Nach Trumps Sieg: Europäer ringen um Strategie – Sorge um Berlin
Der Gipfel der Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) begann am Donnerstag unter dem Eindruck von Donald Trumps Wahlsieg in den USA und der deutschen Regierungskrise. In der ungarischen Hauptstadt sind die 47 Länder der EPG zusammengekommen, welche im Jahr 2022 als Antwort auf den Ukraine-Krieg gegründet worden war.
Neben dem Treffen der EPG findet am Freitag auch ein informeller EU-Gipfel im Rahmen der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft statt. Ministerpräsident Viktor Orbán ist daher Gastgeber.
Die Treffen sollten sich Orbán zufolge vorwiegend mit der Frage befassen, wie der Frieden in Europa wiederhergestellt werden kann, wie Europa eine größere Rolle bei seiner eigenen Sicherheit spielen und wie Europa seine Interessen besser verteidigen kann.
„Die jüngsten US-Präsidentschaftswahlen verleihen diesen Fragen eine besondere Aktualität. Die Zukunft unserer transatlantischen Beziehungen ist ein noch nie dagewesenes Element der europäischen Sicherheitsarchitektur“, sagte der Regierungschef, wie Ungarns Nachrichtenagentur MTI berichtete.
Das zweitägige Treffen in der ungarischen Hauptstadt sei Orbán zufolge das größte diplomatische Ereignis in der Geschichte des Landes.
Teilnehmer des Gipfels warnten am Donnerstag in der ungarischen Hauptstadt vor einer Schwächung Europas und einem möglichen „Wirtschaftskrieg“ mit den USA. Der Bruch der Ampel-Koalition in Berlin löste Sorge über eine politische Lähmung der EU aus. Bundeskanzler Olaf Scholz verpasste wegen der innenpolitischen Krise einen großen Teil der Beratungen.
Einladungsschreiben von Charles Michel
Charles Michel, Präsident des Europäischen Rates, hat in seinem Einladungsschreiben zum informellen EU-Gipfel auf die Prioritäten des Treffens hingewiesen. Er schrieb, dass die politischen Führer beim Arbeitsessen am Donnerstagabend die Situation nach den Wahlen in Georgien diskutieren werden.
Außerdem werden sie sich über die Unterstützung der EU für die Vereinten Nationen austauschen. Dabei geht es insbesondere um ein kürzlich vom israelischen Parlament verabschiedetes Gesetz, welches die Arbeit des palästinensischen Hilfswerks UNRWA erschweren wird.
Am Freitag werde das Hauptthema die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der EU sein, so Michel. „Ich möchte, dass wir eine echte politische Debatte darüber führen, wie wir unsere Ambitionen finanzieren und eine Bestandsaufnahme der uns zur Verfügung stehenden Mittel machen“, schrieb der Präsident.
Europas Sicherheit als Herausforderung
Wie Charles Michel wies auch Orbán auf die Notwendigkeit hin, bei sicherheitspolitischen Herausforderungen auf europäischer Ebene zusammenzuarbeiten. „Wir glauben, dass wir gemeinsam stärker sind, als wir es getrennt sind“, sagte Orbán.
Die Antworten, die sie jetzt gemeinsam erarbeiten, könnten die Zukunft Europas für Jahrzehnte bestimmen, sagte er weiter.
Orbán sehe daher die Notwendigkeit, dass die Staats- und Regierungschefs prüfen, ob sie eine gemeinsame Vision bezüglich der Herausforderungen haben, vor denen sie stehen. Und gleichzeitig, ob sie in ähnlichen Richtungen nach Antworten suchen.
Das heißt, ob sie „Bereiche identifizieren können, in denen sie in der Lage und bereit sind, gemeinsam zu handeln“.
Von der Leyen und Macron: Die Zukunft Europas steht auf dem Spiel
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte in Budapest, dass sie besonders drei Themen zu besprechen haben. Das Erste sei ein gemeinsamer Plan zur Förderung von Wettbewerbsfähigkeit, Digitalisierung und Dekarbonisierung. Das Zweite sei die Überwindung „unserer allgemeinen Abhängigkeiten und die Schaffung gleicher Wettbewerbsbedingungen für unsere Wirtschaft und Unternehmen“. Beide Punkte basieren im Wesentlichen auf dem von Mario Draghi vorgelegten Bericht.
Und der dritte Punkt sei die Stärkung der europäischen Verteidigungskapazitäten und -investitionen, sagte sie laut MTI.
Im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg betonte die Präsidentin, dass die „Autokraten dieser Welt“ von dem Gipfel „eine ganz klare Botschaft erhalten müssten, dass nicht das Recht des Stärkeren gilt“. Europa müsse seine Zukunft zudem selbst in die Hand nehmen und seine Verteidigungsfähigkeit ausbauen.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron betonte im Einklang mit von der Leyen, dass die Europäer ihre Geschichte künftig selbst schreiben müssten und sie nicht Mächten wie den USA, Russland und China überlassen. Macron erklärte dabei, dass die europäischen Länder eine starke Wirtschaft und ein starkes Verteidigungssystem aufweisen. Die Europäische Union vertritt 440 Millionen Menschen und die EPG mehr als 700 Millionen.
Politiker äußern sich besorgt über globale Herausforderungen
Der belgische Regierungschef Alexander De Croo sagte, die EU könne ihre Sicherheit nach Trumps Wahlsieg nicht länger an die USA „auslagern“. Er spielte damit auf die US-Atomwaffen an, die unter anderem in Deutschland lagern.
Der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis rief die Europäer auf, aus ihrer „geopolitischen Naivität zu erwachen“. Die EU könne mit Trump nicht aus einer Position der Schwäche verhandeln. Österreichs Kanzler Karl Nehammer sagte, die EU müsse einen „Wirtschaftskrieg“ mit den USA abwenden. Trump hatte im Wahlkampf Zollaufschläge von bis zu 20 Prozent für Produkte unter anderem aus Europa angekündigt.
NATO-Generalsekretär Mark Rutte äußerte sich in Budapest erneut überzeugt, mit Trump transatlantische Lösungen finden zu können.
Angesichts der schwierigen Weltlage äußerten sich mehrere Gipfelteilnehmer besorgt über das Platzen der Berliner Koalition. „Europa ist nicht stark ohne ein starkes Deutschland“, sagte EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola.
Finnland und Luxemburg äußerten die Hoffnung auf schnelle Neuwahlen in Deutschland, da Europa sonst nur eingeschränkt handlungsfähig sei. Der luxemburgische Regierungschef Luc Frieden beklagte die „Instabilität“ in Deutschland und zwei weiteren EU-Gründerländern. In Deutschland, Frankreich und Belgien gebe es „derzeit keine Regierung mit einer Mehrheit im Parlament“, stellte er fest.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ist ebenfalls anwesend. Der Presse gegenüber erklärte er am Donnerstag, dass einige im Raum die Ukraine zu Zugeständnissen an den russischen Staatschef Wladimir Putin drängten. „Das ist inakzeptabel für die Ukraine und selbstmörderisch für ganz Europa“, sagte Selenskyj.
Arbeitsgruppen zur Bewältigung der Krisen
Nach der Plenarsitzung am Donnerstag werden die eingeladenen Politiker der EPG in Arbeitsgruppen über die Herausforderungen der Migration diskutieren. Als Vertreter des Gastgeberlandes betonte Orbán die Notwendigkeit, Herkunfts- und Transitländer besser zu unterstützen, um ihre Entwicklungsziele voranzubringen.
Auch die Einrichtung von Migrationszentren in Drittländern wird auf der Tagesordnung stehen. Wie kürzlich dies bei dem Abkommen zwischen Italien und Albanien bereits als erstes Beispiel geschehen ist. „Wir müssen entscheiden, ob wir bereit sind, Zentren zur Bearbeitung von Flüchtlingsanträgen und zur Durchführung von Rückführungen in sicheren Drittstaaten einzurichten“, sagte Orbán.
Arbeitsgruppen werden zudem auch zu den Themen wirtschaftliche Sicherheit und Konnektivität eingerichtet.
(Mit Material der Nachrichtenagenturen)
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