen vom Terrorismus der Hamas waren im Rahmen der Kundgebungen nicht zu verzeichnen. In Berlin beschlagnahmte die Polizei einige mitgeführte Banner, sprach mehrere Platzverweise aus und nahm auch einige Teilnehmer in Gewahrsam.

In der „Welt am Sonntag“ ist die Rede von 64 Anzeigen, davon 16 wegen Volksverhetzung und zwei wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. In 59 Fällen habe es „freiheitsbeschränkende Maßnahmen“ gegeben – unter anderem auch wegen einer kurzfristigen Besetzung des Neptunbrunnens.

Die Bilder von der Kundgebung in Berlin riefen in der jüdischen Gemeinde Besorgnis hervor. Auch im Ausland erwecken sie Argwohn. Zudem soll es am Wochenende in Berlin außerhalb der Kundgebungen mehrfach zu antisemitischen Übergriffen und Vandalenakten gekommen sein.

Essen: Shahada auf Fahnen und „Kalifat“-Forderungen

Für besondere Irritationen sorgte am Freitagabend ein Aufmarsch von etwa 3.000 Personen in Essen. Die Polizei prüft derzeit Videoaufnahmen, die beweisen sollen, dass in arabischen Sprechchören die Vernichtung Israels gefordert worden sei. Zudem führten Demonstranten Plakate mit sich, auf denen ein „Kalifat“ gefordert wurde. Auf Fahnen war der kalligrafische Schriftzug der Shahada zu sehen.

Die Shahada, das islamische Glaubensbekenntnis, befand sich historisch auf den Nationalflaggen mehrerer Staaten. Derzeit ist es auf der Flagge von Saudi-Arabien in Verwendung. In den vergangenen Jahren hatten jedoch auch die afghanischen Taliban und terroristische Organisationen wie Hamas, Al-Kaida oder der IS die Shahada vereinnahmt.

Auf X hat der Ministerpräsident von NRW, Hendrik Wüst, die Kundgebung scharf verurteilt und Konsequenzen angekündigt.

Maaßen: „Verbote kündigt man nicht vorher an“

Zahlreiche rechtsextreme Accounts nahmen die Provokationen zum Anlass, um pauschal Stimmung gegen Einwanderer und Muslime zu machen. Unterdessen hat der Vorsitzende des „Zentralrats der Muslime in Deutschland“, Aiman Mazyek, antisemitische Vorfälle bei den Pro-Palästina-Demos verurteilt.

Im „Deutschlandfunk“ äußerte er am Samstag, es gebe dort „ganz klare Verstöße, antisemitische Judenhass-Verstöße“. An die Muslime appellierte er zu Vorsicht und kritischer Hinterfragung mit Blick auf Teilnehmer und Organisatoren solcher Kundgebungen. „Passt auf, wo ihr mitlauft“, sagte Mazyek. Viele Gruppen nutzten Kundgebungen dieser Art, um Antisemitismus zu schüren: „Das müssen wir nicht so haben.“

Der frühere Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen wiederum richtete schwere Vorwürfe in Richtung der Bundesregierung. Diese würde ihre eigenen Bemühungen, extremistische Vereinigungen zu verbieten, torpedieren.

US-Politologe fordert beidseitige Empathie

Einige Twitter-Nutzer mahnen, den Provokationen nicht zu viel Aufmerksamkeit zu schenken. Diese würde marginale Gruppen nur ohne Not aufwerten. Eine Nutzerin sieht Parallelen zwischen den „Kalifat“-Demonstranten, den Corona-Maßnahmengegnern und der „Letzten Generation“:

Der bekannte deutsch-amerikanische Politologe Yascha Mounk wiederum warnt vor einer ideologisch bedingten Verhärtung der Fronten und ruft zur Empathie auf. Er schreibt auf X:

Jene, die zutiefst erschüttert waren über den brutalen Überfall der Hamas können trotzdem unschuldige Palästinenser beklagen, die in diesem Krieg sterben. Ebenso sollten jene, die die palästinensische Sache unterstützen, in der Lage sein, das schlimmste Abschlachten von Juden seit dem Holocaust ohne jedwede Vorbehalte zu verurteilen. Es zeigt nur die Tiefe ihrer ideologischen Verblendung, dass sich in den vergangenen Wochen so viele kluge und berühmte Leute als unfähig erwiesen haben, diese schlichte Wahrheit zu begreifen.“

Palästinenser bezeichnen den Gazastreifen und Teile des Westjordanlands als Staat „Palästina“, wie die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg in ihrem Glossar darlegt. Dazu heißt es dort auch: „Bei den Vereinten Nationen besitzt Palästina Beobachterstatus und es wird von vielen Staaten der Welt anerkannt, jedoch nicht von allen. Auch Deutschland hat Palästina nicht offiziell anerkannt.“

(Mit Material von AFP)



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