Olympia 2022: Kritiker wollen mehr als nur einen diplomatischen Boykott

Vor den anstehenden Olympischen Winterspielen 2022 im kommunistischen China sprechen sich mehrere Staaten dafür aus, keine diplomatischen Vertreter nach Peking zu entsenden, was als diplomatischer Boykott bezeichnet wird. Kritiker fordern einen kompletten Boykott der Spiele.
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Die Polizei bewacht das Olympiastadion in Peking.Foto: NICOLAS ASFOURI/AFP via Getty Images
Von 18. Dezember 2021
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Seitdem die USA am 6. Dezember den diplomatischen Boykott der Olympischen Spiele in Peking erklärt haben, schließen sich immer mehr Länder an. Für manche geht dieser Schritt nicht weit genug und ist „ein Witz“, da die Sicherheit der Sportler nicht gewährleistet werden könne. Kommt ein kompletter Boykott?

Deutschland und Frankreich wollen gemeinsame EU-Position

Deutschland und Frankreich wollen eine gemeinsame Position der EU zu einem möglichen Boykott der Olympischen Spiele in Peking 2022. „Wir werden sowohl gemeinsam in der neuen Bundesregierung darüber entscheiden, wie wir weiter damit umgehen. Und das aber im Einklang mit unseren europäischen Freunden“, sagte Deutschlands neue Außenministerin Annalena Baerbock. Auch der französische Ressortchef Jean-Yves Le Drian sprach sich für eine gemeinsame EU-Position aus.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron machte jedoch deutlich, dass sein Land sich dem diplomatischen Boykott nicht anschließen werde. Er nannte einen solchen Schritt „bedeutungslos“.

„Um es klar zu sagen: Entweder man boykottiert komplett und schickt keine Athleten oder man versucht, die Dinge mit nützlichen Aktionen zu ändern“, sagte Macron dazu. Er habe „niemanden in der Welt sagen hören: Lasst uns unsere Sportler nicht schicken. Wir sprechen also über etwas eher Symbolisches.“

Beer fordert kompletten Boykott – Peking ist empört

Andere, wie FDP-Europaabgeordnete Nicola Beer, fordern den kompletten Boykott durch die Mitgliedstaaten der EU.

Ein diplomatischer Boykott sei nach Beer das „Mindeste“, was man vom Westen erwarten könne. „Die EU sollte jedoch nicht nur im Windschatten der USA bleiben“, so Beer, „sondern sich selbst für die Einhaltung von Menschenrechten auf die Hinterbeine stellen und sich für einen gänzlichen Boykott der Winterspiele aussprechen.“

Die Winterspiele in China sind demnach „eine falsche Bühne am falschen Ort“. „Unmissverständliche Signale des Westens Richtung Peking“ seien längst „überfällig“, sagte sie.

Die Pressesprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, erklärte, dass die Vereinigten Staaten aus Protest gegen den „anhaltenden Völkermord und die Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ des Regimes in Xinjiang keine offizielle Delegation zu den Spielen schicken würden.

Der diplomatische Boykott würde sich jedoch nicht auf die US-Athleten auswirken, „die trainiert und sich auf diesen Moment vorbereitet haben“, sagte Psaki, aber er „könnte eine klare Botschaft senden“. Zwar bedeutet ein diplomatischer Boykott, dass die USA zu den Spielen keine offizielle Vertretung nach Peking schicken wird, das Team USA kann aber dennoch an den Winterwettbewerben teilnehmen.

Peking reagiert sofort und empört

Zuvor haben Menschenrechtsgruppen und Abgeordnete aus aller Welt den Boykott gefordert. Sie drängten darauf, die Winterspiele zu verschieben oder zu verlegen, wenn das kommunistische Regime seine Unterdrückungskampagne gegen ethnische Minderheiten in der Region Xinjiang nicht beendet. Die Vereinigten Staaten und andere Länder haben das Vorgehen Pekings als Völkermord bezeichnet.

Wie erwartet reagierte Peking sofort und empört. Ein Sprecher der KP Chinas äußerte dazu, dass er hoffe, Präsident Biden würde im Jahr 2028 noch am Leben sein, um den chinesischen Boykott der Olympischen Sommerspiele in Los Angeles China zu erleben. Die USA werden die Sommerspiele 2028 in Los Angeles ausrichten, während die Spiele 2032 in Brisbane (Australien) stattfinden werden.

Das kommunistische Regime in China drohte am 7. Dezember erneut mit Vergeltungsmaßnahmen gegen den diplomatischen Boykott durch die USA. „Die Vereinigten Staaten werden den Preis für ihre Handlungen zahlen“, sagte der Sprecher des Außenministeriums, Zhao Lijian. „Sie können auf Folgemaßnahmen gespannt sein“, fügte er hinzu.

Großbritannien und Australien schließen sich dem diplomatischen Boykott an

Ungeachtet der negativen Reaktionen aus China folgten mehrere Länder dem amerikanischen Beispiel. So erklärte Neuseeland am 7. Dezember, dass es keine offizielle Delegation nach China entsenden werde. Die Regierung begründete dies mit den Bedenken wegen der Corona-Lage in China. Auch Australien, das Vereinigte Königreich und Kanada wollen sich dem diplomatischen Boykott anschließen.

Auf einer Pressekonferenz am 8. Dezember in Sydney sagte der australische Premierminister Scott Morrison, dass die Regierung ihre offiziellen Vertreter zu Hause behalten werde, wenngleich australische Sportler im Februar an den Spielen teilnehmen würden.

Morrison sagte, dass sich die australische Regierung zu den „Menschenrechtsverletzungen und Problemen in Xinjiang“ öfter geäußert habe. Er würde gerne über diese Themen mit der chinesischen Regierung sprechen, aber sie hätten „diese Gelegenheiten, sich mit uns über diese Themen zu beraten, immer wieder nicht genutzt“, sagte er. Australien sei eine große Sportnation und er wünsche dem IOC alles Gute für die Winterspiele in Peking.

„Ich trenne sehr stark die Angelegenheiten, die den Sport betreffen, und die, die zwischen zwei Regierungen liegen“, so der Premier. Australien werde nicht von seiner bisherigen Haltung gegenüber China abweichen.

„Es wird effektiv einen diplomatischen Boykott geben“, sagte auch der britische Premierminister Boris Johnson. Britische Minister werden nicht an den Veranstaltungen teilnehmen.

Der kanadische Premierminister Justin Trudeau kündigte ebenfalls einen diplomatischen Boykott der Spiele an und sagte, er sei „äußerst besorgt über die wiederholten Menschenrechtsverletzungen durch die chinesische Regierung“.

Organisationen fordern ARD und ZDF auf, die Spiele nicht zu übertragen

„Die chinesische Regierung nutzt die Winterspiele 2022 als Schaufenster für ihre weltweite Führungsrolle“, sagte Omer Kanat, Exekutivdirektor des Uyghur Human Rights Project, in einer Erklärung. Demnach sende der diplomatische Boykott ein starkes Signal: „Die Regierungen weigern sich, dem Völkermord an den Uiguren grünes Licht zu geben.“

In einem offenen Brief vom September 2021 fordern mehr als 200 internationale Menschenrechtsorganisationen, dass die deutschen Fernsehsender die Olympischen Winterspiele in Peking nicht übertragen. Unter den Unterzeichnern sind auch sieben deutsche Organisationen wie die Tibet Initiative. 

Sie kritisieren die Übertragung der Spiele als „Reinwaschen der Menschenrechtsverbrechen in China“. Der Brief richtet sich an die Intendanten von ARD und ZDF sowie an den Eurosport-Konzern Discovery.

Tenzyn Zöchbauer, Geschäftsführerin der Tibet Initiative Deutschland, erklärte dazu in einer Pressemitteilung: „In Tibet und in China finden massive Menschenrechtsverbrechen statt. Seit den Olympischen Spielen 2008 hat sich die Lage in ganz China massiv verschlechtert. Vor diesem Hintergrund ist es unverständlich, die Spiele erneut in China stattfinden zu lassen.“

Durch die Übertragung im deutschen Fernsehen auf den Kanälen ARD, ZDF und Eurosport, biete man der Propaganda-Show der chinesischen Regierung eine Bühne. Das sei nicht akzeptabel.

Die Initiative begrüßt den Schritt der Amerikaner, die Spiele zumindest diplomatisch zu boykottieren, und fordert vom neuen Bundeskanzler Olaf Scholz: „Positionieren auch Sie sich so klar. Diplomatischer Boykott jetzt!“

Diplomatischer Boykott ist „nicht genug“

Doch nicht nur für den französischen Präsidenten ist der Schritt nur von symbolischer Natur. Einige US-Republikaner – darunter Senator Tom Cotton, die Abgeordneten Mike Gallagher und Carlos Giménez – verlangen einen vollständigen Boykott der Spiele.

„Autoritäre Regime nutzen die Olympischen Spiele seit Langem, um Menschenrechtsverletzungen zu beschönigen“, sagt Gallagher. Die USA sollten alles in ihrer Macht Stehende tun, um zu verhindern, dass sich die KP Chinas „diesen gewaltigen Propagandasieg in die Tasche steckt“.

„Für die Millionen Opfer der KPC – und für die Gesundheit und Sicherheit der US-Sportler – ist ein diplomatischer Boykott nicht genug“, so der Abgeordnete aus Wisconsin.

Ein vollständiger Boykott sei sogar notwendig geworden, so Gallagher, da das IOC aufgrund der Art und Weise, wie es mit den Vorwürfen des chinesischen Tennisstars Peng Shuai wegen sexueller Übergriffe gegen einen ehemaligen hochrangigen KPC-Beamten umgegangen ist, „jegliche Glaubwürdigkeit verloren hat, um das Wohlergehen der US-Sportler zu gewährleisten“.

Nachdem Peng die Anschuldigungen am 2. November online gestellt hatte, war sie zwei Wochen lang verschwunden. Nachdem sie in Chinas staatlichen Medien wieder zu sehen war, führte das IOC zwei Videogespräche mit ihr, das letzte am 1. Dezember.

Kritiker sagen jedoch, dass diese Anrufe nicht ausreichten, um zu beweisen, ob sie wirklich in Sicherheit ist, da sie in China eingeschüchtert oder genötigt sein könnte

Ebenfalls am 1. Dezember gab die Tennisvereinigung der Frauen (WTA) bekannt, dass sie Turniere in China und Hongkong wegen der Sorge um Pengs Wohlergehen aussetzen wird.

„Sie wollen unsere Athleten“

Vertreter der ehemaligen Administration Trump stellten auf Twitter die Entscheidung der Biden-Regierung ebenfalls infrage.

„Die KPC schert sich einen Deut um einen diplomatischen Boykott, denn schließlich sind sie immer noch Gastgeber für die Sportler der Welt“, schrieb der ehemalige Außenminister der USA, Mike Pompeo, auf Twitter. „Joe Biden muss der KPC die Stirn bieten“, fordert er.

Die ehemalige US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Nikki Haley, äußerte sich noch deutlicher: „Ein diplomatischer Boykott der Olympischen Spiele in Peking ist ein Witz. China ist es egal, ob Biden und sein Team auftauchen. Sie wollen unsere Athleten.“

Enes Kanter Freedom: Sportler und Promis müssten mehr tun

Der Profi-Basketballspieler Enes Kanter Freedom von den Boston Celtics hat den diplomatischen Boykott der Olympischen Winterspiele in China zwar begrüßt, er geht ihm jedoch nicht weit genug. „Gut, aber nicht genug“, schrieb er auf Twitter.

„Bei all den Menschenrechtsverletzungen in China haben wir nur mit einem diplomatischen Boykott geantwortet?“

Er sagte im Gespräch mit „Fox News“, dass die Welt des Profisports zu den Menschenrechtsverletzungen in China und anderen Anschuldigungen gegen die dortige kommunistische Führung schweigt, aber „jemand muss es [aussprechen]“. 

„Es gibt so viele Sportler, so viele Schauspieler, so viele Sänger und Rapper da draußen. Sie haben Angst, etwas zu sagen, weil sie sich zu sehr um ihr Geld sorgen – um die Werbeverträge, um das, was die Teams, für die sie spielen, sagen“, so der Profispieler, der Ende November US-Staatsbürger wurde und seinen Nachnamen zu Freedom ändern ließ.

Nach seiner Ansicht sollten „Moral und Prinzipien wichtiger sein als Geld“. Sportler hätten eine Vorbildfunktion, die jungen Menschen würden zu ihnen aufschauen, „deshalb sollten die Spieler darauf achten, wie sie sich verhalten“.

Freedom griff vor Kurzem auch das Sportunternehmen Nike und den Basketballstar der L.A. Lakers, LeBron James, wegen der Menschenrechtsverletzungen in China an.

Er schrieb in einem Tweet: „Geld über Moral für den ‚König‘“, in Anspielung auf LeBron James‘ Spitznamen: „Traurig und widerlich, wie diese Sportler vorgeben, sich für soziale Gerechtigkeit einzusetzen“. Sie würden die „Klappe halten und sabbern“, wenn der Big Boss [Emoji mit chinesischer Flagge] das verlangt.

Der NBA-Profi will auch die Unternehmen anprangern: „Nike, der größte Sponsor der NBA. In Amerika stehen sie zu Black Lives Matter, der Latino-Community, No Asian Hate und der LGBTQ-Community, aber wenn es um China geht, schweigen sie.“ Das sagte er in einem Interview mit „The Hill“.

Athleten sollten nicht im Mittelpunkt stehen

Die Beschränkung des Boykotts auf Regierungsvertreter sei der richtige Weg, meint Kris Burley, ein ehemaliger kanadischer Olympia-Turner. Er unterstützt den diplomatischen Boykott.

„Es bringt das Thema in die Nachrichten und in die Schlagzeilen und rückt die Menschenrechte in den Vordergrund, ohne die Athleten in den Mittelpunkt zu stellen, was meiner Meinung nach sehr klug ist“, sagte er gegenüber dem kanadischen Radiosender CBC. Jedoch solle man von den Sportlern nicht erwarten, dass sie Stellung dazu beziehen, wenn sie nicht wollen.

Burley sagt, dass die kanadische Regierung eine stärkere Rolle im Umgang mit Menschenrechtsverletzungen in China spielen sollte.

Durch eine öffentliche Erwartungshaltung gegenüber den Athleten, sich gegen China aussprechen zu müssen, befürchtet er zweierlei: Dass die Sportler in ihrer Konzentration beeinträchtigt werden und dass ihre persönliche Sicherheit in Peking gefährdet ist. 



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