EU-Beitritt der Ukraine: Nach dem Treffen zwischen Orbán und Macron wird klar, was die Ungarn wollen

Arbeitsessen in Paris: Viktor Orbán war zu Gast beim französischen Präsidenten. Ziel des Treffens war es vor allem, einen Kompromiss über den Beitritt der Ukraine zur EU zu finden.
Titelbild
Viktor Orbán (l.) und Emmanuel Macron in Paris am 7. Dezember 2023.Foto: Pressebüro des Premierministers in Ungarn/Vivien Cher Benko
Von 10. Dezember 2023

Der ungarische Regierungschef Viktor Orbán hält die EU-Staats- und Regierungschefs auf Trab. Sie bemühen sich, ein Scheitern des letzten EU-Gipfels des Jahres zu verhindern. Nach Ansicht von Orbán habe es keinen Sinn, den EU-Beitritt der Ukraine auf die Tagesordnung des Treffens am 14. und 15. Dezember zu setzen. Denn es werde sicherlich keine Einigung in dieser Frage geben. Ebenso wenig könne es zu einer Entscheidung kommen.

Der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, konnte Orbán bisher nicht zu einem Kompromiss bewegen. Auch der französische Präsident Emmanuel Macron und der spanische Premierminister Pedro Sánchez haben diese Woche ihr Glück bei Orbán versucht. In den vergangenen Tagen wurde nun ein persönliches Treffen zwischen Wolodymyr Selenskyj und Viktor Orbán angeregt.

Orbán: Intensivierung der Zusammenarbeit, aber keine Mitgliedschaft

Orbán sprach vor dem Treffen mit Macron am Donnerstag, 7. Dezember, mit der französischen Zeitung „Le Point“, die den Artikel am Freitag veröffentlichte. Ungarische Zeitungen, die den Artikel auswerteten, hoben Orbáns Lösungsvorschläge für die Ukraine-Frage hervor.

Der Ministerpräsident schlägt vor, dass die EU ein Abkommen mit der Ukraine über eine strategische Partnerschaft abschließen solle, welches Themen wie Landwirtschaft, Zoll oder Sicherheit einschließt. Er befürwortet dabei auch einen Hilfsfonds, in den jeder Mitgliedstaat „so viel einzahlt, wie er will“, berichtet die ungarische Zeitung „Magyar Nemzet“.

Orbán sagte, er befürworte „eine Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen der EU und der Ukraine, aber das bedeutet keine Mitgliedschaft in der EU“. Wenn es gelinge, die Ukraine näher an Europa heranzuführen, könnte in einigen Jahren die Frage der Mitgliedschaft auf der Tagesordnung erscheinen.

Warum dies im Moment nicht möglich sei, Orbán erläuterte gegenüber der französischen Presse:

Aus zwei Gründen. Erstens, weil [die Ukrainer] nicht bereit sind, zu verhandeln. Zweitens, sind wir Europäer auch nicht bereit, sie als Vollmitglieder zu akzeptieren.“

Dem Regierungschef zufolge sei der Bericht der Europäischen Kommission, wonach vier von sieben Bedingungen bereits erfüllt seien, „schlicht eine Lüge“. Die Ukraine sei bekannt dafür, eines der weltweit korruptesten Länder zu sein, betonte er.

Probleme mit dem EU-Vorschlag

Nicht nur die Staats- und Regierungschefs der EU ziehen eine EU-Mitgliedschaft der Ukraine infrage. In Expertenkreisen ist das nicht anders, so Rajmund Kiss vom Mathias Corvinus Collegium, einem der ungarischen Regierung angegliederten Forschungsinstitut, gegenüber „Magyar Nemzet“.

„Einem Land, das sich im Krieg befindet, sollte keine EU- oder NATO-Mitgliedschaft versprochen werden. Wenn wir nur die Kopenhagener Kriterien von 1994 betrachten, erfüllt die Ukraine keines dieser Kriterien“, sagte Kiss.

Diese würden unter anderem Rechtsstaatlichkeit und den Schutz von Minderheiten einschließen – wo die Ukraine der ungarischen Regierung nach keine guten Karten habe. Aber auch eine funktionierende Marktwirtschaft und die Fähigkeit, dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften innerhalb der EU standzuhalten, müssen garantiert sein.

Am Donnerstag führte Ungarns Regierungschef auch ein Telefongespräch mit dem spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez. Spanien hat bis Ende des Jahres die rotierende EU-Ratspräsidentschaft inne. Orbán forderte seinen spanischen Amtskollegen auf, „zur Aufrechterhaltung der europäischen Einheit beizutragen“, und wies auf die erheblichen Unterschiede zwischen den EU-Mitgliedstaaten in der Ukraine-Frage hin.

Sánchez bezeichnete nach dem Gespräch laut „EURACTIV“ einen Beitritt der Ukraine zur EU als eine „Investition in Frieden, Sicherheit und Stabilität“ für den gesamten Kontinent. Er werde alles tun, um einen Konsens unter den EU-Mitgliedstaaten zu erreichen.

Mögliches Treffen zwischen Selenskyj und Orbán

Die ungarisch-ukrainischen Beziehungen sind belastet von dem, was Orbán als Unterdrückung der ungarischen Minderheit im Nachbarland bezeichnet, und auch von Ungarns Beziehungen zu Moskau und seiner Weigerung, Waffen an die Ukraine zu liefern.

Weiterhin gab es Anfang des Jahres Berichte der US-Geheimdienste über angebliche Pläne Selenskyjs, russisch-ungarische Gaspipelines zu sprengen. In dem geleakten Dokument des US-Geheimdienstes heißt es: „Die Ukraine sollte die Pipeline einfach in die Luft jagen, um Viktor Orbáns ungarische Industrie zu zerstören, die stark auf russisches Öl angewiesen ist.“

Nun könnte es aber zu einer Annäherung zwischen Budapest und Kiew kommen, nachdem der Leiter des ukrainischen Präsidialamtes diese Woche ein Treffen zwischen Selenskyj und Orbán vorgeschlagen hatte. Allerdings äußerte sich der ungarische Außenminister zurückhaltend zu diesem Thema. Gegenüber dem ungarischen Fernsehsender ATV sagte er, dass so ein Treffen „ohne angemessene Vorbereitung ganz sicher nicht stattfinden wird“.



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