Frankreich reißt seine Solarstraße wieder ab

Unrentabel und ineffektiv: Die erste Solarstraße der Welt, die 2016 mit großem Rummel in Tourouvre eingeweiht wurde, wird demontiert. Das Experiment kostete den französischen Steuerzahler fünf Millionen Euro.
Titelbild
Arbeiter installierten im November 2016 in Tourouvre im Nordwesten Frankreichs eine Straße mit Solarzellen. Die hohen Erwartungen konnte sie nicht erfüllen. Sie lief bis 2019, 2024 wird sie abgebaut.Foto: Charly Triballeau/AFP via Getty Images
Von 5. Juni 2024

Die erste Solarstraße der Welt, die im Dezember 2016 unter Anwesenheit der damaligen Umweltministerin Ségolène Royal in Tourouvre au Perche, Normandie, Frankreich, eingeweiht wurde, wird abgerissen. Drei Jahre verband sie nicht nur einige Häuser im Dorf, sondern auch Transport und Energieerzeugung. Seit fünf Jahren ist sie nur noch eine sehr teure Straße.

Nun wird die erste Solarstraße der Welt zurückgebaut und wie eine gewöhnliche Straße geteert. Die Arbeiten begannen am Montag, 27. Mai, und sollen bis zum 7. Juni andauern, berichtet „Le Perche“. Der Gemeinderat kündigte den Abriss am 15. Februar dieses Jahres an.

Schon seit Beginn gab es Schwierigkeiten. Die 2.800 Photovoltaik-Platten auf der ein Kilometer langen Strecke setzten Schimmel an, wurden schnell von Laub bedeckt oder durch Traktorverkehr beschädigt. Häufige Straßensperrungen aufgrund notwendiger Reparaturen machten das Projekt unrentabel.

Die Straße mit Solarzellen nach ihrer Einweihung am 22. Dezember 2016, Tourouvre (Normandie, Frankreich). Foto: Charly Triballeau/AFP via Getty Images

Zudem beschwerten sich bald die Anwohner der Nationalstraße 12 über die lauten Rollgeräusche des Solarbelags. Ein Teil der Solarpaneele musste 2018 wegen der Beschädigungen demontiert werden, 2019 stand das Projekt vor dem Aus.

Stromerzeugung blieb sehr weit unter den Erwartungen

Solarpaneele bedeckten einen Fahrstreifen der Straße, täglich benutzten diesen rund 2.000 Autos und Motorräder. Zum Schutz waren die Paneele mit einer Schicht aus Silikon und Harz überzogen. Doch die Schutzschicht konnte der Belastung nicht widerstehen.

Ein Tempolimit von 70 Kilometern pro Stunde sollte den Lärm reduzieren, wie die Contribuables Associés berichtet. Contribuables Associés ist eine französische Vereinigung zur Verteidigung der Steuerzahler, die öffentliche Geldverschwendung anprangert – ähnlich dem Bund der Steuerzahler.

Das Experiment kostete mindestens fünf Millionen Euro öffentliche Gelder. Zudem entstand ein Fresko am Straßenrand für 48.000 Euro. Zum Vergleich: Einen Kilometer „normale“ Straße gab es 2016 für rund 1.300 Euro.

Die französische Umweltministerin Ségolène Royal fasst beim Aufstellen von solarbetriebenen Straßenpaneelen mit an. Das Bild entstand am 21. März 2016 im Betriebszentrum der Autobahn L2 in Marseille, nachdem die französische Regierung beschlossen hatte, in den nächsten fünf Jahren über 1.000 Kilometer Solarstraßen zu bauen. Foto: Anne-Christine Poujoulat/AFP via Getty Images

Die Solarstraße sollte Strom aus den in den Straßenbelag integrierten Solarmodulen liefern. Ursprünglich plante man, täglich knapp 800 Kilowattstunden (kWh) Strom zu erzeugen und die Straßenbeleuchtung der 5.000-Einwohner-Gemeinde zu versorgen. Selbst zu Beginn erreichte die Straße nur die Hälfte des Solls. 2022 kamen noch durchschnittlich 61 kWh zusammen. Bei Gewittern fiel die Stromproduktion komplett aus.

Gebaut wurde die Straße vom großen französischen Bauunternehmen Colas und dem Institut National de l’Énergie Solaire. Gemeinsam entwickelten sie das sogenannte Wattway-System für den ersten photovoltaischen Straßenbelag der Welt. Die „extrem dünnen und robusten Solarmodule“, so das Konzept, sollten auf bestehende Straßen, Radwege und Parkplätze aufgeklebt werden. Seit 2015 wurden etwa 40 Pilotstandorte in mehreren Ländern errichtet, um Wattway unter realen Bedingungen zu testen.

Andere Projekte haben ähnliche Probleme

International gibt es weitere Projekte dieser Art. In den Niederlanden wurde ein 100 Meter langer Photovoltaik-Radweg namens SolaRoad gebaut, der sogar mehr Strom erzeugte als erwartet – 73 bis 93 kWh pro Quadratmeter statt geplanten 50 bis 70 kWh.

In einer Solarstraße in den USA waren vor Fertigstellung bereits 75 Prozent der Solarzellen kaputt. Ein Wert, der sich binnen einer Woche auf 83 Prozent erhöhte und die Befahrbarkeit zum Erliegen brachte. Das Projekt kostete umgerechnet rund sechs Millionen Euro.

Radfahrer nutzen die SolaRoad während der offiziellen Eröffnung in Krommenie am 12. November 2014. Der Radweg besteht aus 2,5 mal 3,5 Meter großen Betonmodulen, in die mit gehärtetem Glas abgedeckte Solarzellen eingelassen sind. Foto: AFP PHOTO/ANP/Evert Elzinga

In Erftstadt bei Köln war ein PV-Radweg mit 200 Quadratmetern geplant, der 16.000 kWh Solarstrom pro Jahr produzieren sollte. Das Projekt wurde jedoch aufgrund technischer Probleme eingestellt. Auch am Forschungszentrum Jülich wurde 2022 ein 2,4 x 1,2 Meter großer Photovoltaik-Gehweg mit 336 Watt Leistung getestet.

Freiburg eröffnete 2022 einen 300 Meter langen Radweg, der mit Solarpaneelen überdacht ist. Dieses Pilotprojekt entstand in Kooperation zwischen badenovaWÄRMEPLUS, der Stadt Freiburg und dem Fraunhofer ISE.

Entlang des Messegeländes installierten die Bauherren 912 Photovoltaik-Glas-Glas-Module mit einer sommerlichen, wolkenfreien Gesamtleistung von 287,28 Kilowattpeak. Erwartet wird eine jährliche Stromproduktion von rund 280 MWh, was dem Jahresbedarf von etwa 180 Personen entspricht. Der erzeugte Strom werde direkt in den Laboren des Fraunhofer ISE im Solar-Info-Center genutzt.

Die Überdachung schützt vor Wind und Wetter und verfügt über ein energiesparendes Beleuchtungskonzept mit Bewegungsmeldern. Die Module stammen von Solarwatt aus Dresden. Solarwatt plant, die Produktion von Solarmodulen und Batteriespeichern in Dresden im August 2024 einzustellen.



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