Nach Tod von Berlusconi: Seine Partei muss ums Überleben kämpfen
Am Montag, 12. Juni, starb der mehrfache italienische Premierminister Silvio Berlusconi in Segrate bei Mailand. Vor allem für die von ihm gegründete Partei Forza Italia (FI) bedeutet sein Tod eine Zäsur. Derzeit ist der Posten des Parteivorsitzenden vakant, Vizechef Antonio Tajani könnte diesen provisorisch übernehmen. Dennoch stellen sich politische Beobachter schon jetzt die Frage: Wird es für Forza Italia ohne Berlusconi auf Dauer einen Platz in Italiens politischer Landschaft geben?
Forza Italia sieht Überlebenschance auch ohne Berlusconi
Für Tajani ist die Sache klar. Gegenüber „Italy 24“ betont er, das Projekt werde auch weiterhin in Italien gebraucht. Die Parole bei Forza Italia laute „Keine Panik“. Man werde das Erbe des „Cavaliere“ weiterführen und vor allem stabil als Teil des Mitte-Rechts-Bündnisses weiterregieren:
Forza Italia wird weitermachen, weil Berlusconi immer in die Zukunft geschaut hat und es unsere Pflicht ist, das zu tun, wovon er bis vor Kurzem geträumt hat. Wir denken nicht daran, dass Forza Italia verschwinden wird, denn Berlusconi verschwindet auch nicht. Er war ein Mann, der in die Zukunft blickte, und wir wollen die Zukunft aufbauen, die er vorgezeichnet hatte.“
Senatsvizepräsident Maurice Gasparri erklärte ebenfalls, es gebe zwar nur einen Berlusconi, dies schmälere jedoch nicht die Qualität seiner Ideen oder die Notwendigkeit, diese umzusetzen. Er machte jedoch auch deutlich, dass die EU-Wahlen im kommenden Jahr zur Bewährungsprobe würden.
Reste der FI könnten zwischen Zentristen und Rechten zerrieben werden
Ex-Premier Matteo Renzi zeigt sich skeptischer. Er meint, Berlusconi könne „weder Delfine noch Nachfolger haben“. Der Gründer der zentristischen Formation Italia Viva wird aller Voraussicht nach darauf spekulieren, einen Teil des bisherigen Potenzials von Forza Italia für sich zu gewinnen.
Gleichzeitig ist die Gefahr groß, dass die Mitte-Rechts-Formation zwischen neuen Projekten der Mitte und der Rechten aufgerieben wird. Vor allem die Fratelli d’Italia unter Premierministerin Giorgia Meloni könnte zur Anlaufstelle für Wähler, aber auch Politiker werden, die nicht an eine FI ohne Berlusconi glauben.
Möglicherweise könnte sie versuchen, jene große rechte Sammlungspartei zu formen, wie sie Berlusconi selbst immer vorgeschwebt hatte. Aber auch die Lega könnte sich Hoffnungen machen, einen Teil der FI-Wählerschaft für sich zu gewinnen.
Eine entscheidende Frage wird auch darstellen, inwieweit die Familie Berlusconis, die dessen Medienkonzerne erben wird, weiterhin die Finanzierung von FI sichern will. Ein entscheidender Teil der finanziellen Ausstattung der Partei stammte stets aus dem Vermögen der Mediaset-Gruppe. Diese steht im Eigentum von Berlusconis Unternehmensgruppe Fininvest.
Zusammenbruch der Nachkriegs-Parteienlandschaft
Die Gründungsgeschichte von Forza Italia ist untrennbar verbunden mit dem Zusammenbruch der Nachkriegs-Parteienlandschaft Italiens zu Beginn der 1990er-Jahre. Die Gladio-Enthüllungen und die unter dem Namen „Mani pulite“ bekannte Anti-Korruptionskampagne hatten diese ausgelöst.
Vor allem die Democrazia Cristiana, die jahrzehntelang Italiens Politik dominiert hatte, implodierte infolge der Skandale binnen kürzester Zeit. Auf der Linken formierte sich ein schlagkräftiges Bündnis rund um die frühere Kommunistische Partei, die sich in Demokratische Linkspartei (PDS) umbenannt hatte.
Gleichzeitig profitierte auf der Rechten der neofaschistische Movimento Sociale Italiano (MSI) vom Niedergang der alten Parteienlandschaft. Der „schwarze“ MSI, der sich auf die Republik von Salò berief, galt politisch jedoch nicht als bündnis- oder mehrheitsfähig.
Berlusconi formte eine neue Form von Rechtsbündnis
Der zuvor nur als Medienmogul bekannte Berlusconi beschloss seinen Einstieg in die Politik. Die vollständig auf ihn zugeschnittene Forza Italia sollte den Großteil der früheren Christdemokratie beerben. Gleichzeitig suchte er das Bündnis mit der damals noch separatistischen Lega Nord von Umberto Bossi – und dem MSI. Dort gelang es Gianfranco Fini, der 1994 in Rom ein herausragendes Ergebnis bei der Bürgermeisterwahl erzielte, die Partei in die rechtskonservative Alleanza Nazionale umzuwandeln.
Das rechte Bündnis konnte mehrfach Wahlen für sich entscheiden und Berlusconi gelang es, als Ministerpräsident ein für italienische Verhältnisse recht hohes Maß an Stabilität zu gewährleisten. Dies ließ auch viele Stimmen in der EU verstummen, die zuvor gegen das Mainstreaming der extremen Rechten protestiert hatten.
Wahlrechtsreformen hatten zur Folge, dass Forza Italia 2009 im Popolo della Libertà aufging. Im Jahr 2013 kam es jedoch zur Wiedergründung.
Forza Italia beim strikten Pro-NATO-Kurs von Meloni überholt
Seit dieser Zeit versuchte sich die Partei, die der Europäischen Volkspartei (EVP) angehört, auch inhaltlich als Mitte-Rechts-Formation in Szene zu setzen. Zuletzt hatte sie im September 2022 ein Wahlprogramm vorgelegt, das diesen Anspruch unterstreichen sollte.
Darin bezeichnete man sich als „atlantizistisch und europäistisch“. Die Partei forderte unter anderem eine „gemeinsame europäische Außenpolitik“ und eine Abkehr vom Einstimmigkeitsprinzip hin zur qualifizierten Mehrheit bei der Entscheidungsfindung in der EU.
Forza Italia forderte auch eine strikte Einhaltung des Zwei-Prozent-Ziels der NATO bei den Verteidigungsausgaben und einen „Europäischen Marshallplan für Afrika“. Dieser solle dem Migrationsdruck gegensteuern. Anders als die rechten Bündnispartner befürwortete die Berlusconi-Partei auch eine verpflichtende Verteilungsquote für Asylsuchende unter den EU-Ländern.
Allerdings hat Premierministerin Meloni mittlerweile selbst durch eine Pro-NATO-Politik und „Solidarität mit der Ukraine“ den Profilierungsspielraum für Forza Italia eingeengt. Anders als Berlusconi selbst ist auch kein Politiker der FI mehr in Sicht, der noch über eine intakte Gesprächsbasis mit Russlands Präsident Wladimir Putin verfügt.
vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.
Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.
Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.
Ihre Epoch Times - Redaktion