Zu viel Macht für Big Pharma? UK-Parlament diskutiert umstrittenen WHO-Pandemievertrag

Die WHO ist während der Pandemie für die Zusammenarbeit mit China in die Kritik geraten. Ausgerechnet die UN-Organisation will künftig das globale Krisenmanagement übernehmen. Weltweit laufen unzählige Petitionen gegen diese Idee, von denen eine jetzt in UK diskutiert wurde.
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Das Logo der Weltgesundheitsorganisation (WHO).Foto: FABRICE COFFRINI/AFP via Getty Images
Von 21. April 2023

Die WHO als eine Sonderorganisation der UNO will künftig besser für Pandemien gewappnet sein. Dazu hat sie kürzlich den Entwurf für einen Pandemievertrag auf den Weg gebracht, der das Vorgehen bei Gesundheitsnotständen weltweit vereinheitlichen soll.

Sie wird von den 194 Mitgliedsländern und privaten Geldgebern wie der Bill-Gates-Stiftung finanziert, was bei Kritikern die Alarmglocken schrillen lässt. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat im Februar der WHO in diesem Zusammenhang bereits 100 Millionen Euro zugesichert. Die Finanzierung ist von Land zu Land unterschiedlich.

Kritiker befürchten eine Art Gesundheitsdiktatur mit festgelegten Lockdowns, Schulschließungen und Impfpflicht für alle Mitgliedsländer. Befürworter hingegen argumentieren, dass es sich lediglich um den verbesserten internationalen Austausch von Informationen und koordinierte Hilfen handele.

In Großbritannien wurde der Pandemievertrag am Montag erstmals im Parlament diskutiert. Anlass dafür gab eine Petition mit mehr als 156.000 Unterschriften.

Die Petition fordert die Regierung auf, sich zu verpflichten, keinen von der WHO ausgearbeiteten Vertrag zur Pandemieprävention und -vorsorge zu unterzeichnen, sofern er nicht durch eine Volksabstimmung gebilligt wird. Die Europäische Union hat bereits Ergänzungen in den Null-Entwurf eingearbeitet und will offenbar WHO-Chef Tedros Ghebreyesus die Befugnis übertragen, einen Pandemie-Notstand festzustellen und auszurufen.

Was soll der Vertrag erreichen?

Der Abgeordnete Nick Flatscher der Konservativen Partei leitete die Parlamentsdiskussion ein. Er hält die Sorgen der Bürger für begründet. Aktuell seien die internationalen Gesundheitsvorschriften nicht „wirklich rechtsverbindlich.“ Aktuell könne die WHO nur Empfehlungen aussprechen, aber keinem Land etwas vorzuschreiben.

Das würde sich mit dem Vertrag ändern, meint er. Zugleich verweist er auf die Gefahren, dass die Entscheidungen der WHO durch die Interessen der Geldgeber maßgeblich beeinflusst werden könnten.

„Einige Länder wollen den Vertrag nicht und die Petenten auch nicht. […] Ihnen gefällt nicht, dass die WHO-Beamten nicht gewählt sind. Es gefällt ihnen nicht, dass einige Mitglieder mehr Geld einzahlen als andere und daher mehr Einfluss auf die Entscheidungen haben könnten“. In diesem Zusammenhang nannte er Philanthropen und Pharmaunternehmen, die rund 80 Prozent der WHO-Beiträge leisteten.

Zusammenarbeit als Lösung der Probleme der Welt

Für Justin Madders (Labour Party) geht der Pandemievertrag in eine andere Richtung. „Der Vertrag hat nichts mit Bill Gates zu tun, und er ist auch nicht der erste Schritt zur Schaffung eines weltbeherrschenden autoritären Staates. Ich glaube nicht einmal, dass er unsere Souveränität einschränken wird. Er wird es unseren brillanten Forschern, Medizinern und Wissenschaftlern ermöglichen, mit vereinten Kräften gegen die zunehmende Bedrohung durch Pandemien vorzugehen. Wir erreichen als Spezies viel mehr wenn wir zusammenarbeiten.“

Das Gleiche gelte auch für den Klimawandel und Armut, so Madders, der für den Wahlkreis Ellesmere Port und Neston im Parlament sitzt.

Zu den geäußerten Bedenken hinsichtlich einer Impfpflicht und daraus möglichen Impfschäden sagte er: „Ich möchte nicht als unfairer Kritiker angesehen werden. Ich verstehe, dass es manchmal einen tiefen Wunsch nach einer rationalen Erklärung für den plötzlichen Verlust eines geliebten Menschen gibt. Ich bin auch der Meinung, dass wir in der Lage sein sollten, legitime Fragen zu Impfstoffen zu stellen. […] Aber es ist ein großer Unterschied, ob man das tut oder in die dunkle Welt der Verschwörungstheorien abgleitet.“

„Zu viel Macht für Pharmaunternehmen“

Danny Kruger (Konservative, Wiltshire) sprach sich für die internationale Zusammenarbeit auch bei der Entwicklung von Impfstoffen aus. Gleichzeitig warnte er vor einem „riesigen Überwachungsmechanismus für die öffentliche Gesundheit auf Kosten der Allgemeinheit“. Wenn es nach der WHO ginge, würde dieser in erheblichem Maße von der Pharmaindustrie finanziert. „Was wir brauchen, ist mehr unabhängige Entwicklung von medizinischen Geräten und Behandlungen.“

Der Pandemievertrag würde der WHO ermöglichen, den Ländern finanzielle Beiträge zur Finanzierung von Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung vorzuschreiben. „Natürlich wissen wir, dass die WHO nicht rechenschaftspflichtig ist: Der Generaldirektor wird in einem undurchsichtigen, undemokratischen Verfahren ernannt, und die internationalen Pharmaunternehmen haben zu viel Macht.“

Die WHO könnte Grenzschließungen, Reisebeschränkungen, das Aufspüren von Kontaktpersonen, die Verweigerung der Einreise, Zwangsquarantäne, medizinische Untersuchungen einschließlich eines Impfnachweises sowie sogar die Zwangsmedikation von Personen anordnen, so Kruger weiter.

„Sie könnten die Herausgabe von geistigem Eigentum an Technologien verlangen, die Herstellung und den internationalen Austausch von Impfstoffen vorschreiben und nationale Sicherheitsgenehmigungsverfahren für Impfstoffe, Gentherapien, Medizinprodukte und Diagnostika außer Kraft setzen“, so der Abgeordnete weiter.

„Ich bin irritiert über diese Debatte“

„Ich bin irritiert über diese Debatte“, sagte hingegen Steve Brine (Konservativer, Winchester). „Als Ex-Gesundheitsminister, der für die WHO zuständig war, habe ich mit der Organisation zusammengearbeitet. Sie ist zwar supranational, wird aber zu 100 Prozent von ihren Mitgliedern getragen. Wir als zweitgrößter Geber und eines ihrer Gründungsmitglieder gehören zu den angesehensten Mitgliedern am Tisch, sodass wir den Prozess gestalten. Darauf sollten wir stolz sein“.

Zwar gebe Großbritannien mit der Mitgliedschaft in der WHO Souveränität ab. Das sei aber auch als NATO-Mitglied der Fall. „Es handelt sich um einen von den Mitgliedern geleiteten Prozess, der meines Erachtens sicherstellen soll, dass wir bei der Verhütung künftiger Krankheitsausbrüche, bei der besseren Vorbereitung darauf und bei der Gestaltung unserer Reaktion eine zentrale Rolle spielen. Das erscheint mir völlig logisch.“ Eine Volksabstimmung hält er nicht für nötig. „Hatten wir davon nicht genug?“

mRNA-Impfstoffe für Pharmakonzerne profitabel

Der parteiunabhängige Abgeordnete Andrew Bridgen (North West Leicestershire) korrigierte die Aussage von Steve Brine: „Ich bin mir nicht sicher, ob mein verehrter Freund, der Abgeordnete für Winchester, richtig liegt. Das Vereinigte Königreich ist nicht der zweitgrößte Geber, sondern der drittgrößte. Der zweitgrößte Geber nach Deutschland ist die Bill and Melinda Gates Stiftung. Gavi ist der fünftgrößte Geber.“

„Wir müssen uns fragen: Warum tun sie das? Sie sind auch die größten Investoren in Pharmazeutika und die experimentelle mRNA-Technologie, die sich für diejenigen, die sie während der letzten Pandemie vorgeschlagen und produziert haben, als so profitabel erwiesen hat.“ Die WHO werbe auf ihrer Website für öffentlich-private Partnerschaften. „Jeder kann sich Einfluss bei der WHO erkaufen, es kostet ihn nur Geld.“

„Ich mache mir wirklich Sorgen, ob die Kollegen den Vertrag wirklich gelesen haben. […] Das sind verbindliche Verträge: Wenn wir nichts unternehmen, sind sie rechtlich verbindlich für alle Nationen. […] Ein einziger Mann – Herr Tedros – kann auf Knopfdruck eine massive Ausweitung der Befugnisse der WHO fordern, die in Spalte 17 dargestellt sind. Er wird sie nicht nur fordern; wenn er die Befugnisse übernimmt, wird er entscheiden, wann die Pandemie oder der Notfall vorbei ist und wann er die Befugnisse an dieses Haus zurückgibt.“

„Keine Gefahr für Souveränität“

Anne McLaughlin (Schottischen Nationalpartei, SNP) teilt die Bedenken hinsichtlich der Souveränität der Länder nicht. Das sei bereits in dem Vertragsentwurf garantiert. Es gebe auch keine Pläne, den Passus zu ändern.

Der Pandemievertrag habe die vollständige Unterstützung ihrer Partei. „Die SNP hat während der gesamten Coronavirus-Pandemie die globale Zusammenarbeit und Koordinierung unterstützt. Erst wenn die Welt vor COVID-19 sicher ist, sind wir alle wirklich sicher.“

„Die Weltgesundheitsorganisation könnte Empfehlungen aussprechen, sobald ein globaler Notfall ausgerufen wird, aber das wären nur Empfehlungen. Im Gegensatz zu dem, was andere gesagt haben, wären sie nicht bindend. […] Vielmehr würde er die Regierungen in die Lage versetzen, gemeinsam zu planen, Krankheitserreger schneller zu erkennen, Daten auf breiterer Basis auszutauschen und effektiver auf die nächste Pandemie zu reagieren“, so die Abgeordnete.

Die WHO und China

Sir Christopher Chope (Anwalt, Politiker für Christchurch in Dorset) warnte vor den engen Beziehungen der WHO und China.

„Eines der Probleme ist, dass China eine Menge zu vertuschen hat. Wenn es nichts zu verbergen hat, warum lässt es keine WHO-Untersuchung in Wuhan zu? Die Antwort ist, dass sich die Weltgesundheitsorganisation in gewisser Weise China untergeordnet hat.“

Sir Chope wies auch auf die Vergangenheit von WHO-Chef Tedros Ghebreyesus als äthiopischer marxistischer Gesundheitsminister hin. Er sei nur mit Pekings Unterstützung Generaldirektor der WHO geworden.

Durch ihn habe China einen ziemlich großen Einfluss auf die WHO. Auch sei es kein Geheimnis, das Big Pharma, Bill Gates und Big Tech große Geldgeber der WHO sind und „mehr als die Hälfte der WHO-Ausgaben für Impfstoffprogramme“ aufgewendet würden, statt für Maßnahmen zur Linderung von Unterernährung und weltweiten Gesundheitsproblemen.

Sir Chope: Wie kann man Tedros vertrauen?

„Hat dieser Mann – der derzeitige Generaldirektor – Verbindungen zur Bill-Gates-Stiftung und zu den großen Geldgebern der WHO? Ja, das hat er. Er war früher Mitglied in zwei der Gates-Gremien, Gavi und dem Globalen Fonds, er ist also selbst sehr eng mit Gates und den Geldgebern verbunden. Wie kann man ihm vertrauen, dass er unabhängig ist, wenn er seine Position diesen Gebern und auch der Unterstützung der chinesischen Republik verdankt?“

„Wir könnten sagen: ‚Na und? Soll die WHO doch so weitermachen, wie sie es seit vielen Jahren getan hat. Sie könnte ein beratendes Gremium sein. Niemand muss auf sie hören, und wir können sie nehmen oder stehen lassen‘. Doch leider hat sich der Einfluss der WHO dahingehend entwickelt, dass sie nun der ganzen Welt ihre Standards aufzwingen will.“

Aus diesem Grund hätten die Menschen die Petition in großer Zahl unterzeichnet. Sie wollten nicht, dass die WHO oder China den Menschen vorschreiben, was sie tun können und was nicht, so Sir Chope.

 



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