Klimaschutz oder Immobilienkrise? Macrons Energieklassevorschriften wirbeln den Wohnungsmarkt auf
Frankreichs Regierung steht unter massiver Kritik, nachdem sie 2022 ein Verbot für die Vermietung ungedämmter Altbauten eingeführt hat. Diese Maßnahme, ein Teil der Klimaschutzpolitik von Präsident Emmanuel Macron, zielt darauf ab, Immobilienbesitzer zur energetischen Sanierung ihrer Gebäude zu bewegen. Anfang 2023 erfolgte dann eine erneute Verschärfung, die Hauseigentümer weiter unter Druck setzt.
In der Folge ist die Immobilienlandschaft dabei, sich rapide zu verändern. Die Preise für Altbauten fallen und Hausbesitzer versuchen verstärkt, ihr schlecht saniertes Eigentum abzustoßen, anstatt es zu sanieren. Für Deutschland könnte Frankreichs Vorgehen sowohl ein Modell als auch eine Warnung darstellen.
Die Intention hinter dem Verbot
Die Europäische Union hat es sich zum Ziel gesetzt, den Energieverbrauch von Gebäuden drastisch zu reduzieren. In Deutschland stehen hierfür Regelungen wie das kontrovers diskutierte Heizungsgesetz kurz vor der Verabschiedung. Frankreichs Vorgehen ist noch radikaler: Wohnungen mit der schlechtesten Energieklasse G+ dürfen seit Januar 2023 nun nicht mehr vermietet werden.
Es handelt sich dabei um Wohnungen, deren Energieverbrauch über 450 kWh pro Quadratmeter pro Jahr liegt. Zum Vergleich: In Deutschlands Energieeffizienzklasse G haben Häuser einen Energieverbrauch von 200 bis 249 kWh beziehungsweise 11 Euro pro Quadratmeter und Jahr.
Frankreichs Regierung argumentiert, dass der Wohnsektor für ein Viertel des gesamten CO₂-Ausstoßes des Landes verantwortlich sei, wie das „Handelsblatt“ kürzlich berichtete. Sie begründet das Vorgehen als notwendigen Schritt. Mit der Maßnahme will Macron einen „positiven, dominoartigen Effekt“ auf den Klimaschutz bewirken.
In den kommenden Jahren ist geplant, das Vermietungsverbot Schritt für Schritt auszuweiten, wie auf der Website der Regierung zu entnehmen ist. Demnach dürfen ab 2025 Gebäude der Klasse G (> 420 kWh pro Quadratmeter) nicht mehr vermietet werden. Und ab 2028 sind auch Gebäude der Klasse F (>330 kWh pro Quadratmeter) betroffen. Im bisher letzten Schritt wird dann die Vermietung von Gebäuden der Energieklasse E (> 230 kWh pro Quadratmeter) ab 2034 untersagt.
Konsequenzen des Verbots
Vom Verbot betroffen sind zunächst nur neue Mietverträge nach 2023. Doch laut Berechnungen der nationalen Behörde für energetische Sanierungen (l‘Observatoire national de la rénovation énergétique, ONRE) umfasst die G-plus-Bewertung rund 140.000 Wohnungen im Privatbesitz und 51.000 Sozialwohnungen, so die „Frankfurter Rundschau“.
Ab 2025 kämen weitere 621.000 Wohnungen hinzu, ab 2028 sind dann über 1,2 Millionen Mietwohnungen nur nach einer Sanierung vermietbar. Die Mietpreise für Wohnungen der Kategorien F und G dürfen bereits seit Sommer 2022 nicht mehr erhöht werden.
In großen Städten wie Paris, wo der Wohnungsmarkt bereits enorm angespannt ist, könnten diese Bestimmungen zu einem echten Problem werden. Die Immobilienbesitzer sehen sich einem Dilemma gegenüber: sanieren oder verkaufen? Für viele Geringverdiener, darunter auch zahlreiche Studenten, könnte dies zu Schwierigkeiten führen, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Vor allem zum Wintersemester, wenn der Wohnungsmarkt traditionell stark in Bewegung ist, könnten diese Regelungen spürbare Folgen haben.
Reaktionen auf dem Immobilienmarkt
Auf dem Immobilienmarkt hat die Maßnahme bereits große Auswirkungen gezeigt. Besitzer ungedämmter Altbauten stehen vor einem Preisverfall ihrer Immobilien. Viele Käufer tendieren dazu, nur noch in Objekte mit höherer Energieeffizienz zu investieren.
Dies belegt dem „Handelsblatt“ zufolge auch eine kürzlich durchgeführte Umfrage der Immobilienseite „SeLoger“. Demnach würden 40 Prozent der Käufer die Energienote derzeit als zentrale Verhandlungsbasis beim Kaufpreis sehen. Zum Vergleich waren es im Jahr 2022 noch 29 Prozent. Immobilien mit niedrigen Energienoten würden mittlerweile zwischen drei und 25 Prozent heruntergehandelt, vor allem in kleinen Städten oder weniger gefragten Stadtvierteln.
Die niedrige Kaufkraft der Franzosen – bedingt durch hohe Klimaanforderungen, hohe Baupreise und hohen Zinsen – führen zu einem äußerst angespannten Wohnungsmarkt, ähnlich wie in Deutschland. In einigen französischen Medien wird bereits von einer „Immobilienkrise“ gesprochen. Jahrzehntelang war in Frankreich Energie billig, Atomstrom reichlich vorhanden. Daher wird oft mit Strom geheizt.
Zukunftsausblick
Angesichts der steigenden Inflation und des Mangels an Ressourcen für Renovierungen stehen sowohl die französische Regierung als auch Immobilienbesitzer vor großen Herausforderungen. Denn auch wenn Besitzer renovieren wollen, stehen sie vor weiteren Problemen. Weil es derzeit an Handwerkern und Materialien fehlt, sind die Energievorgaben zeitlich schwer umzusetzen. Dazu treibt die Inflation die Preise in die Höhe.
Christophe Demerson, Präsident des nationalen Verbandes der Immobilienbesitzer UNPI, spricht von der „Baustelle des Jahrhunderts“. So zitiert ihn das „Handelsblatt“. „Man renoviert nicht fünf Millionen Immobilien mit dem Zauberstab. Das ist unmöglich“, so Demerson.
Zudem hat das aktuelle Vorgehen eine weitere Lawine ins Rollen gebracht: Viele Eigentümer erwägen der Zeitung zufolge, ihre Immobilien mit schlechter Energieeffizienz als Ferienwohnungen auf Plattformen wie Airbnb zu listen. Dadurch stünden dem regulären Mietmarkt noch weniger Wohnungen zur Verfügung.
Doch auch hier drohen bereits neue Energieregelungen. Frankreich steht somit vor einer Zerreißprobe – deren Ausgang auch für andere europäische Länder, einschließlich Deutschland, von großer Bedeutung sein könnte.
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