Putin warnt vor gezielter Ausbreitung der Russlandfeindlichkeit

In einem Interview mit einer mongolischen Zeitung warnt Putin vor der Schaffung und Verbreitung eines Feindbildes über Russland und dessen Auswirkungen auf die Weltpolitik.
Titelbild
Der russische Staatschef Wladimir Putin am 2. September 2024 in Kysyl, Russland.Foto: Vyacheslav Prokofyev/POOL/AFP via Getty Images
Von 7. September 2024

Das russische Staatsoberhaupt gab der mongolischen Zeitung „Onoodor“ vor seinem Besuch in der Mongolei ein Interview zum Krieg in der Ukraine. Hinter dem Konflikt stecke eine gezielte Kampagne gegen Russland, erklärte er. Wladimir Putin wurde neben dem Ukraine-Krieg auch zur Pressefreiheit und den Olympischen Spielen befragt.

Die Hauptursache für die „Tragödie“ im Nachbarland, so der Präsident, sei „die bewusste Anti-Russland-Politik des kollektiven Westens unter Führung der USA“. Die russische „spezielle Militäroperation“ diene dazu, die Sicherheit von Russland und der russischen Bevölkerung zu garantieren.

Mongolei ignoriert Haftbefehl

Putin war nach dem schriftlichen Interview, das in voller Länge auf der Website des Kremls veröffentlicht wurde, am Montagabend, 2. September, in der Hauptstadt Ulaanbaatar gelandet.

Dort wurde er ungeachtet des gegen ihn vorliegenden Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) vom mongolischen Staatschef Uchnaagiin Chürelsüch empfangen.  Mongolei ist wie jedes Mitglied des IStGH verpflichtet, auf die Haftbefehle zu reagieren.

Ein Sprecher der mongolischen Regierung erklärte später, das Land sei bei der Energieversorgung von Russland abhängig. Deshalb könne man den russischen Präsidenten nicht aufgrund eines Haftbefehls wegen der Deportation ukrainischer Kinder festnehmen. Zudem betonte der Sprecher die politische Neutralität seines Landes.

Der russische Präsident Wladimir Putin (l.) und der frühere mongolische Präsident Tsakhiagiin Elbegdorj am 3. September 2014 in der Hauptstadt Ulaanbaatar. Anlässlich des 75. Jahrestages des sowjetisch-mongolischen Sieges über die japanischen Truppen in der Schlacht von Khalkhin Gol im Jahr 1939 legten sie einen Kranz an der Statue des sowjetischen Marschalls Georgi Schukow nieder. Foto: Alexey Nikolsky/POOL/AFP via Getty Images

Putin kritisiert Einschränkungen der russischen Medien

Putin wies im Interview mit der mongolischen Zeitung darauf hin, dass der Westen ein falsches Bild von Russland verbreitete, um seine eigene Agenda zu verfolgen.

Die Europäische Union hatte im Mai die prorussische „Voice of Europe“, die staatliche russische Nachrichtenagentur „RIA Novosti“ sowie die Zeitungen „Iswestija“ und „Rossijskaja Gaseta“ mit einem Sendeverbot belegt. Der Zugang zu den Seiten wurde in der gesamten EU gesperrt.

Dieses Vorgehen gegen russische Medien widerspreche dem „demokratischen Prinzip der Meinungsfreiheit und des freien Informationsflusses“, so Putin gegenüber „Onoodor“.

Die russischen Medien erlaubten, „Russlands Ansichten“ zum Ukraine-Krieg sowie zu anderen globalen Themen zu verstehen. Die westlichen Länder verstecken sich jedoch, so Putin, vor „den unbequemen Fakten und der Wahrheit“, indem sie russische Journalisten als Kreml-Propagandisten bezeichnen.

Der Kreml hatte auf die Medienverbote der EU geantwortet. Ende Juni kündigte er an, den Zugang zu 81 europäischen Medien einzuschränken. Betroffene deutsche Medien sind der „Spiegel“, die „Zeit“ und die FAZ. Aber auch der österreichische ORF, der spanische „El País“, der französische „Le Monde“, die Nachrichtenagentur AFP und das Nachrichtenportal „Politico“ stehen auf der Liste.

Das russische Außenministerium argumentiert, dass diese Medien „systematisch falsche Informationen über die militärische Sonderoperation verbreiten“. „Bild“ und die „Frankfurter Rundschau“ sowie andere europäische und internationale Medien wurden vom Kreml bereits seit Längerem gesperrt. Zusätzlich schränkt Russland auch den Zugang zu Facebook und X (ehemals Twitter) ein.

Russland werde als „ewiger Feind der Ukraine“ dargestellt

„Jahrzehntelang haben sie [die westlichen Länder] die vollständige Kontrolle über die Ukraine angestrebt. Sie finanzierten dort nationalistische und anti-russische Organisationen; sie arbeiteten hartnäckig daran, die Ukraine davon zu überzeugen, dass Russland ihr ewiger Feind und die größte Bedrohung für ihre Existenz sei“, sagte Putin in dem Interview.

Er sprach auch vor „radikalen Neonazigruppen“, die ihm zufolge während des „bewaffneten Putsches“ in der Ukraine im Jahr 2014 die Unterstützung der USA erhielten. Diese Gruppen, so der Kremlchef, begannen dann, die Regierungspolitik in Kiew zu bestimmen.

Als Folge des Neonazismus, so Putin, seien „Millionen Zivilisten“ im Donbas seit vielen Jahren einem „Völkermord, Beschuss und Blockaden“ durch Kiew ausgesetzt.

Im Zusammenhang mit der Unterstützung für Neonazis wies die BBC darauf hin, dass bei den letzten Parlamentswahlen in der Ukraine 2019 rechtsextreme Kandidaten nur zwei Prozent Unterstützung erhielten. Zudem ist Präsident Wolodymyr Selenskyj jüdischer Abstammung und Mitglieder seiner Familie seien im Holocaust umgekommen.

Was den Verweis auf den Völkermord angeht, so erklärte die „New York Times„, dass dies ein Weg für Moskau sei, „Russlands Souveränität über ein ethnisch russisches Reich zu behaupten, welches sich weit über seine offiziellen Grenzen hinaus erstrecke – und ein Recht, dieses Reich mit Gewalt zu kontrollieren.“

Verbot der orthodoxen Kirche

Laut Putin ist „in der Ukraine der Hass auf alles Russische zu einer offiziellen Ideologie geworden“. Als Beispiel führt er die zunehmenden Einschränkungen der russischen Sprache und das Verbot der russisch-orthodoxen Kirche an.

Kiew beschuldigt Moskau ebenfalls der Unterdrückung der nationalen Minderheit. Am 22. Januar dieses Jahres unterzeichnete Selenskyj ein Dekret zum Schutz der ukrainischen nationalen Minderheit in Russland. Das Dokument nennt eine Reihe von Gebieten – die Grenzregion Krasnodar, die Provinzen Belgorod, Brjansk, Woronesch und Rostow –, die „historisch“ von Ukrainern bewohnt werden.

Am 24. August, dem ukrainischen Unabhängigkeitstag, unterzeichnete Selenskyj ein Gesetz zum Verbot religiöser Gruppen, die mit Russland verbunden sind. Das Gesetz zielt vor allem auf die ukrainisch-orthodoxe Kirche, die mit dem Moskauer Patriarchat verbunden ist. Selenskyj kommentierte das Gesetz mit den Worten: „Die ukrainische Orthodoxie macht heute einen Schritt, um sich der Teufel in Moskau zu entledigen.“

Innenpolitische Fehlentwicklungen als Vorläufer des Konflikts in der Ukraine

Es gebe Putin zufolge eine Vorgeschichte, die es gilt, zu verstehen. „Was jetzt passiert, hat durchaus historische Wurzeln“, so der Kremlchef.

Die Angliederung der Krim an die Ukraine fand 1954 durch ein Geschenk des Sowjetführers Nikita Chruschtschow statt. Die sowjetischen Führer trafen auch davor die Entscheidung über das Territorium der Ukraine aufgrund von „proletarischen Notwendigkeiten“, so Putin. Dadurch konnte die Ukraine das „industrielle Zentrum des Donbas, das hauptsächlich von Russen bewohnt wird“, werden.

Auch erwähnte Putin Stalin, der während des Zweiten Weltkriegs die ehemaligen polnischen, rumänischen und ungarischen Gebiete der Ukraine zugesprochen hatte.

„Es muss klar sein, dass die sowjetischen Führer in Übereinstimmung mit den geopolitischen Realitäten ihrer Zeit handelten“, sagte Putin. Ihm zufolge gingen diese Politiker damals keineswegs davon aus, dass die Sowjetunion zu existieren aufhören und „sich entlang künstlich gezogener interner Verwaltungsgrenzen auflösen würde“.

Über die Neutralität der Olympischen Spiele

Auch in der Sportwelt erkennt Putin Anzeichen für das Kultivieren eines Feindbildes. Er kritisierte dabei den Ausschluss russischer Athleten aus den Olympischen Spielen. „Unsere Athleten dürfen nicht an Wettkämpfen teilnehmen, nationale Symbole sind verboten, das Wort ‚russisch‘ ist bei internationalen Wettkämpfen komplett abgeschafft.“

All das sei ein offener Verstoß gegen die Prinzipien der Olympischen Charta, die besage, dass Politik im Sport unzulässig ist, „weil er die Menschen vereinen und nicht spalten soll“, sagte Putin.

Mehr als 300 russische Athleten waren bei den Olympischen Sommerspielen im Jahr 2021 in Tokio dabei. Dieses Jahr durften nur 15 Athleten mit russischen Pässen nach Paris einreisen. Russland und Belarus waren von Mannschaftssportarten komplett ausgeschlossen. Welche Athleten unter neutraler Flagge in Paris antreten durften, hatte ein dreiköpfiges Gremium entschieden. Sportler aus beiden Ländern durften zudem nicht an der Athletenparade teilnehmen.

Gegner von Russlands Teilnahme an den Spielen, besonders die Ukraine, befürchteten Propagandakampagnen. Der ukrainische Sportminister sagte, dass es in Russland keine neutralen Athleten gebe. Darauf wiesen auch die Nationalen Olympischen Komitees von Estland, Lettland und Litauen in einem Brief an den IOC-Präsidenten hin. „Ein einziger Vorfall wäre genug, um die Olympischen Spiele in eine Plattform für die Unterstützung des Krieges zu verwandeln“, heißt es in ihrer Erklärung.

Hintergrund

Am 24. Februar 2022 startete Russland die Invasion der Ukraine. Allerdings hatte es bereits 2014 die Krim annektiert und hatte pro-russische Separatistenbewegungen in der Ostukraine unterstützt.

Russland betrachtet die Osterweiterung der NATO als Bedrohung seiner Sicherheit. Der Kreml hat die Aussicht auf einen NATO-Beitritt der Ukraine besonders kritisch gesehen. Westliche Politiker und Experten betonen jedoch, dass die NATO ein Verteidigungsbündnis sei und halten diese Kritik aus Moskau für unbegründet.

Die Staats- und Regierungschefs der EU haben wiederholt gefordert, dass Russland seine Militäraktionen sofort einstellen, seine Streitkräfte und militärische Ausrüstung bedingungslos aus der Ukraine abziehen und die territoriale Integrität, Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine uneingeschränkt respektieren solle.



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