Keine Lust auf Brexit-Ärger: Die Iren umschiffen Grossbritannien
Es war ein langes Hin und Her mit vielen Debatten, noch mehr Kritik und eine Suche nach dem geschmeidigsten Weg aus dem – aus britischer Sicht – Dilemma EU. Letztlich mündete das Ganze in den Brexit, einen schrittweisen Abschied aus der Gemeinschaft. Seit dem 1. Januar 2021 ist der Ausstieg nun vollzogen.
Damit hat sich der Handel mit den Mitgliedstaaten stark verändert. Statt praktisch hindernisfreiem Handelsverkehr heißt es jetzt an englischen Grenzen wieder stapelweise Zollpapiere vorlegen und mitunter stundenlang auf die Abwicklung warten. Das alles kostet Zeit und vor allem Geld. Daher haben sich die Speditionen des irischen Nachbarn inzwischen andere Handelswege gesucht – und nehmen dafür große Umwege in Kauf.
Die bewältigen sie mithilfe von neuen, direkten Schiffsverbindungen zum europäischen Kontinent. Simon McKeever, Chef der Irish Export Association (IEA) ist begeistert. Handel verhalte sich wie Wasser – er fließt den Weg des geringsten Widerstandes, zitiert ihn die „Neue Züricher Zeitung“ (NZZ). Früher sei der Fluss durch England geflossen, inzwischen eben um England herum. McKeever spricht von „fundamentalen und lang anhaltenden Änderungen“. Diese seien keine Notlösung, sondern eine „exzellente Alternative“.
Zu EU-Zeiten Englands schickten irische und nordirische Unternehmen ihre Waren per Lastwagen meist nach Dublin. Dort befindet sich der größte Hafen der Insel. Per Fähre ging es weiter zum nur 100 Kilometer entfernten Hafen im walisischen Holyhead. Dann fuhren die Trucker quer durch England zum Ärmelkanal, um sich und ihre Waren von Dover nach Calais einzuschiffen.
Dank des englischen Brexits boomt der Handel nun im Rosslare Europort, einem Hafen im Südosten Irlands, nahe der Stadt Wexford. Seit dem Ausstieg zum 1. Januar 2021 hat sich der Fährverkehr dort vervierfacht, sagt Glenn Care, Geschäftsführer von Rosslare Europort, gegenüber dem „Handelsblatt“. Gab es vor dem Brexit wöchentlich zehn Verbindungen zum Festland, sind es nun mindestens 36.
Die drei Fährgesellschaften Stena Line, Brittany Ferries und DFDS steuern mit Dünkirchen, Cherbourg, Roscoff und St. Malo vier Ziele in Frankreich an. Hinzu kommt als spanische Destination Bilbao. Glenn Care freut sich über den Trubel. Die Zahl der Lastwagen habe sich seit Brexit-Beginn verfünffacht.
Gewinner und Verlierer
Rosslare ist ein Gewinner des Brexits, schreibt das „Handelsblatt“. Doch auch insgesamt stehe Irland wirtschaftlich besser da, als zu erwarten war.
Trotz Brexit und Corona-Pandemie wuchs die Wirtschaft auf der grünen Insel um 3,4 Prozent – laut „Handelsblatt“ ein „Rekord im rezessionsgeplagten Europa“. Deutliche Steigerungen gab es beim Absatz von Pharmaprodukten, Medizintechnik und Dienstleistungen im Bereich IT.
Der Fährhafen Rosslare oder Irlands Hauptstadt Dublin sind dabei die größten Profiteure. Etwa 100 Finanzfirmen haben ihren Sitz von London nach Dublin verlegt, 3.000 Arbeitsplätze sind dadurch entstanden, schreibt das „Handelsblatt“ weiter.
Doch hat der Brexit auch für Irland zwei Seiten. So gibt es auch Verlierer. Betroffen sind viele kleine Firmen, die ausschließlich Handel mit Großbritannien treiben – vor allem aus den Bereichen Landwirtschaft und Fischerei. Daher dürfte dem Aufschwung ein kurzes Leben bescholten sein, denn schon in diesem Jahr könnte der Brexit auch in Irland Spuren hinterlassen, so das „Handelsblatt“.
Dublins Hafen wird abgehängt
„Die Landbrücke ist weg. Ich dachte, sie kommt zurück, aber das ist nicht geschehen“, sagt Eamonn O’Reilly, Hafen-Chef in Dublin. Vor dem Brexit wurden dort etwa zwei Drittel des Frachtverkehrs mit England abgewickelt, nun ist es nur noch etwa die Hälfte, sagte O’Reilly in einem Interview mit der „Irish Times“. Großbritannien sei weiterhin wichtigster Handelspartner Irlands, die Lieferungen ins Königreich stiegen laut dem Wirtschaftsportal „Euractiv“ zwischen Januar und November 2021 um etwa 20 Prozent. Die Exporte nach Irland sanken nach dem Brexit allerdings um etwa den gleichen Wert.
Simon McKeever vom Verband der Exporteure glaubt, dass das Angebot von Direktverbindungen per Fähre weiter zunimmt. Die direkten Routen seien beispielsweise eine gute Option für Pharmalieferungen, die mehr als ein Drittel der irischen Ausfuhren ausmachten, sagte er gegenüber der „NZZ“. Dasselbe gelte für Lebensmittelexporte, beiden Produkten gemein ist die aufwendige Dokumentationspflicht.
So gleiche dieser Aufwand die längeren Transportzeiten und höheren Ticketpreise in vielen Fällen aus, erläutert McKeever. Er verweist zudem darauf, dass es beim Transit durch England immer wieder zu Verspätungen bei der Abfertigung komme.
Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 37, vom 26. März 2022.
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