Gerüchte über Putschgelüste gegen FPÖ-Chef Kickl
In der Ära von Bundesparteichef Norbert Steger deutete sich das Phänomen auf niedrigschwelliger Ebene an. Die Obmannschaften von Jörg Haider und Heinz-Christian Strache machten es noch deutlicher: In der Opposition werden Wahlerfolge für Österreichs führende Rechtspartei FPÖ zum Selbstläufer. In bundesweiter Regierungsverantwortung hingegen scheitert sie regelmäßig an sich selbst – durch Skandale oder Flügelkämpfe.
FPÖ profitiert von politischer Großwetterlage und Schwäche der Konkurrenz
Wären am kommenden Sonntag Nationalratswahlen, würde die FPÖ als mit Abstand stärkste Kraft daraus hervorgehen. Im August veröffentlichte Umfragen geben ihr bis zu 30 Prozent der Stimmen. Damit nähert sich die Partei wieder den historischen Höchstwerten von bis zu 34 Prozent Mitte der 2010er-Jahre.
Wie bereits in den Amtszeiten Haiders und Straches profitiert die Partei von allgemeinen Krisenstimmungen und der Schwäche der Konkurrenz. Die Inflation in Österreich ist anhaltend hoch, die Stimmung in der Bevölkerung ist angespannt.
Die SPÖ kann nach dem Zufallssieg des selbst verorteten „Marxisten“ Andreas Babler auf dem Bundesparteitag zwar die KPÖ unter der Vier-Prozent-Hürde halten. In der breiten Bevölkerung büßt sie hingegen an Anschlussfähigkeit ein.
Die ÖVP wird weiterhin von Skandalen heimgesucht, gleichzeitig gehen ihre Spitzenpolitiker immer deutlicher auf Distanz zum Verfassungsprinzip der immerwährenden Neutralität. Die Grünen werden außerhalb der eigenen Stammwählerschaft bereits seit Längerem als Preistreiber und Belastungspartei wahrgenommen.
Déjà-vu mit Blick auf die frühen 2000er?
Für die FPÖ bietet diese Ausgangslage ein leichtes Spiel. Eine Regierungskoalition gegen sie zu bilden, wäre derzeit schwierig. Allerdings gibt es im Gegenzug für die Rechtspartei auch nur eine realistische Regierungsoption – nämlich ein Bündnis mit der ÖVP. Diese schließt eine Koalition jedoch aus, solange es Bundesparteichef Herbert Kickl ist, der dort den Kurs bestimmt.
Im Jahr 2000 hatten die Bürgerlich-Konservativen unter Wolfgang Schüssel ähnliche Bedenken gegenüber Jörg Haider angemeldet. Um diesen entgegenzuwirken, gab der damalige Landeshauptmann von Kärnten den Parteivorsitz ab und agierte fortan als „einfaches Parteimitglied“.
Statt des „Populisten“ übernahmen Vertreter eines „bürgerlichen“ Kurses Partei und Regierungsverantwortung. Es dauerte zwei Jahre, bis sich abzeichnete, dass diese Ausrichtung die FPÖ Wählerstimmen kostete. Im Jahr 2002 organisierte Haider deshalb das sogenannte „Knittelfelder Treffen“, in dem der FPÖ-Regierungsmannschaft gleichsam offen das Vertrauen der Parteibasis entzogen wurde.
Wenig später zerbrach die Koalition und es kam zu Neuwahlen, bei denen die FPÖ deutliche Verluste erlitt. Sie blieb zwar noch in der Regierung, allerdings in einer gegenüber der ÖVP deutlich geschwächten Position.
Koalition zwischen ÖVP und FPÖ ohne Kickl verabredet?
Nun droht auch dem amtierenden Parteichef Herbert Kickl ein „Knittelfeld“ – zumindest behaupten dies mehrere Stimmen aus dem ultrarechten Spektrum. Sie wollen von mehreren Quellen über ein Treffen am 24. Juni im Waldviertel erfahren haben.
Beteiligt haben sollen sich Vertreter von vier FPÖ-Landesgruppen und der ÖVP. Sie sollen für den wahrscheinlichen Fall einer schwarz-blauen Mehrheit nach der Nationalratswahl, die spätestens 2024 stattfinden muss, eine Strategie entwickelt haben. Dieser zufolge wolle man „Verantwortung übernehmen“ und den „Wählerauftrag nicht an einer Person scheitern lassen“. Im Klartext bedeute dies, eine Koalition zu bilden, an der Herbert Kickl nicht beteiligt sein soll.
Die mehrere Publikationen wollen neben dieser Personalie auch eine Einigung über die inhaltliche Ausrichtung einer künftigen schwarz-blauen Regierungspolitik ausgemacht haben. So soll die FPÖ vor allem in der Außenpolitik einen Kurswechsel vollziehen – und sich gegenüber der EU, der NATO und den USA freundlicher verhalten. Vorbild sei dabei die italienische Regierung unter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni.
Kickl geht auf Konfrontation zu Landespolitikern
Eine Bestätigung über ein solches Treffen aus erster Hand gibt es nicht. Allerdings deuten einige öffentlich geführte Debatten der vergangenen Monate auf bestehende Gräben zwischen Kickl und einzelnen Landesgruppen hin.
So forderte der FPÖ-Chef jüngst eine Nullrunde für Politiker, die sowohl für den Bund als auch für die Bundesländer gelten soll. Diese solle per Zweidrittelmehrheit verankert werden. Zwar ist dieser Vorschlag aufgrund der nicht absehbaren Mehrheiten, die dafür erforderlich wären, unrealistisch.
FPÖ-Politiker wie die Parteichefs in Oberösterreich und Salzburg, Manfred Haimbuchner und Marlene Svazek, fühlten sich jedoch zu offenem Widerspruch herausgefordert. In diesen Bundesländern ist die Partei – wie auch in Niederösterreich – in der Landesregierung vertreten. Sie beharrten zumindest auf einer Inflationsanpassung auch ihrer Bezüge. Der Konflikt hat in internen Chats offenbar sogar für verbale Eskalationen gesorgt.
Shitstorm gegen Haimbuchner nach FPÖ-Unterstützung für „Aktionsplan“
Bereits zuvor hatte Haimbuchner erheblichen parteiinternen Gegenwind geerntet, als die FPÖ in Oberösterreich einen „Aktionsplan gegen Extremismus“ mittrug. Dieser schloss sich inhaltlich an die Bewertungen eines Berichts des Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) an.
Was für Unmut sorgte, war, dass darin zahlreiche Gruppen im Kontext von Extremismusvorwürfen genannt waren, die eine nicht unbedeutende Rolle für den Wiederaufstieg der FPÖ nach dem Ibiza-Tief gespielt hatten.
Neben den „Identitären“, die Kickl jüngst im „Sommergespräch“ des ORF mit NGOs verglich, ging es auch um Gegner der Corona-Maßnahmen. Vor allem aber rückte der Bericht Burschenschaften in die Nähe des Extremismus. Diese sind nicht nur historisch ein bedeutsamer Teil des sogenannten Dritten Lagers. De facto rekrutiert die FPÖ aus deren Reihen einen erheblichen Teil ihrer Mitarbeiter in Parlamenten oder Ministerien.
Haimbuchner zeigte sich zumindest in dieser Hinsicht von der Kritik beeindruckt. Im „Kurier“ bezeichnete er die Erwähnung der Burschenschaften im BVT-Bericht als eine „Frechheit“. Er wolle in diesem Punkt den Bericht „nachjustieren“.
Hat der St. Georgs-Orden seine Hand im Spiel?
Inwieweit es am 24. Juni tatsächlich ein blau-schwarzes Geheimtreffen mit Putschambitionen gegen Kickl gegeben hat, bleibt mangels eigener Aussagen von Teilnehmern ungewiss. Dass es weitreichende Kontakte zwischen ÖVP-Kreisen und Vertretern eines „bürgerlichen“ Kurses in der FPÖ gibt, ist jedoch wahrscheinlich.
Bereits im Jahr 2020 hatte es zwischen dem früheren FPÖ-Chef HC Strache und der Führung der FPÖ einen entsprechenden Konflikt gegeben. Damals ging es um den sogenannten St. Georgs-Orden. In diesem sei unter anderem der frühere FPÖ-Chef Norbert Hofer Mitglied gewesen. Strache sah in der Mitwirkung von FPÖ-Politikern in der katholisch-konservativen Vereinigung mit Nähe zum Haus Habsburg einen Verrat an freiheitlichen Traditionen.
Demgegenüber hatte Jörg Haider bereits in den 1990er-Jahren den historisch gewachsenen antiklerikalen Kurs der Freiheitlichen infrage gestellt. Unter dem Banner eines „wehrhaften Christentums“ wollte man damals für katholisch-konservative ÖVP-Kreise wählbar werden. Ein versöhnlicher Kurs gegenüber der EU und ein Bekenntnis zur „Ukraine-Solidarität“ wären auch jetzt durchaus im Sinne der „Paneuropa“-Ambitionen Habsburg-affiner Kreise der ÖVP.
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