Ungarn: Schüler, Eltern und Lehrer demonstrieren gegen niedrige Lehrer-Gehälter
Im vergangenen Jahr sind ungarische Lehrer regelmäßig auf die Straßen gegangen und haben gestreikt. Das Lehrergehalt ist in Ungarn extrem niedrig; oftmals liegt es noch unter 500 Euro netto monatlich und das auch nach zehn Jahren oder mehr Lehrtätigkeit. Zum Vergleich verdient ein Busfahrer bei Berufseinstieg rund 900 Euro. Selbst eine Reinigungskraft an einer Schule verdient mitunter mehr, sofern der Reinigungsauftrag an eine Fremdfirma vergeben wurde.
Im Zuge der steigenden Inflation haben sich die Proteste ausgeweitet, auch Schüler und Eltern schlossen sich den Aktionen an. Sie fürchten, dass die Bildung ihrer Kinder auf der Strecke bleibt. Immer mehr Lehrer sehen sich nach einem anderen Job um, um das tägliche Leben bestreiten zu können. Eine kürzliche Änderung der Steuervorschriften macht es ihnen unmöglich, eine zweite Arbeit anzunehmen. Auch an Nachwuchskräften fehlt es, denn die Arbeitsbelastung ungarischer Lehrer ist sehr hoch, Überstunden werden nicht bezahlt.
Die Regierung hat das Problem mit den Löhnen anerkannt, aber ihre jüngsten Vorschläge für einen dreijährigen Lohnerhöhungsplan stellen die kritischen Stimmen nicht zufrieden. Ungarns Regierung knüpft die Gehaltserhöhungen an Brüsseler Subventionen. Zudem wurden Gerüchte laut, dass die Regierung Lehrer, die an den Protesten teilgenommen hatten, unter Druck gesetzt und sogar entlassen haben. Das sorgte wiederum für noch mehr Protest.
Studenten halten Plakate, während sie protestieren und die Margaretenbrücke am 5. Oktober 2022 in Budapest, Ungarn, blockieren. Foto: Janos Kummer/Getty Images
Präsident des Parlaments: „langfristige strategische Frage“
Nach einer großen Demonstration Anfang Oktober sprach sich László Kövér, Präsident des ungarischen Parlaments, dafür aus, „die Situation der Lehrer als langfristige strategische Frage zu behandeln“. Eine Gehaltserhöhung sei notwendig, da die derzeitigen Gehälter nicht im Verhältnis zur Arbeit und der Verantwortung stünden. Auch stehe außer Frage, dass „die Lehrergehälter hinter denen anderer Branchen zurückbleiben“. Die Frage sei nur, „wie und in welchem Tempo und unter welchen Bedingungen die Regierung Veränderungen so vornehmen kann, die alle zufriedenstellt.“
Er betonte jedoch, dass die derzeitige Bezahlung nicht die Qualität der Bildung mindern dürfe, da „anständige Lehrer ihre Leistung nicht von ihrem Gehalt abhängig machen“, berichtete die Zeitung „Magyar Nemzet“. Streiks seien zudem wenig zielführend. „Kein Streik wird an dieser Situation etwas ändern können. Die bestehenden Gesetze können nicht außer Kraft gesetzt werden (…), um eine Aktion des zivilen Ungehorsams auf Kosten unserer Kinder zu starten.“
Nach den jüngsten Regierungsangaben sollen die Gehälter der Lehrer im nächsten Jahr um 21 Prozent und in den Folgejahren um 25-30 Prozent steigen. „Das bedeutet, dass die Gehälter von Lehrern bis 2025 80 Prozent des Durchschnittsgehalts von Hochschulabsolventen betragen werden“, sagte Kanzleramtsminister Gergely Gulyás.
Entlassungen wegen zivilen Ungehorsams
Bei einer Großdemonstration letzten Freitag (14. Oktober) marschierten Tausende Studenten und Unterstützer vom Heldenplatz in Budapest zum Innenministerium. In einem offenen Brief an den zuständigen Minister Sándor Pintér beklagten Schüler die Einschüchterungsversuche der Regierung und Entlassung „ausgezeichneter Lehrer“. Angesichts des extremen Lehrermangels sei dies „rechtlich“ und „moralisch nicht zu rechtfertigen“. Weiter warfen die Schüler der Regierung „diktatorisches Verhalten“ vor.
Das Phänomen, dass Kinder und Eltern auf die Straße gehen, um ihre Lehrer zu unterstützen, sei immer öfter zu beobachten. Das bestätigte die pensionierte Lehrerin Erzsébet Nagy aus Pécs im Interview mit der Epoch Times. Nagy ist seit 1990 Hauptvorstandsmitglied der Demokratischen Lehrergewerkschaft in Ungarn.
Auch die Entlassungsvorwürfe seien begründet. Seitdem Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán einen Polizeibeamten mit der Leitung der öffentlichen Bildung beauftragt habe und das nun dem Innenministerium untersteht, versuche das Ministerium, mit den Mitteln der Strafverfolgung „Ordnung zu schaffen“.
Dazu gehöre auch die Androhung von Entlassungen, falls sich Lehrer an Aktionen beteiligen, die unter zivilen Ungehorsam fallen. In einem Budapester Elitegymnasium wurden bereits vier Lehrer entlassen, ein stellvertretender Schulleiter einer Schule in Miskolc ebenso. Seither nehmen die Proteste im Land zu.
„Lehrer, Schüler und Eltern sind sich einig, dass die Regierung nicht auf Drohungen, Repressionen und Vergeltungsmaßnahmen zurückgreifen sollte“, so das Fazit von Erzsébet Nagy. Vielmehr sollten die Probleme mittels Verhandlungen und eines normalen Interessenausgleichs gelöst werden. „Die einzige Zusage, die bisher gemacht wurde, ist, dass es ohne EU-Unterstützung ab Januar eine Lohnerhöhung von zehn Prozent geben wird, aber das wird das Problem nicht lösen.“
Seit 2015 ist das Lehrergehalt nicht mehr gestiegen
Bis zum Jahr 2015 waren die Löhne für Lehrer an den Mindestlohn gekoppelt, erläutert Nagy. „Der Mindestlohn von 2014 ist seither die Grundlage für die Berechnung der Löhne. Für das nicht lehrende Personal hat sich die Gehaltstabelle seit 2008 nicht geändert.“
Grundschullehrer, die 14 Jahre lang unterrichtet hätten, würden den garantierten Mindestlohn erhalten, der derzeit 260.000 Forint brutto beträgt (etwa 400 Euro netto). Hinzu käme ein Zuschlag für Fachkräfte, der 2020 eingeführt wurde und zehn Prozent des Grundlohns beträgt.
Im Januar 2022 wurde dieser um weitere zehn Prozent erhöht, was aber nicht ausreiche, um die Inflation auszugleichen. In Kindergärten und anderen sozialen Bereichen gebe es höhere Zuschläge, sodass sie insgesamt mehr Lohn bekämen. „Diejenigen, die wegen der Lebenshaltungskosten und der niedrigen Löhne aus dem Beruf ausscheiden, können nicht jahrelang auf eine spürbare Lohnerhöhung warten“, so Nagy weiter.
Beratungen brachten bislang keine Resultate
Regierung und Lehrergewerkschaften beraten zwar über das Thema, bisher gab es aber keine „ernsthaften Ergebnisse“, kritisiert Nagy. Auf einen zweistündigen Warnstreik im Januar und einen unbefristeten Streik ab 16. März habe die Regierung mit der Abschaffung des Streikrechts reagiert. Während eines Streiks müssen die Lehrer künftig neben der Beaufsichtigung der Kinder auch noch die Hälfte des Unterrichts abhalten, so die frühere Lehrerin. Abschlussklassen müssen voll unterrichtet werden. „Das ist kein Streik mehr“, erklärt sie.
Regierung: Die Verzögerung liegt an der Linken
Die Studentenbewegung „ADOM“ plant für den 23. Oktober eine große Volksdemo. Der 23. Oktober ist bereits ein besonderer Tag für die Ungarn, ein Tag, der an die Niederlage der ungarischen Revolution gegen die Russen von 1956 und den Kampf um die Freiheit erinnert.
Linke Medienseiten und Politiker unterstützen den Aufruf, während rechte Medienseiten davor warnen, dass die aktuelle Situation der Lehrer von linken Politikern genutzt wird, um die Macht der Regierung zu erschüttern und die Bevölkerung gegen die Regierungspartei aufzuhetzen.
Nach der jüngsten Großdemo erklärte die ungarische Regierung: „Es sind nur die Linken, die die Gehaltserhöhung für die Lehrer ständig blockieren. Denn sie arbeiten in Brüssel ständig daran, dass Ungarn die Mittel, die unserem Land zustehen, nicht erhält. Diese würden unter anderem auch die Gehaltserhöhung für die Lehrer abdecken.“
Zudem bestritt sie die Vorwürfe der Massenentlassungen. „Von einer Massenentlassung kann nicht die Rede sein, bisher wurden nur fünf Lehrkräfte, die an mehreren rechtswidrigen Arbeitsniederlegungen teilgenommen haben, entlassen“. Und weiter: „Ein rechtmäßig organisierter Streik ist eine legitime Form der Meinungsäußerung. Lehrkräfte, die sich an einem legalen Streik beteiligen, werden nicht bestraft“, erklärte das Regierungszentrum am 14. Oktober.
(Kathrin Sumpf und Nina Hamrle haben zu diesem Artikel beigetragen)
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