EU setzt auf „De-Risking“, doch Ungarn rückt Peking immer näher
Nach milliardenschweren Infrastrukturinvestitionen aus Peking und dem Bau von gigantischen Batteriefabriken durch chinesische Konzerne kam die Ankündigung, dass bald chinesische Polizisten als „Tourismushelfer“ in Ungarn zum Einsatz kommen.
Nun könnte auch eine enge Zusammenarbeit zwischen dem öffentlichen Rundfunk in Ungarn und den staatlich kontrollierten Medien Chinas bevorstehen – eine Zusammenarbeit nicht nur technischer, sondern auch inhaltlicher Art, wie der CEO des öffentlichen Medienkonzerns MTVA betont. Außenminister Péter Szijjártó kündigte dazu größere chinesische Investitionen während seines Aufenthaltes in Peking am Dienstag, 23. April, an.
All das ist ganz im Sinne der Politik der „Öffnung nach Osten“ von Ministerpräsident Viktor Orbán, die er nun schon seit mehr als einem Jahrzehnt verfolgt.
Es stellt sich jedoch die Frage, wie der zunehmende chinesische Einfluss auf das mitteleuropäische Land mit der oft beschworenen nationalen Souveränität zusammenpasst. Warum sieht die EU die Investitionen aus Peking als bedenklich an? Handelt Orbán wirklich aus eigenem Antrieb?
Wir stellten diese Fragen nur wenige Tage vor dem Staatsbesuch des chinesischen Staatschefs Xi Jinping in Ungarn.
„Fortschrittsberichte“ vom Außenminister aus Peking
Diese Woche meldete sich Szijjártó auf seiner Facebook-Seite aus der chinesischen Hauptstadt mehrmals täglich mit „Fortschrittsberichten“. Der Außenminister meldete, dass bereits 15,3 Milliarden Euro an chinesischen Investitionen hauptsächlich in Batteriefabriken in Ungarn getätigt wurden. Der Minister betonte, dass dadurch 25.000 neue Arbeitsplätze „für ungarische Familien“ entstehen würden.
Der Ankündigung zufolge hat der Handel zwischen den beiden Ländern im letzten Jahr einen Wert von mehr als zehn Milliarden US-Dollar erreicht. Fünf chinesische Großstädte werden bald direkt von Budapest aus angeflogen werden können. Konkret bedeutet das 17 Flüge zwischen den beiden Ländern pro Woche.
„Je besser es der chinesischen Wirtschaft geht, desto besser geht es unserer ungarischen Wirtschaft“, so das Fazit von Szijjártó.
Pekings Geheimverträge und EU-Vetos
Chinesische Investitionen scheinen die ungarische Wirtschaft zu beflügeln. Allerdings könnten Vereinbarungen mit China zu rechtlichen Problemen führen. Das ist ein Risiko sowohl für Ungarn als auch für die Bündnisse, besonders die EU und die NATO, in denen das Land Mitglied ist.
Dies wurde kürzlich von Professorin Dóra Győrffy, der Vorsitzenden des Wirtschaftsausschusses der Ungarischen Akademie der Wissenschaften, in einem Podcast-Interview mit „444.hu“ diskutiert.
Als Beispiel nannte Győrffy Pekings Neue-Seidenstraßen-Initiative („One Belt, One Road“), an der sich Ungarn als erstes EU-Land beteiligt hatte. In dem Interview berichtete die Politikwissenschaftlerin von einer Untersuchung von über hundert Verträgen des Infrastrukturprogramms. Trotz der Vertraulichkeit der Informationen sei es belegt, dass China diese Investitionen besonders für politische Einflussnahme nutze.
„In den Verträgen gibt es sogenannte Kreuzklauseln. Das heißt, wenn ein Land feindliche Maßnahmen gegen China ergreift, kann China sofort den gesamten Betrag zurückfordern. […] Das gibt China einen dominanten politischen Einfluss. Zum Beispiel ist es einem Land nicht erlaubt, in internationalen Organisationen gegen China zu stimmen. So sollte man gegen eine Resolution, die China verurteilt, ein Veto einlegen“, erklärte sie.
Ein bekanntes Seidenstraßenprojekt in Ungarn ist eine neue Eisenbahnstrecke zwischen Budapest und Belgrad. Und die Summen, die dabei anfallen könnten, sind beträchtlich: Die Gesamtkosten für den 160 Kilometer langen ungarischen Abschnitt belaufen sich auf mindestens 750 Milliarden Forint (1,9 Milliarden Euro), wovon die ungarische Regierung 85 Prozent durch ein staatliches chinesisches Darlehen deckt.
Die Verträge für das Projekt – einschließlich der Bedingungen für das Darlehen – werden in Ungarn zehn Jahre lang geheim gehalten; auch der Grund für die Geheimhaltung ist geheim.
Projekte mit unsicherem Ausgang
Győrffy bemängelt an den chinesischen Investitionen in die ungarische Wirtschaft, dass sie einerseits das Land der Diktatur ausliefen und andererseits die Potenziale Ungarns völlig ignorieren. Die Projekte arbeiten oft mit chinesischen Gastarbeitern, mit Material, das aus dem Ausland kommt, und werden oft mit russischer Energie versorgt. Es sei wie kommunistische Planwirtschaft.
Außerdem stelle sich die Frage, wie zuverlässig die chinesischen Projekte seien. Vor elf Jahren wurde der Bau der Eisenbahnlinie Budapest-Belgrad beschlossen, und im Prinzip hätten die Arbeiten letztes Jahr abgeschlossen werden sollen. Jetzt ist von 2025 die Rede, aber auch 2030 ist nicht undenkbar. Einer der Hauptgründe für die Verzögerung bestehe darin, dass die chinesischen Unternehmen nicht in der Lage sind, die europäischen Standards zu erfüllen, berichtete „Radio Free Europe“ („Szabad Európa“).
Eine geplante chinesische 7,7-Milliarden-US-Dollar-Batteriefabrik in der Nähe von Debrecen, der zweitgrößten Stadt des Landes, ist unter der ungarischen Opposition und der Öffentlichkeit sehr umstritten. Zieldatum für die Fertigstellung ist 2025. Lokale Politiker meinen jedoch, dass es immer noch möglich sei, dass das gesamte Projekt scheitern wird. Sie fechten es derzeit vor Gericht an.
Der Plan, einen Satellitencampus der chinesischen Fudan-Universität in der ungarischen Hauptstadt zu bauen, wurde aufgrund des starken öffentlichen Widerstands auf unbestimmte Zeit von der Agenda der Regierung gestrichen.
Was bringt die Zusammenarbeit für China?
Für China sind die Vorteile greifbarer. Laut Győrffy sei Peking daran interessiert, seine eigenen Kapazitäten für den Aufbau von Infrastruktur im Ausland zu vernetzen, und erwartet, von seinen Investitionen zu profitieren. Neben den wirtschaftlichen Vorteilen erwarte die kommunistische Führung aber auch, dass es seine Investitionen für geopolitische und ideologische Zwecke einsetzen könne.
In der Sendung „Be Water“ in Ungarns „Tilos Rádio“ sagte die als „Ginger“ bekannte China-Expertin kürzlich, dass man in der letzten Zeit auf chinesischsprachigen Websites mehrere Artikel über Ungarn lesen könne, in denen die EU-Ratspräsidentschaft thematisiert wird. Das deute darauf hin, dass China jetzt besonders große Hoffnungen auf gute Beziehungen lege, da Budapest in der zweiten Hälfte dieses Jahres die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen wird.
Ähnlich weitreichende Pläne wurden kürzlich in einer Dokumentation von „Radio Free Europe“ („Szabad Európa“) beleuchtet. Demnach sei China besonders daran interessiert, europäische Unternehmen zu kaufen, die es mit wichtigen modernen Technologien und Know-how versorgen könnten.
In der Sendung wird auch erwähnt, dass die in Ungarn geplanten Batteriefabriken im Wesentlichen ein günstiges Umfeld für China schaffen, um mit deutschen Autoherstellern Geschäfte zu machen. Schließlich vermeidet die ungarische Regierung, die kommunistische Diktatur zu kritisieren und stellt erhebliche staatliche Subventionen für diese Investitionen bereit.
Ein nicht weniger bedeutender Vorteil für China sei, dass es seine Waren mit dem Label „Made in EU“ kennzeichnen kann, wenn es in Ungarn produziere.
Gegen den Einfluss der kommunistischen Diktatur
Obwohl die ungarische Regierung und regierungsnahe Geschäftsleute die chinesischen Investitionen mit offenen Armen zu begrüßen scheinen, kommt die Nähe zur kommunistischen Diktatur bei der ungarischen Öffentlichkeit nicht unbedingt gut an.
Die Orbán-Regierung sieht sich einer Reihe von Protesten gegen Batteriefabriken und andere Projekte, wütenden Kommentaren in den sozialen Medien und zunehmend kritischen Artikeln in oppositionsnahen Medien gegenüber.
Die Regierungspartei Fidesz sieht offiziell die Überwindung des Kommunismus als eine ihrer wichtigsten historischen Errungenschaften Ungarns an.
Unterdessen berichten die ungarischen Wirtschaftsmedien, dass in Brüssel bereits Untersuchungen aufgrund von Wettbewerbsverstößen Pekings eingeleitet wurden. Die EU wirft China vor, industrielle Überkapazitäten zu nutzen, um europäische Marktteilnehmer zu unterbieten. Dies geschehe mithilfe staatlicher Subventionen wie bei E-Autos.
Die Europäische Kommission hat sich bereits besorgt gezeigt über Budapests Kooperationen mit Peking.
Mehr über die nächsten Schritte der ungarisch-chinesischen Zusammenarbeit erfahren wir nach Xi Jinpings Aufenthalt in Ungarn zwischen dem 8. und 10. Mai, dem ersten Besuch eines chinesischen Staatschefs in 20 Jahren in Ungarn.
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