Nach Putsch im Niger: Debatte über Intervention – China möglicher Nutznießer
Am Donnerstag, 27. Juli, hatten die Streitkräfte im Niger die gewählte Regierung unter Präsident Mohamed Bazoum für abgesetzt erklärt. Gleichzeitig haben sie den Kommandanten der Präsidialgarde, General Abdourahamane Tiani, mit der Übernahme der Regierungsgeschäfte beauftragt. Als Begründung nannten die Militärs unter anderem die Verschlechterung der Sicherheits- und Wirtschaftslage und Mängel in der Amtsführung Bazoums.
Die USA, die EU und die Staaten des westafrikanischen ECOWAS-Bündnisses haben den Putsch verurteilt. Das ECOWAS-Bündnis, dem unter anderem Nigeria, Ghana, die Elfenbeinküste, Togo und Liberia angehören, haben den Militärs ein Ultimatum gesetzt. Sollte Bazoum nicht binnen einer Woche wieder in sein Amt eingesetzt sein, erwäge das Bündnis Maßnahmen. Auch eine militärische Intervention sei demnach nicht ausgeschlossen, wie der „Stern“ berichtet.
Bundeswehr in „Partnerschaftsmission“ der EU eingebunden
Europäische Staaten haben unterdessen mit der Evakuierung ihrer Staatsangehörigen aus dem Krisenstaat begonnen. Die ersten deutschen Bürger konnten an Bord französischer Maschinen das Land verlassen. Insgesamt sollen sich bis dato etwa 100 deutsche Zivilisten im Niger befunden haben. Mittlerweile haben den Berichten nach etwa 40 von ihnen das Land verlassen.
Eigentlich hatte auch die Bundeswehr geplant, von der kommenden Woche an den Flugbetrieb zu ihrem Lufttransportstützpunkt in Nigers Hauptstadt Niamey wieder aufzunehmen. Derzeit sind nach wie vor 100 deutsche Soldaten stationiert.
Grundlage dafür ist die im Februar 2023 aktivierte „militärische Partnerschaftsmission“ der Europäischen Union (EUMPM). Diese soll den Niger dabei unterstützen, Instabilität und Gewalt in der Region einzudämmen. Die Sicherheitskooperation soll der Stabilisierung der Sahelzone dienen und das Land unter anderem bei der Bekämpfung des Terrorismus unterstützen.
Aufseiten der EU ist das Engagement nicht gänzlich uneigennützig motiviert. Die Regierung des Landes soll mithilfe des Militärs auch Migrationsrouten abschneiden, die durch das Land verlaufen.
Niger trotz Reichtums an Gold und Uran bettelarm
Neben diesem Faktor sind es vor allem wirtschaftliche Interessen, die das anhaltende Interesse der Europäer an dem 1960 von Frankreich unabhängig gewordenen Staat begründen. Dabei gehört dieser zu den ärmsten und am wenigsten entwickelten Ländern der Welt. Der Niger lag mit einem Durchschnittseinkommen nach Kaufkraftparität von 1.443 US-Dollar pro Jahr an 188. Stelle aller UN-Mitgliedstaaten.
Allerdings ist das Land der weltweit siebtgrößte Produzent von Uran – und die nigrischen Uranerze gelten als qualitativ hochwertig. Vor allem Frankreich ist am Erwerb des Rohstoffs aus dem Niger interessiert, um seine Kernkraftindustrie zu versorgen. Im Jahr 2021 war das Land zudem weltweit auf Platz 29 bei den Goldexporten. Deren Gegenwert hatte in jenem Jahr 2,7 Milliarden US-Dollar betragen.
Die Militärregierung hat mittlerweile alle Exporte von Gold und Uran nach Frankreich gestoppt. Über 50 Prozent des in Niger geförderten Uranerzes finden derzeit bei der Befeuerung französischer Kernkraftwerke Verwendung. Die Regierung in Paris erklärte, es gebe derzeit keine Versorgungskrise.
Der Abbau durch den vom französischen Staat kontrollierten Orano-Konzern sei nicht unterbrochen. Erst im Mai hatte Paris mit Nigers damaliger Regierung ein Abkommen über den künftigen Abbau der Uranvorkommen des Landes unterzeichnet.
Militärregierung baut eigenes regionales Bündnissystem auf
Eine direkte militärische Intervention westlicher Staaten im Niger gilt als unwahrscheinlich. Allerdings haben sowohl Frankreich als auch Deutschland sich bereits mit der Interventionsdrohung durch ECOWAS solidarisiert. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell ließ verlauten:
Die Europäische Union unterstützt alle Maßnahmen, die die ECOWAS als Reaktion auf den Staatsstreich ergriffen hat.“
Die EU verfügt innerhalb des ECOWAS-Bündnisses nach wie vor über Einfluss – unter anderem aufgrund der Kopplung des in mehreren Mitgliedsländern verwendeten CFA-Franc an den Euro. Dieser wurde noch in der Kolonialzeit als Währung konzipiert.
Allerdings könnte eine militärische Intervention im Niger einen Flächenbrand in der Region auslösen, der nicht im Interesse des bereits indirekt in den Ukraine-Krieg involvierten Westens sein könnte. Immerhin haben die neuen Machthaber ihre Landes- und Luftgrenzen zu fünf Nachbarstaaten geöffnet. Zu diesen gehören Mali, Burkina Faso, Algerien, Libyen und der Tschad.
Nigeria soll die Stromversorgung gekappt haben
Die nach Militärputschen von der ECOWAS suspendierten Mitgliedstaaten Burkina Faso und Mali haben mittlerweile vor einer militärischen Intervention gewarnt. Von ihrer Seite hieß es, jede Aktivität dieser Art komme auch gegenüber ihren Ländern „einer Kriegserklärung gleich“. Experten zufolge droht in einem solchen Fall sogar ein Bürgerkrieg, ähnlich wie über Jahre hinweg im Sudan.
Um den Druck auf die Republik Niger zu erhöhen, hat Nigeria Medienberichten zufolge seine Stromlieferungen in das Nachbarland abgestellt. Der Bedarf des Landes werde einer Einschätzung der Französischen Entwicklungsagentur zufolge zu 77 Prozent aus dem Nachbarland gedeckt. Auch die Weltbank hat den Großteil ihrer Zahlungen an den Niger eingestellt.
Inwieweit die Wirtschaftssanktionen effektiv sein werden, ist schwer abschätzbar. Weniger als 20 Prozent der Bevölkerung im Niger hat bislang überhaupt Zugang zu Elektrizität. Nur 16 Prozent sind an eine adäquate Sanitärversorgung angeschlossen. Unter der Armutsgrenze leben 40 Prozent der Bürger.
Machtwechsel im Land vor allem ein Problem für den Westen
Wie die „South China Morning Post“ schreibt, könnte auch das KP-Regime in Peking in der Krise eine Chance wittern, sich als Retter in der Not zu inszenieren. Das chinesische Außenministerium erklärte, Peking beobachte die Lage in Niger genau. Das Regime rief die betroffenen Parteien auf, „im Interesse des Landes und seiner Bevölkerung zu handeln und Differenzen friedlich im Dialog zu lösen“.
Rahmane Idrissa vom Zentrum für Afrikastudien an der Universität Leiden in den Niederlanden äußerte jedoch, der Putsch sei vor allem ein Problem für Frankreich und den Westen insgesamt. China sei in Niger als Wirtschaftspartner bei der Ausbeutung des Erdöls im östlichen Teil des Landes präsent. Dieses Geschäft sei durch den Putsch jedoch nicht beeinträchtigt, betont Idrissa.
China könnte jedoch nun die Chance nutzen, die eigene Nachfrage nach Uran im Niger auszuweiten. Zudem könnte man in Peking auf die Idee kommen, sich als stabilisierender Faktor im Land zu präsentieren. Im Unterschied zum Westen sei man indifferent bezüglich des Regimes, das in Niamey regiere.
China will im Niger „Stabilität – unabhängig von der Art des Regimes“
Ähnlich sieht Gyude Moore die Problematik. Er ist Senior Policy Fellow am in Washington ansässigen Centre for Global Development und ehemaliger Minister für öffentliche Arbeiten in Liberia. Auch er betont, Niger sei eine der letzten Bastionen französischer Unterstützung im frankophonen Afrika. Falle diese weg, eröffneten sich Chancen für andere Akteure.
China habe keine Präferenz bezüglich der Art des Regimes, sodass der Einfluss Chinas zwangsläufig wachsen würde, wenn sich westliche Regierungen zurückzögen. Das KP-Regime sei jetzt bereits in Initiativen zur Stabilisierung der Sicherheit in der Sahelzone involviert.
Die Beteiligung des KP-Regimes an einer UN-Friedensmission in Mali sei ebenfalls mit Chinas eigenen wachsenden wirtschaftlichen Interessen in der Region verbunden. Für Moore liegt auf der Hand:
Diese Interessen bedeuten, dass China sich auf die Stabilität konzentrieren wird, unabhängig von der Art des Regimes.“
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