„Einfach und primitiv“: Warum die Ukraine Orbáns Vorschlag zum Waffenstillstand ablehnt

Ungarns Vorschlag einer Waffenruhe in der Ukraine wurde abgelehnt. Ukrainische Regierungskreise sowie USA und NATO beziehen in dieser Frage klar Stellung. Doch es gibt auch Unstimmigkeiten.
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Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán spricht mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj während des Gipfels des Europäischen Rates am 27. Juni 2024 am Sitz der EU in Brüssel.Foto: Olivier Hoslet/POOL/AFP via Getty Images
Von 4. Juli 2024

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Der ukrainische Präsident Volodymyr Selenskyj hat den Vorschlag zu einem Waffenstillstand in seinem Land zurückgewiesen. Viktor Orbán machte die Proposition am Dienstag, 2. Juli, bei einem Regierungstreffen in Kiew. Ein Waffenstillstand solle die Friedensgespräche beschleunigen und weiteres Blutvergießen stoppen, so Orbáns Gedanke. Die Ukraine lehnt dies jedoch ab.

Der stellvertretende Leiter der ukrainischen Präsidialverwaltung, Ihor Zhovka, sagte nach Angaben des „Kyiv Independent“, das Treffen in Kiew habe Viktor Orbán nur „die Gelegenheit gegeben, seine Gedanken zu äußern“. Der ukrainische Präsident habe ihm Gehör geschenkt und im Gegenzug die Position der Ukraine erläutert, „die klar, verständlich und bekannt ist“. Ein Waffenstillstand würde nur den Russen in die Hände spielen, betonte Zhovka.

Nach dem Treffen in Kiew betonten auch die USA und die NATO, dass es keine Waffenruhe geben sollte. Trotz der Ablehnung eines Waffenstillstands seitens Selenskyjs und seiner Unterstützer gibt es innerhalb der Alliierten Unstimmigkeiten über die künftige Finanzierung des Krieges in der Ukraine.

Vorschlag zum Waffenstillstand abgelehnt

Die Idee eines Waffenstillstands hat die ukrainische Führung dem Bericht von „Kyiv Independent“ zufolge schon früher abgelehnt. Eine Waffenruhe würde nur dazu beitragen, dass Russland seine Streitkräfte in aller Ruhe verlagern könne.

Dass die ukrainische Regierung einem Waffenstillstand ablehnend gegenübersteht, zeigte auch der X-Eintrag von Mihajlo Podolyak. Nach dem Treffen mit Orbán in Kiew schrieb der ukrainische Präsidentenberater, der vorgeschlagene Waffenstillstand sei „einfach und primitiv“. Der Berater meinte, Russland flehe durch „seltsame Vermittler“ darum, nicht auf seinem Territorium angegriffen zu werden, während es an der Grenze zusätzliche Ressourcen für einen weiteren Angriff auf die Ukraine aufbaue.

„Sehr interessante Vorschläge: Die Ukraine soll sofort und einseitig das Feuer einstellen (Sarkasmus). Insbesondere sollen die Angriffe mit zerstörerischen Langstreckenwaffen eingestellt werden. Vor allem die Angriffe auf die von Russland besetzten Gebiete und in den russischen Grenzgebieten“, so Podoljak.

Der Diplomat verwies darauf, dass Russland in der Zwischenzeit seine Angriffe fortsetzen könne. Dass es sich nur um einen einseitigen Waffenstillstand handeln würde, habe der russische Außenminister Sergej Lawrow wiederholt erklärt. Demnach würde Russland die Angriffe auf das ukrainische Territorium nicht stoppen, selbst wenn der Verhandlungsprozess beginne.

US-Außenministerium zu möglicher Waffenruhe

Indes äußerten sich auch die USA zur vorgeschlagenen Waffenruhe. „Es gibt wirklich nur eine Lösung, nämlich dass Russland die Ukraine verlässt“, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Vedant Patel, bei einem Briefing in Washington.

Patel betonte, jede Nation habe das Recht, über die Politik seines Landes zu sprechen und diese zu bestimmen. Dennoch hätten die USA und das NATO-Bündnis all ihren Partnern und Verbündeten die für sie einzig akzeptable Position klargemacht.

„Alle Länder, die Einfluss haben oder eine Rolle spielen, müssen alle Anstrengungen unternehmen, um sicherzustellen, dass sich Russland vollständig aus der Ukraine zurückzieht“, betonte Patel.

In Bezug auf Orbáns Vorschlag sagte Patel, er überlasse es seinen Partnern in Ungarn, „die Äußerungen von Herrn Orbán in den richtigen Kontext zu stellen. Oder zu verdeutlichen, wenn sie wünschen, dies zu tun“.

Schwierige Planung für die Zukunft

Trotz der von Patel betonten „klaren Position“ seitens der Alliierten zum Krieg in der Ukraine scheinen sich die NATO-Mitgliedstaaten nicht in allen Punkten einig zu sein.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg scheiterte mit dem Vorhaben, die Bündnisstaaten zu mehrjährigen Verpflichtungen für Militärhilfen in der Ukraine zu bewegen. Die 32 Alliierten konnten sich im Vorfeld eines Gipfeltreffens in Washington lediglich darauf verständigen, innerhalb des nächsten Jahres Unterstützung im Umfang von mindestens 40 Milliarden Euro zu leisten, wie die „Deutsche Presse-Agentur“ aus mehreren Delegationen erfuhr.

Eine konkrete Vereinbarung zur Frage, welches Land wie viel beisteuert, konnte den Angaben zufolge nicht getroffen werden. Die NATO-Staaten halten demnach nur vage fest, dass das Bruttoinlandsprodukt eine Rolle spielen sollte.

Stoltenbergs ursprünglicher Wunsch war es, mindestens 40 Milliarden Euro pro Jahr für den Krieg in der Ukraine zu garantieren. Die gerechte Lastenteilung hätte demnach auf der Grundlage des Bruttoinlandsprodukts der einzelnen Mitgliedstaaten berechnet werden sollen. Dies würde bedeuten, dass die Vereinigten Staaten, Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Italien den weitaus größten Teil der jährlichen Unterstützung zahlen würden. Das Ergebnis der Sitzung zeigte jedoch, dass eine längerfristige Planung derzeit nicht möglich ist.

Orbáns Gespräche in Kiew könnten dennoch hilfreich gewesen sein – selbst wenn die USA und die Ukraine nicht über einen Waffenstillstand verhandeln wollen. Orbán hat sein Versprechen gegeben, der NATO über seine Gespräche mit Selenskyj detailliert zu berichten. Der ungarische Regierungschef erhofft sich davon, dass dies bei der Ausarbeitung künftiger Lösungsvorschläge hilfreich sein wird.

Ungarn hat zum 1. Juli den Ratsvorsitz in der Europäischen Union übernommen. Die Amtszeit beträgt sechs Monate.

(Mit Material der Nachrichtenagenturen)



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