Prag räumt mit Vergangenheit auf: Mehr Rente für Dissidenten, weniger für Kommunisten
Es ist ein symbolischer Akt nach 35 Jahren. In Tschechien hat Arbeitsminister Marian Jurečka die Renten von Dissidenten aufgestockt. Die Altersbezüge ehemaliger hoher kommunistischer Funktionäre hingegen wurden gekürzt.
Vor einem Jahr, am 17. November 2023, schlug Jiří Gruntorád sein Zelt vor dem Regierungsamt in Prag auf, wie der Sender „Czech Radio“ berichtet. Ein handgeschriebenes Schild zeigt, der 71-Jährige befindet sich im Hungerstreik. Er forderte den Rücktritt von Minister Marian Jurečka, in dessen Zuständigkeit die Rentenzahlungen und die damit verbundenen Abstriche für Dissidenten unter dem ehemaligen kommunistischen Regime fallen.
„Oft haben diese Menschen im Gefängnis gesessen, oder sie sind aus dem Land getrieben worden. Dass sie nun um Geld betteln müssen, ist absurd“, schilderte Gruntorád.
Er selbst war einst im politischen Untergrund aktiv und Unterzeichner der Charta 77, eines Menschenrechtsmanifests, das die Politik der kommunistischen Regierung kritisierte.
Weniger Arbeitsjahre, weniger Rente
Als Verleger verbreitete Gruntorád damals Literatur, die vom Regime verboten war. Von 1980 bis 1984 saß er in Haft. Den ersten Teil der Haft verbrachte er in einem wegen seiner schlechten Haftbedingungen berüchtigten Gefängnis Minkovice in Nordböhmen. Nach seiner Freilassung stand er für drei Jahre unter einer sogenannten Sicherheitsaufsicht und musste sich täglich auf der Polizeiwache melden.
Derartige Freiheitsstrafen, Berufsverbote und Vertreibungen führten dazu, dass den ehemaligen Dissidenten reguläre Arbeitsjahre fehlen. Dies spiegelt sich in ihren niedrigen Renten wider. Zwar besteht für sie die Möglichkeit, einen Zuschuss zu beantragen, aber nicht alle werden offiziell als Widerstandskämpfer anerkannt.
Im Fall des Liedermachers Karel Soukup betrug die monatliche Rente lediglich 245 Euro (6.000 CZK). Auf seine Bitte um Erhöhung habe der Minister lediglich auf die Option verwiesen, Sozialhilfe zu beantragen. Für den Widerstandskämpfer Gruntorád ein Unding.
Am 18. November 2023 schloss sich der 78-jährige Dissident John Bok dem Hungerstreik an. Ihr gemeinsamer Protest lenkte den Fokus der Öffentlichkeit und der Politik auf die oft prekäre finanzielle Situation ehemaliger Regimegegner.
Wenige Tage später, am 25. November, kündigte die tschechische Regierung an, die Rentenbezüge von Dissidenten auf das Durchschnittsniveau anzuheben.
430 Dissidenten profitieren von Neuregelung
Seit März ist die geänderte Norm in Kraft. Demnach werden die Renten von Personen automatisch angepasst, die eine Bescheinigung über den Widerstand gegen den Kommunismus vorweisen können. Das betrifft 430 Dissidenten. Ihre Rente wurde im Durchschnitt um rund 170 Euro (4.400 CZK) erhöht.
„Was wir im Rentenbereich gemacht haben, ist eher eine symbolische Geste“, erklärte der Minister bei einer Pressekonferenz am 11. November. „Ein vollständiger Ausgleich oder eine absolute Gerechtigkeit sind nach den vielen Jahren unmöglich.“
Rentenkürzung ehemaliger kommunistischer Funktionäre
Gleichzeitig trat noch eine weitere Regelung in Kraft, die Jurečka bereits als Abgeordneter der Opposition in der vergangenen Legislaturperiode unterbreitet hatte: die Kürzung der Rentenbezüge von kommunistischen Funktionären.
Ich finde es rätselhaft, warum diese Maßnahme nicht schon in den 1990er-Jahren getroffen wurde“, sagte er während der Pressekonferenz.
Betroffen sind bislang 177 Personen. Bei ihnen handelt es sich um Vertreter des früheren kommunistischen Regimes aus der Zeit zwischen dem 25. Februar 1948 und dem 17. November 1989. Die durchschnittliche Kürzung liegt bei umgerechnet rund 58 Euro (1.473 CZK). Die höchste Kürzung beträgt 280 Euro (7.075 CZK). Im Endeffekt bleibt den ehemaligen kommunistischen Funktionären im Mittel eine monatliche Rente von 989 Euro (24.254 CZK), während die Mindestrente im Land bei lediglich 204 Euro (5.170 CZK) liegt.
Doch damit nicht genug. Derzeit arbeitet die Regierung an einem Änderungsantrag, wonach die Rentenkürzung weitere Kreise ziehen könnte. Laut Jurečka könnten bis zu 2.500 Personen betroffen sein, darunter Generalstaatsanwälte, Oberste von Armee, Sicherheitsdienst und Staatssicherheit sowie Mitglieder des Generalstabs der Volksarmee, des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei und des Obersten Gerichtshofs, um nur einige zu nennen.
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