Ungarn übernimmt EU-Ratsvorsitz: Orbáns Prioritäten für die nächsten sechs Monate
Ungarn übernimmt am Montag die alle sechs Monate wechselnde EU-Ratspräsidentschaft. Die Budapester Regierung hat sich vorgenommen, mit der Präsidentschaft die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit der EU voranzutreiben. Um das Wachstum zu fördern, wolle man ein neues Abkommen dazu verabschieden, teilte die Regierung zur Übernahme des EU-Ratsvorsitzes an diesem Montag mit. Außerdem soll illegale Migration besser bekämpft werden – unter anderem durch Deals mit Drittstaaten.
Was ist in den nächsten Monaten von einer ungarischen EU-Ratspräsidentschaft zu erwarten?
Das bestehende „System aufrütteln“
Orbáns Motto für die EU-Ratspräsidentschaft lautet in Anlehnung an den Wahlkampfslogan des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump „Make Europe great again“. Angesichts der gespaltenen Meinungen über Trumps Politik stellt sich die Frage, inwieweit dieses Motto für die EU geeignet ist und was die Regierung Orbán der EU-Bevölkerung damit vermitteln will. Darüber sprach Orbán mit der Funke Mediengruppe.
Für Orbán ist es an der Zeit, dass Europa seine Größe wiedererlangt. „Europa ist ein wundervoller Kontinent. Wir wollen zurückkehren zum prägenden europäischen Einfluss mit Blick auf Geist, Wissenschaft und Wirtschaft“, sagte er bei seinem lezten Besuch in Berlin. Ein weiterer Schwerpunkt der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft werde die Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit der EU sein.
Dazu sei ein Umdenken notwendig. Denn „der Stil und die Sprache der Politik auf dem europäischen Kontinent werden immer grauer“. Europa brauche Menschen, die „das System aufrütteln“.
Orbán sagte, dass er gerade deshalb so viel Kritik einstecken müsse, weil er seit Jahrzehnten seine eigene Meinung zu kritischen Themen vertrete.
„Wir haben den Eisernen Vorhang niedergerissen und ich habe vorausgesagt, dass dies 1989 zum Fall der Berliner Mauer führen würde. Dafür wurde ich von den Linken in Deutschland heftig kritisiert. Oskar Lafontaine sagte, ich sei verrückt“, erinnerte er sich in dem Interview mit der Funke Mediengruppe.
Im Jahr 2015 habe er dann das Migrationsproblem vorausgesagt und heute sei er der Einzige, der für ein sofortiges Ende des Krieges in der Ukraine eintrete.
Illegale Migration als Schwerpunkt
Zum Thema Migration sagte Orbán, Europa müsse mit allen Mitteln geschützt werden. Dies sei auch der Ausgangspunkt für die EU-Ratspräsidentschaft. Ungarn werde das Thema illegale Migration während der sechs Monate auf die Tagesordnung setzen. Dies betonte auch der Chefberater des Ministerpräsidenten für innere Sicherheit am 26. Juni im ungarischen Staatsfernsehen.
Ungarn vertrete den Standpunkt, dass „das Problem nicht in die EU gebracht werden sollte, sondern dass die Hilfe dorthin gebracht werden sollte, wo die Probleme sind“. Die Orbán-Regierung sei der Meinung, dass „illegales, gesetzwidriges Verhalten nicht zum Flüchtlingsstatus führen sollte“. Daher werde der Schwerpunkt während der Ratspräsidentschaft auf der Suche nach neuen, effektiven Lösungen für die EU liegen.
Eine relativ neu diskutierte Lösung ist die Prüfung von Asylanträgen in Drittstaaten. Ungarn selbst arbeitet bereits mit sogenannten externen Hotspots. Das sind Zentren außerhalb des Landes, in denen Asylanträge geprüft werden. Im Jahr 2023 wurden in Ungarn insgesamt dreißig Asylanträge gestellt – in Deutschland waren es mehr als 300.000.
„Wenn Migranten nach Ungarn kommen wollen, müssen sie sich zunächst an eine ungarische Botschaft wenden, zum Beispiel in der serbischen Hauptstadt Belgrad. Dort werden die Papiere geprüft. Nur, wenn die ungarischen Behörden grünes Licht geben, können die Migranten einreisen. Sonst nicht“, sagte er.
In diesem Zusammenhang begrüßte Orbán auch den Vorschlag von Bundeskanzler Olaf Scholz, der nun selbst prüfen will, ob Hotspots in Drittstaaten ein gangbarer Weg wären.
Ukraine-Krieg: Verhandlungen fördern
Orbán eckt mit seiner Haltung zum Krieg in der Ukraine immer wieder bei seinen EU-Kollegen an. Budapest will keine Waffen an die Ukraine liefern und wehrt sich seit Langem gegen gemeinsame EU-Finanzhilfen für das Land. Einstimmige Beschlüsse stoßen daher sowohl in der EU als auch in der NATO auf ungarischen Widerstand.
Stattdessen zieht es Ungarn vor, diese Fragen den Mitgliedsstaaten selbst zu überlassen, durch bilaterale Hilfe und bilaterale Abkommen mit der Ukraine.
In den kommenden sechs Monaten wird Orbán als Quasigastgeber in Brüssel einen gewissen Spielraum haben, um die Gespräche zu steuern. In diesem Zusammenhang hat die ungarische Regierung bereits bei der Vorstellung des Programms für die EU-Ratspräsidentschaft ihren Ansatz unterstrichen. Demnach soll der Schwerpunkt auf der Förderung diplomatischer Verhandlungen liegen. Dies gilt insbesondere für die Förderung einer Lösung des Kriegskonflikts.
Orbán sagte, dass er keine Lösung für den Konflikt habe oder es seine Aufgabe sei, Putin zum Einlenken anzuregen. Er betonte jedoch, dass Trump der „einzige Mensch im Universum“ sei, der den Krieg mit zwei Telefonaten beenden könne.
Es sei klar, dass die russische Aggression völlig inakzeptabel sei und gegen die Grundprinzipien der internationalen Beziehungen verstoße, so Orbán. „Wir müssen Spielraum gewinnen, damit wir einen Weg zum Frieden finden, der für beide Seiten akzeptabel ist.“
Ungarn habe bei der Lösung des Konflikts weder russische noch ukrainische Interessen im Sinn. „Ich will vor allem, dass der Krieg aufhört und es einen Waffenstillstand gibt. Täglich sterben Europäer auf dem Schlachtfeld. Wir müssen das Töten an der Front beenden“, schloss er.
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