Orbán: Die EU verhält sich wie eine Krieg führende Partei
Am Freitag, 18. Oktober, fasste der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán seine Eindrücke nach dem Brüsseler EU-Gipfel in einem Interview mit dem ungarischen Radiosender „Kossuth Radio“ zusammen.
„Wir haben angenommen, dass die Ukrainer einen Siegesplan verfolgen. Jetzt hat Selenskyj jedoch gesagt, dass sie nun einen ‚Siegesplan‘ haben, das heißt, sie hatten bisher keinen, nur einen Niederlagenplan“, sagte Orbán.
Neben dem Ukraine-Krieg ging es in der Diskussion auch um die Migrationskrise und warum Ungarn Brüssel ein „Dorn im Auge“ sei.
Am 17. Oktober trafen sich die Staats- und Regierungschefs der EU in Brüssel. Dort diskutierten sie unter anderem über die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit der EU, die Begrenzung der Migration und die Lage im Nahen Osten. Sie ließen sich auch vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj seinen „Siegesplan“ erläutern.
Orbán: „Siegesplan“ von Selenskyj „mehr als erschreckend“
Orbán äußerte sich kritisch über den Verlauf des Krieges in der Ukraine. Seiner Meinung nach reden die Politiker der EU so, als wäre die EU selbst eine Kriegspartei. „Sie alle reden davon, einen Krieg gegen Russland zu führen. Die EU verhält sich wie eine Krieg führende Partei“, sagte er.
Es seien aber die Ukrainer, die an der Front kämpfen und sterben. Gleichzeitig seien die Auswirkungen des Krieges in Europa deutlich zu spüren. Die europäischen Handels- und Energiesysteme dürften nicht zerstört, die Inflation dürfte nicht angeheizt werden, die Energiepreise dürften nicht erhöht und die Wettbewerbsfähigkeit dürfte nicht verringert werden, so Orbán.
Das Endergebnis wird eine Niederlage sein“, fügte er hinzu.
Orbán bezeichnete den ukrainischen „Siegesplan“ schon vor dem Treffen „mehr als erschreckend“. Auf die Idee, dass sich die Ukraine zu einer Atommacht entwickeln könnte, reagierte er nun mit den Worten: „Das jagt uns richtig Angst ein.“
Bei dem EU-Gipfeltreffen betonte Selenskyj, dass er auf eine rasche NATO-Mitgliedschaft setzt. Sonst bliebe seinem von Russland angegriffenen Land nur eine atomare Wiederbewaffnung. „Welchen Ausweg haben wir? Entweder wird die Ukraine Atomwaffen haben, oder wir müssen in irgendeiner Allianz sein“, sagte er in Brüssel.
Nach Ansicht des Ministerpräsidenten haben sich die Positionen seit dem Kriegsbeginn im Jahr 2022 zugunsten Russlands verändert, sodass die Ukraine nicht aus einer Position der Stärke heraus verhandeln könne.
„Ich denke, es wäre eine gute Idee, nicht zu kämpfen, sondern Frieden zu schließen“, fügte er hinzu. Es sei an der Zeit, mit den Verhandlungen zu beginnen, und es wäre gut, wenn der deutsche Bundeskanzler oder der französische Präsident diese mit Russland beginnen würden.
Was die Menschen in Europa sich wünschen
Die ungarische Regierung sei laut Orbán in letzter Zeit ins Fadenkreuz der EU geraten. Vor allem auf der Sitzung des Europäischen Parlaments in der vergangenen Woche wurde der Ministerpräsident scharf kritisiert. Dabei ging es um seine Beziehungen zu Russland und China sowie um die ungarische Rechtsstaatlichkeit.
Auch die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, übte reichlich Kritik an Orbán. Er wurde während im Plenum von einem Abgeordneten als Putins „nützlicher Idiot“ bezeichnet und andere schlugen vor, dass Ungarn die EU verlassen sollte.
Laut Orbán hängt diese Spannung damit zusammen, dass die größten Herausforderungen der EU genau die Probleme seien, auf die Ungarn andere Antworten gefunden hat. „Was wir tun, ist genau das, was die Menschen in Europa wollen. Was die [anderen] Regierungen tun, ist hingegen das Gegenteil“. Die Migration sei ein solches Beispiel, sagte Orbán.
Er wies darauf hin, dass es in Ungarn keine Migrationskrise gebe. Ungarn sei in den Augen der europäischen Bevölkerung ein Vorbild. Und so diene es als Beispiel, welches auch zu Forderungen an die Regierungen der eigenen Länder führe. Und zwar unabhängig davon, ob eine Regierung eher rechts oder links orientiert sei.
Überall in Europa bringen die Menschen bereits ihren Unmut über die Migration zum Ausdruck, so Orbán. Er nannte die Landtagswahlen in Deutschland als Beispiel, bei denen die migrationskritische Rechte klar die Nase vorn hatte. Aber auch in anderen Ländern sehe es nicht anders aus. Sogar in Frankreich haben die Ergebnisse der Wahlen zum Europäischen Parlament dies gezeigt.
„Ungarn ist ein Dorn im Auge“, sagte er. Angesichts seiner Bevölkerung und seiner Wirtschaft sei Ungarn in der EU nicht wirklich relevant. Weil aber seine Politik – die gegen den Brüsseler Mainstream verstoße – erfolgreich sei, könne das für andere Staaten sehr unangenehm werden.
Neben dem Thema Migration verwies der Regierungschef auch auf einige Maßnahmen zum Schutz der Familie, die in Ungarn ergriffen werden. Und während die deutsche Wirtschaft eher stagniere, wachse die ungarische Wirtschaft.
Und dies seien genau die positiven Dinge, die die Menschen in Europa in ihren eigenen Ländern sehen wollen, sagte Orbán. Die Kluft zwischen der ungarischen Regierung und dem linken und liberalen Mainstream der EU werde nun während Ungarns EU-Ratspräsidentschaft deutlich spürbar.
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