Estlands Präsidentin: OECD muss deutsche Klimaschutzpolitik wegen Wettbewerbsverzerrung prüfen
Die estnische Staatspräsidentin und Bewerberin ums Amt der OECD-Generalsekretärin, Kersti Kaljulaid, warnt vor Wettbewerbsverzerrung und Lohndumping durch die Sozial- und Klimapolitik der Industriestaaten.
„Gerade Deutschland hat viele Ideen für einen schnellen Umstieg zur Klimaneutralität. Aber kein Staat darf dabei seine eigenen Unternehmen einseitig fördern“, sagte Kaljulaid dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Donnerstagausgaben, 7. Januar).
Der CO2-Ausstieg müsse marktbasiert organisiert werden. „Die OECD muss also prüfen, ob wir Märkte unter dem Vorwand des Klimaschutzes abriegeln.“ Neben dem Klimaschutz gelte das auch für Sozialleistungen, die sich wie verdeckte Wirtschaftshilfen auswirken könnten.
„Die Arbeitgeber haben Wege gefunden, nicht die vollen Kosten zu zahlen, die ihre Belegschaft erzeugt“, sagte die estnische Präsidentin dem RND. „Denn viele Staaten subventionieren indirekt die billigen Arbeitskräfte: durch Aufstockungen von Mindestlöhnen und Sozialleistungen, auch durch Sozialwohnungen.“ Nur so könnten Unternehmen Löhne zahlen, die zum Leben nicht reichen.
Kaljulaid wirbt für digitale Identitäten, die die Staaten vergeben sollen
Im Rahmen ihrer OECD-Kandidatur wirbt Kaljulaid für einen soliden internationalen Rechtsrahmen, der die längst übliche Praxis grenzüberschreitender digitaler Dienstleistungen stärker absichert und reguliert. „Die Staats- und Regierungschefs der EU erkennen inzwischen an, dass es nicht unsere Entscheidung ist, ob wir digitale Dienstleistungen ermöglichen. Denn Käufe und Verträge werden ja längst digital abgewickelt also müssen wir sie regulieren“, sagte die Ökonomin und Digitalexpertin dem RND.
„Staaten und Konzerne dürfen nicht länger unreguliert auf dem internationalen Arbeitsmarkt um Computer-Arbeiter in aller Welt konkurrieren.“ In allen Staaten der Welt gebe es Computer-Arbeiter verschiedenster Qualifikationen, die ihre Arbeitskraft weltweit anbieten können.
„Es wäre großartig, wenn sie ohne die rechtlich und physisch harte Einreise in Europa arbeiten könnten von zu Hause aus“, so Kaljulaid.
„Aber dafür braucht es verschlüsselte Verbindungen, digitale Signaturen und vor allem eine faire Aufteilung der Arbeitskräfte zwischen reichen und ärmeren Staaten.“ Dabei müsse sowohl Lohn-Dumping vermieden werden, als auch Braindrain „digitaler Nomaden“ aus den armen Ländern in die reichsten Staaten, so die estnische Präsidentin.
Auch um die straf- und steuerrechtlichen Regeln des analogen Raums auch online durchzusetzen, müssten die Nationalstaaten gemeinsam tätig werden, so Kaljulaid. „Um die Flucht von Digital-Arbeitern und ihren Auftraggebern in die Anonymität zu vermeiden, braucht es eine digitale Identität, die können nur Staaten vergeben.“ (dts)
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