Identifizierung unerwünscht: Illegaler Fischfang weltweit
Alle Schiffe weltweit sind mit dem automatischen Schiffsidentifizierungssystem, kurz AIS, ausgestattet. Durch das Senden der eigenen Position und des Kurses an andere Schiffe sollen Kollisionen auf See vermieden werden. Jedoch können diese Systeme auch von der Crew abgeschaltet werden, sodass die Schiffe „unsichtbar“ sind und nicht ohne Weiteres mehr verfolgt werden können.
Laut Forschern der University of California (USA) können diese Daten Informationen über die weltweite Fischerei liefern – einschließlich des illegalen, nicht gemeldeten und unregulierten Fischfangs.
Mithilfe einer neuen Analyse zeigen die Forscher nun absichtliche AIS-Deaktivierungen in der kommerziellen Fischerei auf. Das kann aus legitimen Gründen erfolgen, aber auch, um illegale Aktivitäten zu verbergen. Durch das Deaktivieren des AIS wurden bis zu sechs Prozent der Schiffsaktivitäten verschleiert.
Fünf Millionen Stunden Versteckspiel
Studienautorin Heather Welch vom Institut für Meereswissenschaften der University of California arbeitete während der Studie mit Forschern von Global Fishing Watch zusammen. Diese entwickelten eine Methode, um absichtliche Deaktivierungen von Lücken in der Satellitenabdeckung und anderen technischen Problemen zu unterscheiden. Für die Deaktivierungen des Systems schien es jedoch nicht nur legitime Gründe gegeben zu haben.
„Wir haben zwei Situationen gefunden, in denen dies aus potenziell ruchlosen Gründen geschieht: Entweder um an unerlaubten Orten zu fischen oder um unerlaubtes Umladen zu verschleiern“, so Welch in einer Pressemitteilung.
Dieser Datensatz ist nun einsatzbereit und Daten werden in Echtzeit erstellt, so dass sie für gezielte Kontrollen und ein besseres Fischereimanagement verwendet werden können.“
Für die Studie identifizierten die Forscher zwischen 2017 und 2019 mehr als 55.000 mutmaßliche absichtliche Deaktivierungen. Diese verdeckten fast fünf Millionen Stunden der Aktivitäten von Fischerbooten.
Fast die Hälfte der mutmaßlich verdeckten Aktivitäten ereigneten sich an vier prägnanten Stellen, von denen drei für die illegale Fischerei besorgniserregend sind. Dazu zählen der nordwestliche Pazifik und Gebiete, die an die Ausschließlichen Wirtschaftszonen (AWZ) von Argentinien und westafrikanischen Staaten angrenzen. In diesen Gebieten gibt es reiche Fischgründe mit begrenzten Kontrollen.
Fischfang in fremden Gewässern
Die Deaktivierungsereignisse konzentrierten sich auf Gewässer in der Nähe der Grenzen der Ausschließlichen Wirtschaftszonen. Laut den Forschern deutet dies darauf hin, dass die Schiffe das AIS deaktivieren, bevor sie in nicht zugelassene Gebiete einfuhren, um dort illegal zu fischen.
In vielen Fällen verschwanden die Signale, wenn sich die Schiffe der Grenze einer AWZ näherten, in der sie nicht fischen dürfen.
So kann es beispielsweise vorkommen, dass ein Schiff unter koreanischer Flagge in Richtung Argentinien fährt und dann in internationalen Gewässern außerhalb der argentinischen AWZ verschwindet.“
Vor allem innerhalb und in der Nähe von AWZs mit sich überschneidenden Ansprüchen kam es häufig zu Behinderungen. Dies geschah beispielsweise bei den Falklandinseln – einem britischen Überseegebiet, das geografisch zu Südamerika gehört. Deshalb ist dieser Ort zwischen Großbritannien und Argentinien besonders umstritten. Die politischen Konflikte könnten die Kontrollen in diesen Regionen erschweren.
Behinderungen traten auch häufig in Gebieten auf, in denen viel umgeladen wird, also wenn Fischer ihre Fänge auf Kühlschiffe umladen. Das Umladen kann ein effizienter Weg sein, um den Fang zurück an Land zu bringen und die Fischerei schnell wieder aufzunehmen. Allerdings könne dies auch dazu dienen, unerlaubte Fangtätigkeiten zu verschleiern und den illegalen Fang über das Frachtschiff zu „waschen“. Darüber hinaus kann sie Zwangsarbeit auf Fischerbooten ermöglichen, die nie einen Hafen anlaufen.
Andererseits fand die Studie auch Belege dafür, dass einige Deaktivierungen aus legitimen Gründen von Schiffen vorgenommen werden. So gab es laut Welch einige Fälle, in denen dadurch Standorte guter Fanggründe vor Konkurrenten verborgen wurden. Dies geschah beispielsweise durch amerikanische Boote in US-Gewässern vor der Küste Alaskas. „Es ist eines der am intensivsten bewirtschafteten Fischereigebiete der Welt. Diese Vorfälle stellen wahrscheinlich ein Verstecken von Standorten vor Konkurrenten dar“, so Welch.
Der andere legitime Grund für die Deaktivierung des Systems ist der Schutz vor Piraterie. „Anhand einer Datenbank historischer Angriffe können wir sehen, dass Schiffe in historisch gefährlichen Gewässern AIS ausschalten, damit die Piraten sie nicht aufspüren und abfangen können“, so Welch.
Gezielte Kontrollen
„AIS-Daten können uns viel sagen, aber ebenso ihr Fehlen“, so Tyler Clavelle, Datenwissenschaftler bei Global Fishing Watch. „Wir können vielleicht nicht immer sehen, was die Schiffe tun, aber zu wissen, wann sie ihre Aktivitäten absichtlich verbergen, liefert wertvolle Informationen. Wenn wir besser verstehen, wo sich Schiffe verstecken, können die Behörden ihre wertvollen Ressourcen auf dem Wasser strategischer einsetzen.“
In den Augen der Forscher können ihre Ergebnisse künftig zur Unterstützung von Überwachungs- und Durchsetzungsmaßnahmen eingesetzt werden. „Dieser neue Datensatz ist eine ungenutzte Ressource, die die Chance bietet, bisher unbeobachtete Verhaltensweisen und illegale Fischereiaktivitäten aufzudecken“, so Welch.
„Die Behörden könnten diese Informationen nutzen, um zu entscheiden, wohin sie Überwachungsdrohnen oder Patrouillenschiffe schicken. Außerdem könnten sie auch genutzt werden, um Hafeninspektionen auf Schiffe zu konzentrieren, die ihr AIS in der Nähe von AWZ-Grenzen oder in Umschlagshotspots deaktiviert haben.“
Die Studie erschien am 2. November 2022 im Fachblatt „Science Advances“.
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