USA schießen chinesischen Überwachungsballon über dem Atlantik ab

Der mutmaßliche chinesische Überwachungsballon, der in Richtung Atlantik trieb, wurde vom US-Militär abgeschossen und stürzte ins Meer. Kolumbien informierte unterdessen über das Eindringen eines Objekts mit „ähnlichen Eigenschaften wie ein Ballon“ in seinem Luftraum.
Titelbild
Der mutmaßliche chinesische Spionageballon sinkt nach seinem Abschuss am 4. Februar 2023 vor der Küste von Surfside Beach, South Carolina, ins Meer.Foto: Randall Hill/Reuters
Von 5. Februar 2023

Mehrere Tage wurde ein großer Ballon chinesischer Herkunft über den USA mit Argusaugen beobachtet und zum Objekt vielfältiger Spekulation.

Ist er aus China? Oder nicht? Das war die erste Streitfrage. Ist es nur ein verirrter Wetterballon? Oder ein Spionageballon, mit dem versucht wird, Informationen über die USA zu gewinnen? China meint nach einem ersten Dementi, dass es ein Wetterballon sei.

Die USA beharren auf der Variante, dass es sich um einen Überwachungsballon handelt. Dieser solle laut Verteidigungsminister Lloyd J. Austin III „strategische Standorte auf dem amerikanischen Festland überwachen“.

Karine Jean-Pierre, Pressesprecherin des Weißen Hauses, meinte, dass er zwar keine militärische oder physische Bedrohung für die Menschen vor Ort darstelle, aber „unsere Souveränität und das Völkerrecht“ verletze. Das sei „inakzeptabel“.

Letztlich sagte US-Außenminister Antony Blinken wegen des Ballons eine geplante Reise nach Peking ab.

F-22 und Sidewinder „kümmern sich darum“

Mit der vermeintlichen Überwachung aus China und dem hohen Aufmerksamkeitsgrad, der dem Ballon entgegengebracht wurde, ist es nun vorbei. „Fox News“ zufolge bestätigten Mitarbeiter des US-Verteidigungsministeriums, dass ein F-22-Tarnkappenjet den chinesischen Überwachungsballon um 14:39 Ortszeit (20:39 MEZ) mit einer Rakete vom Typ AIM-9 Sidewinder zum Absturz gebracht hat. US-Schiffe kümmern sich indessen um seine Bergung.

Der Abschuss erfolgte, nachdem Präsident Joe Biden am Samstag das Schweigen über den Ballon gebrochen und Reportern mitgeteilt hatte, dass „wir uns darum kümmern werden“.

In einer kurz darauf folgenden Erklärung sagte Verteidigungsminister Austin, Biden habe am Mittwoch grünes Licht gegeben, „den Überwachungsballon abzuschießen, sobald die Mission ohne unangemessenes Risiko für das Leben von Amerikanern, die sich in der Flugbahn des Ballons befinden, erfüllt werden kann.“

Er fügte hinzu, dass der „Ballon von Peking benutzt werde, um strategische Standorte auf dem amerikanischen Festland zu überwachen“.

Peking protestierte am Sonntag gegen die „offensichtliche Überreaktion“ und wies die Vorwürfe erneut zurück.

Abschuss über Land war zu gefährlich

Nach einer „sorgfältigen Analyse“ hatte Austin die Möglichkeit ausgeschlossen, den Ballon über Land abzuschießen, „aufgrund der Größe und Höhe des Ballons und seiner Überwachungslast“, die ein „unangemessenes Risiko für Menschen in einem großen Gebiet“ dargestellt hätte.

US-Beamte schätzten die Größe des Ballons zuvor auf etwa drei Schulbusse, vergleichbar mit drei deutschen Linienbussen. Der Ballon flog in einer Höhe von etwa 18.000 Metern.

Das dem US-Nordkommando unterstellte Kampfflugzeug brachte den Ballon über dem Wasser vor der Küste von South Carolina zum Absturz. Die Aktion wurde in Abstimmung mit der kanadischen Regierung durchgeführt, heißt es in der Erklärung. Über deren Staatsgebiet war der Ballon geflogen, bevor er die USA erreichte.

US-Präsident Joe Biden am 4. Februar 2023 auf dem Hagerstown Regional Airport in Maryland. Biden beglückwünschte am Samstag Kampfpiloten, die den chinesischen Spionageballon vor der Ostküste abgeschossen hatten. Foto: Andrew Caballero-Reynolds / AFP via Getty Images

„Die heutige überlegte und rechtmäßige Aktion zeigt, dass Präsident Biden und sein nationales Sicherheitsteam die Sicherheit des amerikanischen Volkes immer an die erste Stelle setzen und gleichzeitig wirksam auf die inakzeptable Verletzung unserer Souveränität durch die Volksrepublik China reagieren werden“, sagte er.

In einem Gespräch mit Reportern kurz nach seiner Ankunft in der Stadt Hagerstown im US-Bundesstaat Maryland gab Biden weitere Einzelheiten über die Entscheidungsfindung bekannt.

Team-gestützte Entscheidungsfindung

Nachdem er über den Ballon informiert worden war, sagte Biden, er habe dem Pentagon befohlen, ihn „so schnell wie möglich“ abzuschießen. Das Pentagon habe entschieden, dass der beste Zeitpunkt dafür wäre, wenn sich der Ballon innerhalb einer 12-Meilen-Zone über dem Wasser befindet und am Boden niemand zu Schaden kommen könnte.

„Sie haben ihn erfolgreich abgeschossen, und ich möchte unseren Piloten, die das getan haben, ein Kompliment machen“, sagte Biden. Er fügte hinzu, dass sie „etwas später mehr darüber zu berichten haben werden“.

„Ich habe ihnen gesagt, sie sollen ihn am Mittwoch abschießen“, sagte Biden. „Sie sagten zu mir, lassen Sie uns auf den sichersten Ort warten, um es zu tun.“

In Vorbereitung auf die Operation verhängte die Federal Aviation Administration (FAA) auf drei Flughäfen in North und South Carolina ein vorübergehendes Flugverbot, da sich der chinesische Überwachungsballon über diesen Staaten in Richtung Küste bewegte.

„Die FAA hat die An- und Abflüge von den Flughäfen Wilmington (ILM), Myrtle Beach International (MYR) und Charleston International (CHS) unterbrochen, um das Verteidigungsministerium bei seinen Bemühungen um die nationale Sicherheit zu unterstützen“, so die Behörde in einer Erklärung vom 4. Februar. Die Flugpause sollte bis mindestens 20:45 Uhr (MEZ) gelten.

Biden hatte den Schritt am Dienstag erwogen, als er zum ersten Mal darüber informiert wurde. Er entschied sich aber dagegen, nachdem Pentagon-Beamte, darunter Austin, Armeegeneral Mark Milley und der Befehlshaber des Nordkommandos der Vereinigten Staaten, General Glen Vanherck, starke Einwände erhoben hatten. Sie wiesen auf mögliche Schäden für die Zivilbevölkerung vor Ort hin, sagte Jean-Pierre am Freitag gegenüber Reportern.

„Wir verfolgen den Einsatz genau und halten alle Optionen auf dem Tisch“, sagte sie.

Gefahr gebannt

Der Ballon, der von US-Beamten als „Höhenüberwachungsballon“ bezeichnet wird, zog zunehmend Aufmerksamkeit auf sich, seit er am Mittwoch über einem Flugplatz in Montana gesichtet worden war, einem von drei US-Bundesstaaten, in denen sich Atomraketen befinden.

Das Eindringen des Ballons löste in Washington Alarm aus, und Mitglieder des Kongresses fragten sich, warum der Ballon in der Luft bleiben durfte.

Am späten Freitag sagte ein Sprecher des demokratischen Senators Chuck Schumer, dass die Biden-Regierung ein geheimes Briefing mit den vier führenden Kongressabgeordneten des Repräsentantenhauses und des Senats sowie den Vorsitzenden und ranghöchsten Mitgliedern der Geheimdienstausschüsse des Repräsentantenhauses und des Senats über den Ballonvorfall abhalten werde. Vorher hatte der Sprecher des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, darum gebeten.

Ähnliches Flugobjekt in Kolumbien gesichtet

Unterdessen informierte nun auch Kolumbien über ein unbekanntes Objekt, das in seinen Luftraum eingedrungen sei und „ähnliche Eigenschaften wie ein Ballon“ aufgewiesen habe. Am Morgen des 3. Februar habe das nationale Luftverteidigungssystem in rund 17.000 Metern Höhe ein Objekt über dem nördlichen Sektor des Landes entdeckt, teilte die kolumbianische Luftwaffe am Samstag (Ortszeit) mit. Es habe „keine Gefahr für die nationale Sicherheit“ dargestellt. Die Luftwaffe arbeite mit anderen Ländern zusammen, um die Herkunft des Objekts festzustellen. Pentagonsprecher Pat Ryder hatte am Freitag in Washington gesagt, dass ein weiterer möglicher Spionageballon über Lateinamerika schwebe. Aus Peking gab es zunächst keine Angaben zu dem zweiten Ballon.

Ballons gelten als wichtige Beobachtungsplattformen. Ihr Einsatz ist nicht unüblich. Nach Expertenmeinung haben sie Vorteile gegenüber Satelliten: Anders als diese können sie an einer Stelle bleiben, müssen nicht eine neue Runde um die Erde drehen, um weitere Bilder zu machen. Sie könnten aus größerer Nähe beobachten, seien vom Radar schwer zu entdecken. Auch könnten sie Kommunikation abfangen. Die Navigationsmöglichkeiten seien heute deutlich verbessert, sodass sie nicht mehr allein vom Wind abhingen.

Von China über Kanada nach Montana

Nach Angaben der US-Epoch Times sei der Ballon von China aus kommend zunächst über die zu den USA gehörenden Aleuteninseln in Alaska geflogen und anschließend über Nordwestkanada. Kanadas Verteidigungsministerium bestätigte am 2. Februar in einem Statement die Sichtung eines „Höhenüberwachungsballons“, ohne explizit China als Herkunft des Fluggeräts zu benennen. Man erklärte, dass Kanadas Geheimdienste mit ihren amerikanischen Partnern zusammenarbeiten und alle „notwendigen Maßnahmen“ ergreifen würden, „um Kanadas sensible Informationen vor Bedrohungen durch ausländische Geheimdienste zu schützen“.

Im weiteren Verlauf wurde die Sichtung des Spionageballons über Montana im Norden der USA von den Vereinigten Staaten bestätigt. Brisantes Detail: Dort befindet sich eine von drei US-Atomraketensiloanlagen, dem „Wall Street Journal“ nach bestückt mit 150 interkontinentalen Atomraketen vom Typ Minuteman III.

Weber ruft EU zu Schulterschluss mit USA gegen China auf

Angesichts des Streits zwischen Washington und Peking über den mutmaßlichen chinesischen Spionageballon über US-Gebiet hat EVP-Chef Manfred Weber die EU zum Schulterschluss mit den USA aufgerufen.

„Die neuen offensichtlichen Spionageaktionen Chinas gegenüber den USA geben Grund zur Sorge“, sagte Weber den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Das Verhalten der chinesischen Führung gegenüber westlichen Staaten werde „deutlich aggressiver“. Im „Systemwettbewerb mit China“ müsse „die freie Welt“ nun die Kräfte bündeln, forderte er.

„Ein enger Schulterschluss zwischen den USA und der EU sowie weiteren Verbündeten ist unabdingbar. Nur so wird man den zunehmend aggressiven Giganten in Asien eindämmen können“, sagte der Chef der Europäischen Volkspartei weiter. Die Europäische Union müsse erkennen, dass sie auch in Asien Verantwortung habe. Vor allem müssten sich die EU-Staaten auf eine gemeinsame China-Strategie einigen. „Wir dürfen unsere amerikanischen Freunde mit ihren Partnern dort nicht allein lassen.“

(Mit Material von theepochtimes.com und dpa)



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