Ukraine: Putin nennt Gegenoffensive gescheitert
Am Wochenende wurde erneut die ukrainische Millionenstadt Odessa am Schwarzen Meer von Russland angegriffen. Dabei wurden nach ukrainischen Angaben in der Nacht mindestens zwei Menschen getötet und mehr als 20 verletzt.
Getroffen wurde auch die als Weltkulturerbe eingestufte Altstadt. Dort beschädigte eine Rakete die orthodoxe Verklärungskathedrale schwer. Das Dach brach ein. Auch im Inneren des Gebäudes gab es Zerstörungen.
Die EU verurteilte die Angriffe auf die Hafenstadt, über die bis vor kurzem noch Getreide ausgeführt wurde, als Kriegsverbrechen. Auf Bitten der Ukraine berief Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg für Mittwoch ein Treffen des neuen Nato-Ukraine-Rats ein. Dabei soll es auch um Möglichkeiten gehen, wie der Transport von ukrainischem Getreide durchs Schwarze Meer weitergehen kann.
Kurz vor der Ankündigung hatte Stoltenberg mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj telefoniert. Stoltenberg teilte danach mit: „Wir verurteilen Moskaus Versuch, Nahrungsmittel als Waffe einzusetzen, aufs Schärfste.“ Die Verbündeten stünden der Ukraine so lange wie nötig zur Seite.
Selenskyj erklärte, er und Stoltenberg hätten über die Umsetzung der beim Gipfel erzielten Vereinbarungen und weitere Schritte zur Integration der Ukraine in das westliche Verteidigungsbündnis gesprochen. Man habe zudem auch notwendige Schritte identifiziert, um den Getreidetransport über das Schwarze Meer zu deblockieren und langfristig zu gewährleisten. Was das für Schritte sind, teilte er allerdings nicht mit.
Getreideabkommen in der Debatte
Das von Russland aufgekündigte Abkommen hatte es der Ukraine seit vergangenem Sommer ermöglicht, trotz des Kriegs fast 33 Millionen Tonnen Getreide und Lebensmittel über den Seeweg in andere Länder zu verkaufen.
Auf Twitter wird diskutiert, wohin das Getreide exportiert wird. Das Auswärtiges Amt twitterte:
Dass Putin das #Getreideabkommen aufkündigt & den Hafen in Odessa bombardiert, ist ein Angriff auf die Ärmsten der Welt. Millionen t. Getreide stecken in der Ukraine fest. Mit #EU solidarity lanes arbeiten wir daran, dass es nicht in den Silos verrottet –@ABaerbock in Brüssel 1/3
Laut Statistischem Bundesamt vom 17. Juli 2023 exportierte die Ukraine ihr Getreide vor allem nach: China, Spanien, in die Türkei, Italien und die Niederlande. Erst an 6. Stelle folgt Ägypten, dass als armes Land zählen kann.
„China war mit acht Millionen Tonnen das führende Exportziel für landwirtschaftliche Erzeugnisse aus der Ukraine“, so die Statistiker. „Außerdem gingen sechs Millionen Tonnen nach Spanien, während die Türkei an dritter Stelle lag.“
Selenskyj droht mit Vergeltung
Selenskyj hielt Moskau vor, Raketen auf friedliche Städte, Wohngebäude und Kirchen zu feuern. „Wie immer wird auch dieses Böse verlieren. Und es wird für Odessa definitiv eine Vergeltung gegen die russischen Terroristen geben.“
Zudem drohte er Russland abermals mit der Zerstörung der 19 Kilometer langen Brücke auf die Halbinsel Krim, die schon zwei Mal schwer beschädigt wurde. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hielt dem Kreml „Kriegsverbrechen“ und „Raketenterror“ vor. Beim Versuch, die Ukraine zu zerstören, habe Russland schon Hunderte Kulturstätten beschädigt.
Selenskyj drängt auf die Weiterführung der Getreideexporte über das Schwarze Meer – an dem die Ukraine gut verdient. „Jede Destabilisierung in dieser Region und die Störung unserer Exportrouten bringt Probleme mit entsprechenden Folgen für alle Menschen auf der Welt mit sich“, sagte er am Samstagabend in seiner täglichen Videoansprache. Der Anstieg der Lebensmittelpreise sei das kleinste Problem dabei.
Die Ukraine setzt inzwischen auch Streumunition ein, die sie aus den USA geliefert bekam. Der Einsatz solcher Bomben wird von mehr als hundert Staaten geächtet, auch von Deutschland. Russland wiederum setzt diese Art der Munition bereits seit Monaten im Zuge seines Angriffskriegs ein.
Putin nennt Gegenoffensive gescheitert
Unterdessen empfing Putin zum wiederholten Mal den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko. Die beiden besuchten unweit der russischen Ostsee-Metropole St. Petersburg ein Museum zu Ehren der russischen Marine.
Der russische Präsident Putin erklärte während des Treffens gegenüber der Nachrichtenagentur Tass, die Gegenoffensive der Ukraine zur Rückeroberung besetzten Gebiets sei „gescheitert“.
Zuvor hatte Lukaschenko der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass zufolge gesagt, es gebe „gar keine Gegenoffensive“. Daraufhin habe Putin unterbrochen und gesagt, eine Gegenoffensive finde statt, sei aber gescheitert. Die Gespräche mit Lukaschenko sollten zwei Tage dauern.
Lukaschenko äußerte sich Berichten zufolge über Soldaten der russischen Privatarmee Wagner, die nach einem gescheiterten Aufstand gegen Moskau nach Belarus umgesiedelt wurden. „Die Wagner-Leute haben angefangen, uns anzustrengen“, sagte er. Die Söldner hätten einen „Ausflug nach Warschau und nach Rzeszów machen“ wollen, fügte er hinzu. Beides sind Städte in Polen. Lukaschenko versicherte, die Söldner blieben weiter in zentralen Gebieten von Belarus stationiert.
Briten sehen Russland im Nordosten besonders aktiv
Nach britischer Einschätzung misst Russland dem Nordosten der Ukraine größere Bedeutung bei, während es anderswo unter gehörigem Druck steht. Im Norden der Frontlinie in den ostukrainischen Gebieten Luhansk und Charkiw sei es in den vergangenen Tagen zu zunehmendem Artilleriefeuer gekommen, teilte das Verteidigungsministerium in London mit.
„Seine erneute Aktivität im Norden unterstreicht dessen Bedeutung für den Kreml, während es gleichzeitig im südlichen Bereich Saporischschja erheblichem Druck ausgesetzt ist.“
Reparaturzentrum für Leopard-Panzer in Polen geht in Betrieb
Ein von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) angemahntes Reparaturzentrum in Polen für an die Ukraine gelieferte Leopard-Panzer ist fertiggestellt und in Betrieb genommen worden. Das gab der polnische Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak am Samstagabend bekannt. Die ersten beiden Leopard sind bereits aus der Ukraine im Bumar-Werk eingetroffen“, schrieb der nationalkonservative Minister am Samstag auf Twitter.
Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, hält die Leistungsfähigkeit der deutschen Nachrichtendienste in Krisenlagen für nicht mehr ausreichend. „Man benötigt offensichtlich mehr Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die aber auch grünes Licht bekommen sollten, näher am Geschehen aktiv zu sein“, sagte die FDP-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
„Wir stützen unser Wissen auch auf befreundete Dienste. Daraus leiten wir dann unsere Informationen ab und machen uns ein Bild der Lage. Kann es sein, dass andere Länder deutlich forscher und genauer hinschauen?“ Nach dem bewaffneten Aufstand des Chefs der russischen Söldnerorganisation Wagner, Jewgeni Prigoschin, gegen Moskaus Militärführung war Kritik am Bundesnachrichtendienst (BND) laut geworden.
(dpa/red)
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