Grüne erzürnt: Sebastian Kurz trifft Erdoğan und Vučić in Budapest – auf Einladung von Orbán
Verstimmt haben Österreichs Grüne und Liberale auf den privaten Besuch von Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz bei Ungarns Premierminister Viktor Orbán zum Nationalfeiertag reagiert. Am 20. August hatte Kurz nicht nur an den offiziellen Feierlichkeiten in Budapest teilgenommen. Er war am Abend auch Gast im neuen Stadion anlässlich des Starts der Leichtathletik-WM.
Neben dem Privatmann Kurz waren auch zahlreiche aktive Politiker mit Orbán im Stadion. Dazu gehörte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan ebenso wie Serbiens Präsident Aleksandar Vučić oder Aserbaidschans Staatschef Ilham Alijew. Auch die Staatsoberhäupter von Usbekistan, Kirgisistan und der russischen Teilrepublik Tatarstan waren anwesend, wie der „exxpress“ berichtete.
Zudem befand sich der Präsident der serbischen Teilrepublik in Bosnien und Herzegowina, Milorad Dodik, unter den Gästen. Anwesend war auch Tamim bin Hamad al-Thani, der Emir von Katar.
Grüne irritiert: Was wollte Kurz bei Vertretern des „extrem rechten Spektrums“?
Österreichs Grüne sind über den Besuch von Kurz irritiert. Mit ihm hatten sie nach der Nationalratswahl 2019 einen Koalitionsvertrag ausgehandelt. Die außenpolitische Sprecherin der Partei, Ewa Ernst-Dziedzic, übte auf X scharfe Kritik am Ex-Kanzler. Dieser würde „vor der österreichischen Fahne in Staatsmannmanier posieren und Österreichs Interessen auf dem Balkan gefährden“.
In den „Salzburger Nachrichten“ legte sie nach, Kurz gebe sich staatstragend, biedere sich jedoch „dem extrem rechten Spektrum“ an. Zu diesem zählte sie „illiberale Möchtegern-Autokraten und Nationalisten a la Orbán, Erdoğan und Vučić“. Dies werfe die Frage auf:
In welcher Funktion war Kurz in Budapest und zu welchem Zweck?“
Immerhin habe Orbán in sozialen Medien enthusiastisch von einem „österreichisch-ungarischen Gipfel“ und der „Fortsetzung der bilateralen Zusammenarbeit“ geschrieben. Außenminister Alexander Schallenberg wiegelte jedoch ab. Er äußerte, Kurz sei eine Privatperson, er könne „treffen, wen er will, wo er will und wann er will“.
Ex-Kanzler schloss Rückkehr in die Politik bisher aus
Kurz selbst ließ über einen Sprecher verlauten, dass es bei dem Besuch „keinesfalls zu offiziellen Gesprächen“ gekommen wäre. Es wäre aber „natürlich“, dass bei einem Zusammentreffen von Politikern und Ex-Politikern „auch politische Themen zur Sprache kommen“.
Der ehemals jüngste Bundeskanzler der Republik Österreich war 2021 nach Korruptionsvorwürfen in seinem unmittelbaren Umfeld zurückgetreten. Er hatte deutlich gemacht, keine politischen Funktionen mehr anzustreben. Mittlerweile hat Kurz mehrere lukrative Funktionen in der Privatwirtschaft übernommen.
In Österreich hat die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen Kurz eine Anklage wegen des Verdachts der Falschaussage vor einem Untersuchungsausschuss eingebracht. Bezüglich der übrigen Vorwürfe im Kontext der sogenannten Inseratenaffäre ist eine solche bislang nicht erfolgt.
Umfragen ähnlich wie vor Obmannwechsel in der ÖVP
Obwohl Kurz eine Rückkehr in die Politik stets ausgeschlossen hatte, sieht Politikberater Thomas Hofer das letzte Wort bislang nicht als gesprochen an. Auf ServusTV erklärte er:
Bei einer übernächsten Nationalratswahl – je nachdem, wie es der ÖVP dann geht – da würde ich das nicht ausschließen.“ Kurz sei ein „Vollblut-Politiker, der diese Bühne sicherlich vermisst, auch wenn er das derzeit nicht zugibt“.
Die ÖVP hat seit seinem Rückzug etwa ein Drittel ihrer Wählerstimmen verloren. Wie bereits vor der Übernahme der Partei durch den damaligen Jungstar im Jahr 2017 liegt die FPÖ in Umfragen mit deutlichem Vorsprung vorn.
Allerdings ist nach den Erfahrungen der ersten Ära Kurz nicht damit zu rechnen, dass die ÖVP erneut bereit wäre, sich geschlossen hinter seiner Person zu vereinen. Vor allem im Fall einer strafrechtlichen Verurteilung wäre eine Rückkehr von Kurz an die Spitze der auf bürgerliche Reputation bedachten Partei unwahrscheinlich.
Tauwetter zwischen Kurz und Erdoğan?
Dass unter Orbáns Regie eine neue Gesprächsbasis zwischen Kurz und Erdoğan entstanden sein könnte, wäre ein Meilenstein im Verhältnis zwischen beiden Politikern. In seinen Amtszeiten als Integrationsstaatsekretär und Außenminister waren die österreichisch-türkischen Beziehungen angespannt.
Kurz profitierte in Teilen der Bevölkerung und der österreichischen Medien davon, dass er islamophoben Bestrebungen in der ÖVP und sogar in der Verwaltung breiten Raum ließ. Seine Forderung, Erdoğan einen Auftritt in Wien im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen 2014 vorzuenthalten, hatte sogar einen Hackerangriff der „Akincilar“ zur Folge.
Unter dem Eindruck des Ukrainekrieges scheint sich jedoch auch in Teilen der ÖVP eine Neubewertung der Beziehungen zur Türkei anzubahnen. Dies ist nicht zuletzt der türkischen Rolle in der Diplomatie zwischen Moskau und Kiew geschuldet – und der Bedeutung der Türkei als Drehscheibe für Energielieferungen.
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