Italienische Asyllager in Albanien eröffnet: Die ersten Migranten sind bereits unterwegs

Italien ist das erste EU-Land, das Migrantenlager außerhalb seines eigenen Territoriums, aber in Europa einrichtet. Albanien hat sich als ideales Ziel erwiesen, da das Land Roms engster Meeresnachbar ist.
Titelbild
Ein Luftbild zeigt das von Italien verwaltete Migrantenlager im Hafen von Shëngjin, Albanien.Foto: Adnan Beci/AFP via Getty Images
Von 15. Oktober 2024

Die italienische Regierung hat das erste Mal in Albanien zwei Lager für Migranten eröffnet. Dort sollen ab sofort diejenigen untergebracht werden, die von den italienischen Behörden in internationalen Gewässern gerettet wurden.

Fabrizio Bucci, Italiens Botschafter in Albanien, erklärte, dass die Zentren bereit seien, Menschen aufzunehmen. Hier würden ab sofort die Asylanträge bearbeitet. „Ab heute sind die beiden Zentren bereit und betriebsbereit“, sagte Bucci Ende letzter Woche gegenüber Reportern.

Am Montag gab zudem das italienische Innenministerium bekannt, dass die ersten Migranten auf dem Weg in das Balkanland sind, um dort ihre Asylanträge bearbeiten zu lassen.

3.000 Männer pro Monat

Identifizierung der Migranten soll noch an Bord von Schiffen stattfinden, die sie im Mittelmeer aufgenommen haben: Frauen, Kinder, Kranke und Verletzte werden nach Lampedusa in Italien gebracht, Männer hingegen nach Albanien.

Die zwei albanischen Zentren arbeiten in Kooperation. Das Lager in Shëngjin, 66 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Tirana, wird speziell für die Begutachtung von Neuankömmlingen genutzt. Hier gibt es kleine Wohneinheiten, ein kleines Krankenhaus, eine Haftanstalt und Büros, die von einem fast 5 Meter hohen Metallzaun mit Stacheldraht umgeben sind, berichtet die „Daily Mail“.

Das andere Zentrum, in Gjadër, liegt etwa 22 Kilometer weiter östlich. Es befindet sich in der Nähe eines ehemaligen Militärflugplatzes. Dieses Lager ist viel größer und soll Migranten auf einer Fläche von etwa 6,8 Hektar beherbergen, wo ihre Asylanträge bearbeitet werden sollen. Dieses Zentrum hat eine Kapazität von 3.000 Plätzen.

Die beiden Lager befinden sich in den albanischen Orten Shëngjin und Gjadër in der Nähe der italienischen Küste. Foto: iStock/pavalena

Alle Männer, die nach Albanien gebracht werden, stellen dort einen Antrag auf Asyl in Italien. Die Anträge sollen innerhalb von 28 Tagen geprüft werden. Diejenigen, deren Antrag angenommen wird, dürfen nach Italien einreisen. Abgelehnte Asylbewerber werden bis zu ihrer Rückführung in den Lagern festgehalten. Albanien wird nur die Anträge von Personen aus Ländern bearbeiten, die von Italien als „sicher“ eingestuft wurden. Diese Liste wurde kürzlich auf 21 Länder erweitert.

Die Lager in Albanien haben Italien 670 Millionen Euro gekostet. Sie werden von Italien betrieben und stehen unter italienischer Gerichtsbarkeit. Gleichzeitig sorgen jedoch albanische Wachleute für externe Sicherheit, berichtet der „Guardian“. Außerdem arbeiten fast 500 italienische Polizisten, Ärzte und anderes Personal in den Zentren.

Der albanische Ministerpräsident Edi Rama betonte in einem am Sonntag in der Tageszeitung „la Repubblica“ veröffentlichten Interview, dass Migranten die italienischen Lager keinesfalls verlassen dürfen. „Was in den Lagern passiert, fällt unter italienische Gerichtsbarkeit und geht die albanische Regierung nichts an“, sagte Rama.

Edi Rama: Kein anderes Land wird solche Zentren in Albanien haben

Im vergangenen November haben die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und Rama die fünfjährige Vereinbarung über die beiden Lager unterzeichnet. Ziel sei es, dass die Migranten außerhalb der EU verweilen, während ihre Anträge bearbeitet werden. Damit sollen die italienischen Zentren entlastet und auch Migranten abgeschreckt werden, sich auf die Reise über das Mittelmeer zu machen.

Ministerpräsident Rama sagte, Albanien sei nur bereit, so ein Abkommen mit Italien zu vereinbaren. Kein anderes Land werde ein solches Zentrum in Albanien haben, so Rama gegenüber der Presse.

Meloni erklärte außerdem im November, dass sie im Gegenzug für Ramas Unterstützung alles tun würde, um Albaniens EU-Beitritt zu unterstützen, etwas, auf das das Land schon sehr lange wartet. Albanien hat bereits im April 2009 einen Antrag auf EU-Mitgliedschaft gestellt.

Giorgia Meloni begrüßt den albanischen Premierminister Edi Rama am 16. Dezember 2023 in Rom. Foto: Franco Origlia/Getty Images

Brüssel hat keine Einwände – Menschenrechtsaktivisten warnen

Brüssel hat keine Einwände gegen das italienisch-albanische Abkommen erhoben. Die Kommission kam zu dem Schluss, dass es „außerhalb des Geltungsbereichs“ des EU-Rechts liege, so „euronews“.

In einem Brief an die Staats- und Regierungschefs der EU bezeichnete Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen das Abkommen als ein „Beispiel für ein neues Denken“, das den Ländern helfen könnte, die wachsende Zahl der illegalen Einwanderer zu bewältigen.

Während des Treffens der EU-Innenminister letzte Woche forderten Ungarn und Italien weitere sogenannte Rückführzentren in Drittstaaten, damit Migranten gar nicht erst in die EU gelangen. Auch einigten sich die EU-Minister darauf, Experten zu benennen, um weitere innovative Ideen für die Abschiebung zu erforschen.

Das italienische Modell erweist sich für viele Länder ebenfalls als attraktiv. In einem gemeinsamen Brief an die Kommission forderten 15 Mitgliedstaaten bereits im Mai die EU auf, „auf ähnlichen Modellen wie dem Italien-Albanien-Protokoll aufzubauen“.

Joachim Stamp (FDP), der Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, schlug zudem Standortmöglichkeiten vor. Er meinte, dass Einrichtungen, die von der ehemaligen konservativen britischen Regierung in Ruanda finanziert wurden, als Teil eines europäischen Plans zur Unterbringung illegaler Migranten genutzt werden könnten.

Menschenrechtsaktivisten warnen jedoch, dass Migranten in Albanien längere Unterbringung sowie Rechtsunsicherheit drohen könnten. Federica Borlizzi, eine Anwältin der italienischen Organisation CILD, bezeichnete die Zentren als „italienisches Guantánamo“. Damit bezog sie sich auf das berüchtigte US-Gefangenenlager auf Kuba, in dem mutmaßliche Terroristen inhaftiert werden.



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