Österreich: Hält Regierungskoalition bis zum Herbst? – ÖVP könnte Koalitionsbruch provozieren

In Österreich stehen spätestens im September Nationalratswahlen an. In der ÖVP steigt jedoch der Druck auf Bundeskanzler Nehammer, schon eher einen Ausstieg aus der unbeliebten schwarz-grünen Koalition zu suchen.
Titelbild
Das österreichische Parlament in Wien.Foto: iStock
Von 2. Januar 2024

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Europaministerin Karoline Edtstadler zieht den „eigenmächtigen“ Nationalen Energie- und Klimaplan (NEKP) ihrer Ministerkollegin Eleonore Gewessler zurück – und riskiert ein EU-Vertragsverletzungsverfahren. Justizministerin Alma Zadic erteilt eine Weisung zur Enthaftung einer Klimakleberin. Die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer bescheinigt dem Koalitionspartner ÖVP einen „bedauernswerten Zustand“. Zu Beginn des Nationalratswahljahres 2024 ist die Stimmung zwischen Österreichs Regierungspartnern auf dem Tiefpunkt.

ÖVP hätte nicht einmal mit Sozialdemokraten eine Mehrheit

Die Nervosität kommt nicht von ungefähr. Wie eine aktuelle Lazarsfeld-Umfrage für „oe24“ ausweist, beurteilen nur noch 20 Prozent die Zusammenarbeit in der Koalition als zumindest einigermaßen gut. Demgegenüber schätzen 19 Prozent sie als überwiegend schlecht und 32 Prozent sogar als sehr schlecht ein.

Auch in Umfragen machen beide Parteien eine traurige Figur. Dem jüngsten APA-Wahltrend zufolge käme die ÖVP nur noch auf 20,7 Prozent. Das sind 16,7 Prozentpunkte weniger als noch bei der vorangegangenen Nationalratswahl unter Sebastian Kurz. Die Grünen wiederum würden 4,9 Prozentpunkte einbüßen und kämen auf 9,0 Prozent.

Damit hätte das aktuelle Regierungsbündnis nicht einmal unter Einschluss der linksliberalen NEOS (10,2 Prozent; plus 2,1) eine Mehrheit. Aber auch die traditionelle Große Koalition aus ÖVP und Sozialdemokraten könnte kein Zweierbündnis bilden. Die SPÖ, die seit dem pannenüberschatteten Parteitag vom Juni durch den Linksaußen Andreas Babler geführt wird, käme ebenfalls nur auf 24 Prozent (plus 2,8).

Kurz-Comeback gilt als unwahrscheinlich

Demgegenüber könnte die FPÖ, die 2019 noch im Zeichen von „Ibiza“ unter die Räder gekommen war, um nicht weniger als 13,7 Prozent zulegen. Sie kratzt im Moment an der 30-Prozent-Marke und liegt damit deutlich vor der Konkurrenz.

Nicht im Parlament vertreten wären die „Bierpartei“ des Musikers Marco Pogo und die ebenfalls bei drei Prozent rangierende KPÖ. Die Kommunisten könnten unterdessen noch einmal auf möglichen Rückenwind hoffen: Am 10. März finden in ihrer Hochburg Salzburg Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen statt. Nach Graz könnte die Landeshauptstadt zur zweiten mit einem kommunistischen Stadtoberhaupt werden.

Das Szenario zusätzlich durcheinanderwirbeln könnte zudem eine mögliche Kandidatur von Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz mit einer eigenen Liste. Immerhin hatte er sich – sehr zum Missfallen der Grünen – erst vor wenigen Wochen mit zahlreichen ost- und südosteuropäischen Politgrößen in Budapest gezeigt. Kurz hat allerdings wiederholt ein mögliches Comeback ausgeschlossen. Auch könnte er nicht mehr auf Höhenflüge in der Wählergunst wie in seiner Zeit als ÖVP-Bundesparteiobmann hoffen.

Inflation als Hauptsorge der Bürger

Vor allem für die ÖVP geht es in den letzten Monaten vor dem Wahltermin jedoch noch um Schadensbegrenzung. Der „exxpress“ berichtet von zunehmendem Druck auf Bundeskanzler Karl Nehammer, ein „Ende mit Schrecken einem Schrecken ohne Ende“ vorzuziehen.

Innerhalb der Partei wächst der Unmut darüber, dass man für die nach wie vor erhebliche Teuerung im Land mitverantwortlich gemacht werde. Die Inflation ist derzeit die Hauptsorge der Österreicher. Im November 2023 war diese erst wieder um 0,4 Prozentpunkte auf 5,4 Prozent geklettert.

Dabei galt Österreich bereits vor dem zusätzlichen Inflationsschub der vergangenen Jahre als Hochpreisland – beispielsweise bei Lebensmitteln. Nun verliert das Land durch Klimaschutzmaßnahmen auch seinen lange Jahre genossenen Vorteil günstiger Treibstoffpreise. Dies liegt unter anderem an der seit 1. Januar geltenden Erhöhung der CO₂-Bepreisung.

Auch Wahltermin im Mai wäre für ÖVP mit Risiko verbunden

Die zweitgrößte Sorge der Bürger im Land ist die Migration. Auch hier hat es die ÖVP schwer, sich gegenüber der FPÖ als Hardlinerpartei darzustellen. Der jüngste Vorstoß in Richtung einer Arbeitspflicht für Asylbewerber sollte hier offenbar ein Signal an deren Wähler darstellen.

Bis dato sprechen sich alle Spitzenpolitiker der ÖVP gegen eine Vorverlegung des Wahltermins aus. Unisono favorisieren Kanzler Nehammer und Innenminister Gerhard Karner den 29. September als Wahltermin. An der Basis hofft man jedoch, dass die sogenannte Zukunftsrede des Kanzlers am 26. Januar in Wels Impulse setzt.

Angesichts der weiteren Teuerung und schlechter Wirtschaftsdaten gehen Strategen davon aus, dass die ÖVP noch in diesem Monat einen Koalitionsbruch provozieren sollte. Im Mai könnte dann eine vorgezogene Nationalratswahl stattfinden.

Innenminister Karner hat bislang vor allem eine Zusammenlegung von Nationalrats- und EU-Wahlen am 9. Juni ausgeschlossen. Er sehe darin „auf die Gemeinden etwas zukommen, das in der Umsetzung sehr schwierig ist“. Tatsächlich könnte auch die Angst eine Rolle spielen. Ein zu erwartendes schlechtes EU-Wahlergebnis würde auch die Chancen bei der Nationalratswahl beeinträchtigen.

Doch auch ein Wahltermin im Mai hätte seine Risiken, vor allem für den Fall, dass ein ÖVP-Bewerber bei der Bürgermeisterstichwahl in Salzburg gegen einen Kommunisten verliert.



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