Europa-Staatssekretär: „Die Deutschen haben gewissermaßen Merkel gewählt“
Frankreich hofft auf zügige Koalitionsverhandlungen in Berlin. „Es liegt im Interesse Frankreichs, schnell eine starke Regierung in Deutschland zu haben“, sagte Europa-Staatssekretär Clément Beaune am Montag dem französischen Sender France2.
Es sollten schon jetzt informelle Diskussionen zwischen der französischen Regierung und den deutschen Parteien aufgenommen werden, damit die Arbeit miteinander funktioniere, wenn die Regierung gebildet sei. „Ich hoffe, das passiert bis Ende des Jahres“, fügte er hinzu.
„Die Deutschen haben gewissermaßen (Bundeskanzlerin Angela) Merkel gewählt“, sagte Beaune. Stabilität habe im Wahlkampf eine große Rolle gespielt, Frankreich habe keinen Richtungswechsel im Nachbarland zu befürchten. Alle Parteien, die an der Koalition beteiligt sein könnten, seien pro-europäisch eingestellt.
Freilich seien sich Frankreich und Deutschland nicht in allen Punkten einig. „Wir werden uns anpassen müssen, aber sie müssen sich auch an uns anpassen“, sagte Beaune. Mit den Sozialdemokraten sei es einfacher, über Investitionen und Haushaltsregeln zu diskutieren. Mit der CDU hingegen könne Frankreich besser über Verteidigung und Sicherheit reden, sagte Beaune.
„Differenz zu den Grünen“
„Es gibt offensichtlich eine Differenz zu den Grünen mit Blick auf die Atomenergie“, sagte Beaune. Da seien die deutschen Liberalen näher an der französischen Position. Beaune erinnerte daran, dass Frankreich sich auf EU-Ebene dafür einsetze, Atomenergie als „grüne Investition“ einzustufen.
Auf europäischer Ebene könnte Frankreich künftig mehr Gewicht als Ideengeber bekommen, sagte Beaune weiter. „Wir machen schon seit vier Jahren Vorschläge für Europa.“ Außerdem geschehe es demnächst zum ersten Mal seit 20 Jahren, dass ein deutscher Kanzler zum Antrittsbesuch zum französischen Präsidenten komme. Bisher sei dies immer umgekehrt der Fall gewesen.
EU: Aufruf zur raschen Regierungsbildung
Auch der Europaparlaments-Präsident David Sassoli hat die deutschen Parteien zu einer raschen Regierungsbildung aufgerufen. „Nach dieser historischen Krise gibt es keine Zeit zu verlieren“, schrieb der Italiener mit Verweis auf die Corona-Pandemie am Montag auf dem Kurzbotschaftendienst Twitter. „Europa braucht einen starken und verlässlichen Partner in Berlin, damit wir unsere gemeinsame Arbeit für eine soziale und grüne Erholung fortsetzen können.“
Zugleich gratulierte Sassoli Olaf Scholz und der SPD zu ihrem Wahlsieg. Der 65-Jährige ist Mitglied der italienischen Partito Democratico (PD) an, die im Europaparlament der sozialdemokratischen Fraktion angehört.
Der Vorsitzende der liberalen Renew-Fraktion im Europaparlament, Dacian Ciolos, gratulierte dem FDP-Vorsitzenden Christian Lindner. „Beeindruckende Unterstützung durch junge Wähler!“, schrieb er auf Twitter. „Die Liberalen sind in einer guten Position, das politische Schicksal Deutschlands zu beeinflussen. Es ist Zeit, Deutschland und Europa zu erneuern!“ (afp/dl)
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