"Umarmungspolitik"
Finanzjournalist: China-Politik von Scholz ruft Argwohn bei Partnern hervor
Der bekannte britische Finanzjournalist Matt Oliver betrachtet Deutschlands Kanzler Olaf Scholz als Unsicherheitsfaktor beim Bemühen um eine Eindämmung der Expansionspolitik der KP Chinas. Dem Kanzler fehle es an Bereitschaft, Peking in die Schranken zu weisen.

Bundeskanzler Olaf Scholz im Bundestag in Berlin, 15. Dezember 2021.
Foto: Sean Gallup/Getty Images
Dass Machthaber Xi Jinping zu den ersten internationalen Gratulanten gehört habe, nachdem Olaf Scholz offiziell zum neuen Bundeskanzler und Nachfolger Angela Merkels gewählt worden war, kommt nach Einschätzung des bekannten britischen Wirtschaftsjournalisten Matt Oliver nicht von ungefähr.
In China wisse man, dass von Scholz eher eine Fortsetzung der „Deutschland zuerst“-Politik zu erwarten sei, die seine Vorgängerin gegenüber dem Regime in Peking gepflegt habe – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der starken Abhängigkeit deutscher Großkonzerne und Lieferketten von intakten Beziehungen zur herrschenden KP.
Hamburg als Chinas Tor nach Europa
In einer Analyse für den „Telegraph“, die auch auf der Plattform von „Yahoo News“ erschienen ist, spricht Oliver davon, dass Scholz für eine lange Tradition der Umarmungspolitik gegenüber Chinas Regime stehe. Es sei von ihm nicht zu erwarten, dass er übermäßige Anstrengungen an den Tag legen werde, um gegen Chinas Menschenrechtsverletzungen oder dessen aggressives Vorgehen in Hongkong und gegenüber Taiwan aufzutreten.
In seiner Zeit als Erster Bürgermeister der Freien und Hansestadt Hamburg habe er den Stadtstaat zu Chinas „Tor nach Europa“ ausgebaut und Hunderte Investitionen chinesischer Unternehmen angelockt. Der chinesische Schifffahrtsriese Cosco stehe davor, einen 35-prozentigen Anteil am Hafen zu erwerben, von dem aus jetzt schon eines von drei Containerschiffen nach China gehe.
Zudem habe er sich selbst am Rande des G7-Gipfels im Jahr 2017 mit Machthaber Xi getroffen, als Finanzminister Vizepremier Liu He zum Gipfel in die Hansestadt eingeladen und 2019 selbst China besucht. Statt das Thema der Menschenrechte anzusprechen, habe er bereits dort lieber für einen zeitnahen Abschluss des geplanten Investitionsabkommens zwischen der EU und China geworben.
Scholz würde für Vermeidung von Spannungen auch Partner vor den Kopf stoßen
Für ein friktionsfreies Verhältnis zum Regime in China und für die Vermeidung von Unwägbarkeiten für Konzerne wie Volkswagen, BMW oder BASF sowie die Lieferkette insgesamt wäre Scholz, so argwöhnten westliche Partner, auch bereit, seine eigenen Koalitionspartner in Berlin, die USA oder andere EU-Mitgliedstaaten vor den Kopf zu stoßen.
Es sei davon auszugehen, dass Scholz es dazu im Zweifel selbst mit dem eigenen Koalitionsvertrag nicht allzu genau nehmen werde. Dass die Versuche der grünen Außenministerin Annalena Baerbock, eine kritischere Position gegenüber Peking zu formulieren, schon am Kanzleramt scheitern könnten, deutet darauf hin, dass Scholz selbst diese als Leichtgewicht betrachte.
Der Artikel des „Telegraph“-Analysten verweist auf einen Umfang des bilateralen Handels zwischen China und Deutschland von 213 Milliarden Euro, was China als größten Handelspartner Deutschlands ausweist.
China verfügt über immense Druckmittel gegenüber Deutschland
Dass US-Präsident Joe Biden seine westlichen Partner zu einer energischeren Position gegenüber Chinas Diebstahl geistigen Eigentums, zur De-Investition in heikle Industriebereiche und zur Solidarität mit von chinesischen Übergriffen konfrontierten Ländern wie Litauen oder Taiwan anhalten will, stößt in Deutschland nicht überall auf Gegenliebe.
Für die deutschen Autohersteller sei Litauen besonders problematisch, da viele von ihnen auch dort hergestellte Teile beziehen. Gleichzeitig sind sie jedoch auch auf dem chinesischen Festland stark vertreten. Volkswagen-Chef Herbert Diess warnte erst kürzlich, dass eine Belastung der Beziehungen „sehr schädlich“ wäre.
Charles Parton, ein ehemaliger britischer Diplomat in China und Senior Associate Fellow am Royal United Services Institute, gibt sich wenig Illusionen hin: „Wenn die Deutschen ihre Politik änderten und in Bezug auf Menschenrechte und dergleichen härter durchgreifen würden, würden die Chinesen zweifellos deutsche Firmen ins Visier nehmen, um Druck auszuüben.“ Und genau das sei es, wovor Scholz Angst habe.

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