Deutlicher Rückgang der Asylanträge: Wie Dänemark das geschafft hat
Während in Ländern wie Deutschland die Anzahl der Asylbewerber nach wie vor deutlich im Steigen begriffen ist, ist in Dänemark seit Längerem ein gegenläufiger Trend zu beobachten. Bereits in den Jahren zwischen 2014 und 2019 ist die Anzahl der Asylanträge dort um nicht weniger als 82 Prozent gesunken. Auch im Jahr 2023 bewegt sich die Anzahl der Schutzsuchenden in Dänemark monatlich im niedrigen dreistelligen Bereich.
Für einige EU-Länder wurde das skandinavische Land zu einem potenziellen Vorbild für eine restriktive Asylpolitik. So besuchte im Jahr 2021 Österreichs damaliger Innenminister Karl Nehammer Kopenhagen, um sich dort Anregungen zu holen. Mittlerweile will auch Schweden dem Beispiel folgen – und für Asylsuchende möglichst unattraktiv werden.
Österreich und Schweden sehen Dänemark als Vorbild
Nehammer hatte sich damals vor allem für die Bemühungen der dänischen Regierung interessiert, Abkommen mit Drittstaaten in Afrika oder dem Nahen Osten zu schließen. Diese sollten sich bereit erklären, Asylverfahren durchzuführen und im Fall eines positiven Abschlusses die Flüchtlinge auch zu beherbergen. Im Fall einer Ablehnung sollten sie auch die Abschiebung veranlassen.
Dänemark solle demnach nur noch Flüchtlinge aufnehmen, die über Resettlement-Programme ins Land kämen. Dafür wolle die Regierung in Kopenhagen den betreffenden Ländern Geld geben. Mit dem Kosovo hat man ein Abkommen über die Durchführung von Abschiebehaft bereits geschlossen. Nach britischem Vorbild strebt man auch eines mit Ruanda an, das jedoch bis dato noch nicht besteht.
Die EU-Kommission hatte die Pläne ursprünglich scharf kritisiert und als Verstoß gegen EU-Recht bezeichnet. Im Juni hatte Brüssel jedoch selbst ein Abkommen mit Tunesien geschlossen, das zum Ziel hatte, die Einreise von Asylsuchenden in die Staatengemeinschaft zu verhindern.
Sozialdemokraten führten Politik der Abschreckung fort
Analysten befassen sich zudem jedoch auch mit der Frage, inwieweit noch weitere Maßnahmen dänischer Regierungen dazu beigetragen haben, Asylsuchende abzuschrecken. Als ein potenzieller Grund für die sinkenden Asylbewerberzahlen gilt auch eine deutliche Absenkung des Sozialhilfeniveaus. Im Jahr 2015 hatte Dänemarks Regierung sogar im Libanon eine Anzeigenkampagne gestartet, um Fluchtwillige abzuschrecken.
Zuvor hatte im Jahr 2002 eine Mitte-Rechts-Regierung die Sozialleistungen für Nicht-EU-Bürger um 50 Prozent gekürzt. Im Jahr 2012 kam ein Mitte-Links-Kabinett an die Macht, das diese Regelung wieder zurücknahm. Allerdings stellte ein Machtwechsel im Jahr 2015 den Status quo ante von 2002 wieder her.
Im Jahr 2019 kam ein sozialdemokratisches Kabinett ans Ruder, das die Politik der Abschreckung fortführte – auch, um die rechtsradikale „Dänische Volkspartei“ einzudämmen. Diese hatte zuvor bis zu 21 Prozent der Stimmen auf sich vereinigen können.
Rückgang von Leistungen und Rückgang von Asylanträgen verliefen parallel
Derzeit erhalten erwachsene Asylsuchende in Asylbewerberunterkünften, wie „correctiv.org“ erhoben hat, einen Tagessatz von 56,59 dänischen Kronen (7,60 Euro). Mit dieser Summe sollen sie unter anderem die Kosten für Lebensmittel und Hygieneprodukte bestreiten. Wer mit einer Partnerin oder einem Partner in der Unterkunft zusammenlebt, bekommt 44,81 Kronen (6,02 Euro).
Mahlzeiten statt Geld erhalten Personen, deren Asylantrag in letzter Instanz abgelehnt wurde, solange keine Abschiebung ansteht. Dem „Deutschlandfunk“ zufolge kürzte Dänemark 2015 seine Sozialleistungen von 1.450 Euro im Monat für Alleinstehende auf 800 Euro. Geflüchtete könnten sich im Fall des Bestehens eines Sprachtests für Fortgeschrittene weitere 200 Euro sichern. Zudem behalte sich die dänische Regierung vor, Geflüchteten ihre Wertsachen abzunehmen.
Die Politik der Kürzung von Sozialleistungen und die rückläufigen Asylantragszahlen in Dänemark bewirkten Debatten darüber, ob und inwieweit zwischen beiden ein direkter Zusammenhang bestehe. Eine Untersuchung von Wissenschaftlern der US-amerikanischen Princeton-University bejahte einen solchen Zusammenhang. Dies habe eine Untersuchung über die Entwicklung von Einwanderung und Sozialleistungen für Einwanderer in Dänemark zwischen 1980 und 2017 bestätigt.
Zweifel an kurzfristiger Bedeutung der Höhe von Sozialleistungen
Demgegenüber bestreitet Marcus Engler vom Deutschen Zentrum für Integrations- und Migrationsforschung in Berlin zumindest eine kurzfristige Kausalität dieser Art. Er äußerte gegenüber dem MDR:
Die Situation von Flucht ist häufig gekennzeichnet von sehr kurzfristigen Entscheidungen und auch von sehr eingeschränkten Möglichkeiten, überhaupt irgendwohin zu kommen.“
Vieles deutet darauf hin, dass auch andere Faktoren eine Rolle bei der Auswahl des Asyllandes spielen. In Dänemark haben sowohl die Mitte-Rechts-Koalition der Jahre 2015 bis 2019 als auch die Sozialdemokraten darüber hinaus auf unfreundliche Akte gesetzt, um Migranten abzuschrecken, die man als nicht „westlich“ genug ansah.
Mit der Brechstange gegen vermeintliche „Kinderehen“
Angeblich, um „Kinderehen“ zu bekämpfen, hatte die damalige Ministerin für Immigration, Inger Støjberg, verheiratete syrische Flüchtlingspaare getrennt, bei denen mindestens ein Partner minderjährig war. Eine Einzelfallprüfung hatte sie nicht veranlasst. Wegen vorsätzlichen rechtswidrigen Handelns im Ministeramt verurteilte sie ein Gericht im Dezember 2021 zu 60 Tagen Haft.
Aber auch die Sozialdemokraten greifen zu paternalistischen Praktiken, um die Bildung angeblicher Parallelgesellschaften zu unterbinden. Um „Gettos“ den Kampf anzusagen, werden mehrere Kriterien definiert, auf deren Basis Wohnviertel beurteilt werden. Erreichen die Quartiere diese nicht, kann notfalls mittels Zwangsumsiedlungen die gewünschte soziale Balance wiederhergestellt werden.
Kritiker ziehen bezüglich der Bewertungen und der damit verbundenen möglichen Konsequenzen bereits Vergleiche mit Sozialkreditsystemen.
Eigene Staatsbürger verließen Dänemark wegen restriktiver Familienzusammenführung
Im Jahr 2018 hatte auch Till Nikolka vom ifo-Institut untersucht, wie sich in Dänemark die Verschärfung der Regeln zur Familienzusammenführung ausgewirkt hätten. Das Ergebnis: Es wanderten nicht nur weniger Menschen in Dänemark ein. Es wanderten sogar zahlreiche dänische Staatsangehörige mit Migrationshintergrund nach Schweden aus.
Sein ifo-Kollege Panu Poutvaara macht in diesem Zusammenhang deutlich, dass sich das Ausmaß der Zuwanderung nach Europa insgesamt durch die Abschreckungspolitik des skandinavischen Landes nicht verändert habe. Die Migranten, die in die EU wollten, haben sich dennoch auf den Weg gemacht – nur sind sie eben nicht nach Dänemark gegangen.
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