Nettozahler Deutschland hat noch keine Mittel aus dem EU-Aufbaufonds beantragt

In den EU-Aufbaufonds für die Zeit nach Corona bezahlt Deutschland deutlich mehr ein als zurückfließen wird. Doch selbst bezüglich der zustehenden Mittel ist noch nichts beantragt.
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Deutschland hat seit der Gewährung der ersten Vorschusszahlung keine Zuschüsse aus dem EU-Aufbaufonds abgerufen.Foto: Christoph Soeder/dpa/dpa
Von 21. Juli 2023

Im Jahr 2020 galt der ursprünglich auf 750 Milliarden Euro festgesetzte EU-Aufbaufonds als Meilenstein europäischer Solidarität in der Corona-Krise. Als treibende Kräfte galten damals Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Noch damals blieben einige Fragen rund um das Konstrukt ungeklärt. So fehlt bis heute eine klare Antwort auf die Frage, wann und wie eine Rückzahlung der dafür aufgenommen Kredite vonstattengehen werde. Außerdem gibt noch keine Verwaltungsvereinbarung über die Details der Auszahlung. Automatismen gibt es keine, lediglich 2021 hatte es erste Vorschusszahlungen an die Mitgliedstaaten gegeben.

Deutschland soll mehr als geplant aus EU-Aufbaufonds erhalten

Schon bei der Konzeption des EU-Aufbaufonds zeichnete sich ab, dass vor allem die südeuropäischen Länder überdurchschnittlich davon profitieren sollen. Dies lag nicht zuletzt daran, dass die Erschütterungen infolge der Corona-Pandemie dort am stärksten gewirkt hatten.

Ursprünglich sollten etwa 390 Milliarden Euro daraus als Zuschüsse gewährt werden, 360 Milliarden Euro als Darlehen. Zweckgebunden sollten 37 Prozent der zur Verfügung gestellten Gelder in den Klimaschutz gehen und 20 Prozent in die Digitalisierung.

Deutschland war in der ursprünglichen Konzeption mit einem Betrag von 65 Milliarden Euro als Nettozahler eingeplant. Allerdings sollte Berlin bis zu 25,6 Milliarden Euro an Zuschüssen in Anspruch nehmen können.

Von diesen sollen rund 11,5 Milliarden Euro in klimafreundliche Mobilität, Wasserstoff und Gebäudedämmung fließen. Weitere 14 Milliarden Euro sollen für die digitale Transformation zur Verfügung stehen. Eine Anpassung des Verteilungsschlüssels führte dazu, dass Deutschland sogar Mittel von bis zu 28 Milliarden Euro beantragen könnte.

Erst ein Bruchteil der Mittel aus dem EU-Aufbaufonds beansprucht

Tatsächlich sind von nunmehr 700 Milliarden Euro, die der EU-Aufbaufonds aktuell umfassen soll, insgesamt erst 153 Milliarden an die Mitgliedstaaten geflossen. Deutschland soll jedoch bis dato komplett leer ausgegangen sein, berichtet die „Welt“.

Empfängerländer größerer Tranchen aus dem EU-Aufbaufonds müssen, um die Mittel in Anspruch nehmen zu können, das Erreichen bestimmter Ziele nachweisen. Die EU-Kommission beurteilt, inwieweit dies der Fall ist.

Gemeinsam mit dem niederländischen Portal „Follow the Money“ hat die „Welt“ nun eruiert, dass Deutschland ebenfalls bei Zielerfüllungen hinterherhinkt. Dies wiederum habe auch Auswirkungen auf die Antragstellung bezüglich der Mittel aus dem Corona-Fonds.

Mehrere Zusagen aus der Ära Merkel nicht eingehalten

Vor allem bei der Digitalisierung sei Deutschland bislang nicht in der Lage gewesen, die zugesagten Vorgaben zu erfüllen. Dies betreffe beispielsweise die Bahn, allerdings auch die Verwaltung an sich.

Bereits zuvor sei Deutschland bereits an Zielvorgaben aus der Merkel-Ära gescheitert, in der Kanzler Olaf Scholz als Bundesfinanzminister fungierte. So sei es nicht zur zugesagten Schaffung einer Förderrichtlinie für Elektroautos gekommen. Außerdem habe BioNTech – anders als angekündigt – kein überarbeitetes neues Präparat als Corona-Impfstoff produzieren können. Offenbar hatte man vonseiten der Regierung in Berlin auch das in der Zielvereinbarung mit der EU in Aussicht gestellt.

Bereits Mitte 2022 wollte Deutschland bei der EU-Kommission in Brüssel eine erste Tranche in Höhe von gut vier Milliarden Euro beantragen. Später korrigierte das Bundesfinanzministerium dieses Zieldatum auf „voraussichtlich im Frühjahr 2023“. Aufgrund der fehlenden Verwaltungsvereinbarung sei es dazu jedoch nicht gekommen.

Bundesinnenministerium kapituliert vor Zielvorgaben zur Digitalisierung

Die „Welt“ schreibt allerdings auch, dass bezüglich einer geplanten weiteren Tranche über 7,5 Milliarden Euro mit Unwägbarkeiten zu rechnen sei. Hier spiele vor allem das Thema der Digitalisierung der Verwaltung eine Rolle.

So hätte das noch aus der Ära Merkel stammende Onlinezugangsgesetz bis Ende 2022 zur Umsetzung kommen müssen. Ein Kernelement desselben sei die flächendeckende Digitalisierung von Verwaltungsleistungen gewesen. Diese habe jedoch nicht stattgefunden.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser macht dafür die Länder verantwortlich. Diesen seien bereits entwickelte Lösungen zugänglich gewesen. Allerdings hätten diese zu langsam davon Gebrauch gemacht – auch infolge von „Kapazitätsengpässen bei den für die Umsetzung zuständigen IT-Dienstleistern“.

Darüber hinaus soll es das Bundesinnenministerium nicht geschafft haben, Bürgern die Möglichkeit zu geben, sich bei unterschiedlichen Stellen digital auszuweisen. Dies wäre eine Verpflichtung auf der Grundlage des „Europäischen Identitätsökosystems“ gewesen. Nun will man bei der EU-Kommission eine Terminverschiebung erbitten. Denn selbst bei 15 als prioritär eingestuften Digitalprojekten sehe man sich in diesem Jahr nicht mehr in der Lage, diese umzusetzen.



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