Nordkoreas Kämpfer im Ukraine-Krieg: Zeugenaussagen und Tagebucheinträge gefangener Soldaten
Die Ukraine hat vor Kurzem angekündigt, dass sie den Austausch von zwei gefangenen nordkoreanischen Soldaten gegen ukrainische Kriegsgefangene in Russland anbieten wolle. Videointerviews mit den beiden verletzten Männern wurden von Präsident Wolodymyr Selenskyj selbst in den sozialen Medien veröffentlicht.
Die Informationen über die Gefangenen wurden weder von russischen noch von nordkoreanischen Quellen bestätigt. Ihr Inhalt und ihr Wahrheitsgehalt können zu diesem Zeitpunkt nicht unabhängig überprüft werden. Gleichzeitig sammelt das ukrainische Militär offenbar aber weiterhin mit großem Eifer Beweise für den angeblichen Einsatz nordkoreanischer Soldaten im Ukraine-Krieg.
Bislang ist es kaum gelungen, nordkoreanische Soldaten lebendig zu fangen. Am 26. Dezember wurde zwar zum ersten Mal berichtet, dass die Ukraine einen Soldaten in Kursk gefangen genommen hatte, aber er war am nächsten Tag an seinen schweren Verletzungen gestorben.
Daher wurde über die jüngsten erfolgreichen Gefangennahmen in der Presse sehr ausführlich berichtet. Zuletzt erschien am Mittwoch, 15. Januar, ein neues Video in „Kyiv Independent“. Es zeigt nach eigenen Angaben Aufnahmen über den Moment der Gefangennahme eines der Kriegsgefangenen am 9. Januar.
Bisher haben weder Russland noch Nordkorea bestätigt, dass Nordkorea Soldaten zur Unterstützung der russischen Armee im Ukraine-Krieg entsandt hat. Nach Angaben der USA und Südkoreas sind etwa 12.000 Soldaten aus Nordkorea in Russland im Einsatz, unter anderem in der Region Kursk an der Grenze zur Ukraine.
Was ist nun bisher über gefangene nordkoreanische Soldaten im Ukraine-Krieg bekannt?
Selenskyj teilt Video von Kriegsgefangenen
– „Wissen Sie, wo Sie jetzt gerade sind?“
– „Nein.“
– „Sie sind in der Ukraine. Wussten Sie, dass Sie in einem Krieg gegen die Ukraine kämpfen?“
– „Nein.
Dies ist ein Auszug aus dem Verhör eines nordkoreanischen Soldaten, der angeblich von den Ukrainern während der Invasion von Kursk gefangen genommen wurde. Ein Ausschnitt des Videos wurde direkt von Selenskyj auf X geteilt.
In addition to the first captured soldiers from North
Korea, there will undoubtedly be more. It’s only a matter of time before
our troops manage to capture others. There should be no doubt left in
the world that the Russian army is dependent on military assistance from
North… pic.twitter.com/4RyCfUoHoC—
Volodymyr Zelenskyy / Володимир Зеленський (@ZelenskyyUa) January
12, 2025
Nach Angaben des ukrainischen Sicherheitsdienstes (SBU), der die Verhöre durchführte, wurde der erste Soldat am 9. Januar in der Region Kursk gefangen genommen und der zweite ebenfalls in Kursk von einem ukrainischen Fallschirmjäger angeschossen. Einer von ihnen besaß russische Militärpapiere, während der andere Gefangene keine Dokumente hatte.
Die Erwähnung der Region Kursk ist auch deshalb relevant, weil das Gebiet offiziell zu Russland gehört. Daher hätten etwaige nordkoreanische Soldaten, die dort eingesetzt werden, nicht das Gebiet eines Drittlandes betreten. Letzteres könnte völkerrechtlich weitaus problematischer sein.
Einer der gefangenen Soldaten, der sich äußern konnte, behauptete, dass sie sich nur zum Training in das Gebiet begeben hätten:
– „Was haben deine Kommandeure gesagt, als sie dich in den Krieg schickten?“
– „Sie sagten, es sei nur ein Training.“
– „Wie lange warst du schon an der Frontlinie?“
– „Am 3. Januar gab es einen Angriff. Ich habe unsere Soldaten sterben sehen. Ich habe mich versteckt in einem Graben. Sie haben mich am 5. Januar gefunden.“
Schwer zu fangen
Im neuesten Video des „Kyiv Independent“ kommen auch die an der Festnahmeaktion beteiligten Soldaten zu Wort. Ihnen zufolge war das Gebiet schon lange überwacht worden, weil sie die nordkoreanische Position bereits kannten und auf den richtigen Moment warteten.
Als der Zeitpunkt gekommen war, schlugen sie auf die Soldaten ein und es kam zu einem Feuergefecht. Einer der nordkoreanischen Soldaten wurde verletzt und sie versuchten, mit ihm auf Koreanisch zu kommunizieren. Laut einem der ukrainischen Soldaten, die an der Operation beteiligt waren, war der schwierigste Teil, den nordkoreanischen Soldaten zu entwaffnen, da sie wussten, dass er eine Granate hatte.
Die Wunden des verletzten Soldaten wurden an Ort und Stelle behandelt. Dann wurde er vom Ort des Geschehens weggebracht, als die feindlichen russischen Truppen anfingen, sie mit Artillerie zu beschießen. Nach Angaben der ukrainischen Soldaten bestand ihre Hauptaufgabe darin, Kriegsgefangene zu nehmen, weshalb sie dorthin geschickt wurden.
Auf die Frage, ob die nordkoreanischen Gefangenen lieber gestorben wären als gefangen genommen zu werden, antworteten die ukrainischen Soldaten, dass sie es auf jeden Fall gewollt hätten.
Einer der Gefangenen würde in der Ukraine bleiben
John Kirby, ein Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates des Weißen Hauses, sagte im Dezember gegenüber NBC, dass einige nordkoreanische Soldaten lieber Selbstmord begangen haben, als sich den ukrainischen Streitkräften zu ergeben. Kirby sagte, dass nordkoreanische Soldaten Selbstmord begehen, weil sie Vergeltungsmaßnahmen gegen ihre Familien fürchten, wenn sie gefangen genommen werden.
Es gibt jedoch keine Informationen darüber, ob sich eine solche Möglichkeit im Zusammenhang mit den beiden jungen Männern ergeben hat, die vor Kurzem gefasst worden sind. Die Videoaufnahmen von ihnen sind immerhin in der ganzen Welt verbreitet worden. In Anbetracht von Kirbys Aussagen werden auch sie vermutlich mit möglichen Repressalien rechnen müssen.
Vor diesem Hintergrund hat einer von den beiden geäußert, er wolle lieber in der Ukraine bleiben.
Für diejenigen nordkoreanischen Soldaten, die nicht zurückkehren wollen, gibt es möglicherweise andere Möglichkeiten, schrieb Selenskyj diesbezüglich auf X. Die Ukraine wolle den gefangen genommenen Nordkoreanern so ermöglichen, „die Wahrheit über diesen Krieg auf Koreanisch verbreiten“, erläuterte der Präsident in seiner Erklärung.
Geheime nordkoreanische Tagebuchaufzeichnungen aufgedeckt
Neben dem Verhör der beiden gefangenen Soldaten haben die ukrainischen Streitkräfte auch neue Beweise bekannt gegeben, die angeblich über die nordkoreanischen Soldaten aufgedeckt wurden.
Laut einem Bericht von „Business Insider“ waren die ukrainischen Spezialeinheiten im Besitz der Leichen mehrerer gefallener nordkoreanischer Soldaten. In ihren Taschen wurden angeblichen Tagebücher und Notizen gefunden, darunter auch die Zeichnung, die der letzte Eintrag im Tagebuch war. Die Notiz wurde als Beweis dafür gesehen, dass nordkoreanische Soldaten von der russischen Armee als quasi lebende Lockmittel im Krieg eingesetzt werden könnten.
Die Zeichnung zeigt Menschen mit einer ukrainischen Drohne über ihren Köpfen. Für den Fall, dass die Bedeutung der Zeichnung nicht klar und eindeutig sein sollte, steht auf dem Papier auch folgender Text auf Koreanisch:
„Zwei Soldaten verstecken sich etwa 10–12 Meter von der über ihnen manövrierenden Drohne entfernt. Dann tritt der dritte Soldat, der als Köder gedacht ist, aus der Deckung und bleibt sieben Meter vor der Drohne stehen, um ein sicheres Ziel zu bieten. An diesem Punkt hält auch die Drohne an. Denn so kann die Drohne aus einer festen Position heraus sicher zielen. Das ist der Moment, in dem die beiden Soldaten die Drohne aus ihrem Versteck angreifen können.“
Der Mann, der angeblich Gyeong Hong Jong hieß, hat dem Bericht zufolge auch darüber geschrieben, dass er manchmal Dinge von den Russen gestohlen und verkauft hatte, aber einmal erwischt wurde. Er schrieb auch, dass er „heldenhaft“ an der Front gekämpft und den Feind vernichtet hatte. In dem von „Business Insider“ zitierten Tagebuch lobte der Gefreite angeblich auch Kim Jong-un und sinnierte über den Klassenkampf.
Diese Behauptungen sowie deren Wahrheitsgehalt können jedoch nicht unabhängig bestätigt werden.
Jüngste Reaktionen Russlands und Nordkoreas
Der Kreml erklärte kürzlich, dass er die Behauptungen Kiews bezüglich der Gefangenen nicht kommentieren könne. „Wir können [diese Aussage] in keiner Weise kommentieren, wir wissen nicht, was davon wahr ist“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow gegenüber Reportern, als er um einen Kommentar zu Selenskyjs Angebot gebeten wurde, nordkoreanische Soldaten gegen ukrainische Kriegsgefangene auszutauschen.
„Wir diskutieren weiterhin über die Möglichkeit eines Austauschs, wir sind daran interessiert“, fügte Peskow hinzu. „Das Leben aller unserer militärischen Gefangenen ist für uns wichtig. Diese Arbeit wird fortgesetzt“, sagte er.
Nordkorea hat nicht reagiert. Im Dezember veröffentlichte die russische staatliche Nachrichtenagentur „TASS“ jedoch einen Artikel über die nordkoreanisch–russische Militärkooperation. Darin behauptete das nordkoreanische Außenministerium, dass westliche Berichte den Charakter der Beziehungen zwischen den beiden Ländern verzerrten. Es warnte vor politischen Provokationen.
Was soll nun mit den gefangenen nordkoreanischen Soldaten geschehen?
Über die Zukunft der Gefangenen gibt es noch keine konkreten Informationen. Allerdings scheint es neben dem Gefangenenaustausch mit Russland und dem Verbleib in der Ukraine noch andere Optionen zu geben.
Koo Byoung-sam, ein Sprecher des südkoreanischen Wiedervereinigungsministeriums, sagte am Montag, dass das Schicksal des nordkoreanischen Kriegsgefangenen „erfordere eine Überprüfung des Völkerrechts und anderer Rechtsvorschriften sowie Konsultationen mit den betroffenen Ländern“.
„The Associated Press“ berichtete allerdings unter Berufung auf Informationen des südkoreanischen Geheimdienstes, dass keiner der gefangenen nordkoreanischen Soldaten nach Südkorea desertieren will. Die Nachrichtenagentur berichtete auch, dass seit Ende der 1990er-Jahre fast 34.000 Nordkoreaner in den Süden geflohen sind.
Aus südkoreanischer Sicht wäre das Überlaufen zweier nordkoreanischer Soldaten jedoch ein großer Propagandasieg und vielleicht die beste Chance für die beiden Soldaten, zu überleben, schreibt der „Guardian“.
Von der Medien befragte Experten sind sich sicher, dass Nordkorea seine Soldaten nicht zurückverlangen wird, da es nicht einmal anerkennt, dass sie sich im Kriegsgebiet befinden. Ethan Hee-Seok Shin, Rechtsanalyst bei der Transitional Justice Working Group, einer in Seoul ansässigen NGO, sagte, „gleichzeitig könnte Russland sie jedoch als seine eigenen beanspruchen und sie an Nordkorea übergeben, nachdem sie mit ukrainischen Kriegsgefangenen ausgetauscht wurden“.
Außerdem wäre es aber ein falsches Signal aus der Ukraine, die aktuell für Freiheit und Demokratie kämpft, die beiden Soldaten in eine Diktatur zurückzuschicken, wo ihnen Folter und Tod drohen, sagte Shin. „Die internationale Gemeinschaft sollte jedoch die Ukraine dazu drängen, sicherzustellen, dass die nordkoreanischen Soldaten nicht gegen ihren eigenen freien Willen repatriiert werden“, fügte er hinzu.
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