Forscher bestätigen: Sozialleistungen wirken tatsächlich anziehend bei der Migration

Befürworter einer Politik der offenen Grenzen stellen regelmäßig in Abrede, dass vor allem die Höhe der Sozialleistungen Deutschland für Zuwanderer attraktiv macht. Eine Forschergruppe weist nun am Beispiel Dänemarks eindeutige Zusammenhänge nach.
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Migranten unterwegs in und nach Westeuropa – viele wollen nach Deutschland.Foto: ELVIS BARUKCIC/AFP via Getty Images
Von 22. November 2019

Neben den humanitären Aspekten, die für einen solchen Schritt gesprochen hätten, führten Befürworter der offenen Asylpolitik, die Bundeskanzlerin Angela Merkel 2015 verkündet hatte, einen weiteren Narrativ an, dem zufolge eine solche Maßnahme Deutschland dauerhaft nur nutzen würde.

Dieser bemühte gerne den Vergleich mit Ländern wie den USA, die seit ihrer Gründung Menschen aus aller Welt dazu motiviert hatten, selbst unter schwierigsten Bedingungen den Weg dorthin anzutreten und dort ihr Glück zu suchen. Dementsprechend könne man auch in Deutschland damit rechnen, auf motivierte, dankbare und der deutschen Gesellschaft mit Bewunderung begegnende Migranten hoffen.

Wollen Migranten nach Deutschland, weil sie dessen offene Gesellschaft schätzen?

Dass der Großteil jener Asylsuchenden, die sich seit 2015 auf den Weg über das Mittelmeer oder die Balkanroute nach Europa gemacht hatten, Deutschland als Wunschziel ansteuerte, wurde vielfach auch als Beweis dafür präsentiert, dass die liberale Demokratie und offene Gesellschaft deutscher Prägung in aller Welt als Vorbild angesehen würden.

Hinweise, dass Deutschland vor allem deshalb ein so beliebtes Zielland sein könnte, weil der Grenzübertritt einfach und die Sozialleistungen hoch seien, wurden nicht selten als rechtspopulistische Hetze und Fake-News abgetan. Das Flüchtlingshochkommissariat der UNO (UNHCR) mobilisiert gar seine Faktenchecker, um der Annahme entgegenzutreten, Asylsuchende könnten auch deshalb lieber nach Deutschland gehen als in Griechenland oder Mazedonien zu bleiben, weil die Sozialleistungen hier deutlich großzügiger wären.

Dies könne nicht sein, heißt es dort, weil es zum Teil nur Sachleistungen gäbe, nicht alle medizinischen Leistungen gewährt würden und Asylsuchenden darüber hinaus oft weniger an Geldleistungen zustünden als bedürftigen Deutschen. Kaum einer würde demnach eine lange und riskante Reise für ein solches Leistungsniveau in Kauf nehmen. Unerwähnt bleibt, dass ein Leben auf Hartz-IV-Niveau in Deutschland durchaus einem Standard entspricht, der immer noch höher ist als der eines erheblichen Teils der Erwerbstätigen in den Herkunftsländern.

Materielle Werte geben den Ausschlag

Eine Forschergruppe um den Princeton-Ökonomen Henrik Kleven zeigte nun auf, dass die materiellen Werte, die Einwanderungswillige in einem Land zu erwarten haben, durchaus schwerer wiegen können als vermeintliche oder tatsächliche ideelle. Wie die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ schreibt, hatten die Forscher am „National Bureau of Economic Research“ die Entwicklung der vergangenen Jahre in Dänemark unter die Lupe genommen.

Die Wahl fiel vor allem deshalb auf das skandinavische Land, weil dieses über einen stark ausgebauten Sozialstaat verfügt, in den vergangenen Jahren aber die Hürden für Nicht-EU-Bürger, diesen in Anspruch nehmen zu können, deutlich erhöht hat.

Zudem hatten Regierungswechsel dabei auch zu kurzfristigen Änderungen geführt: 2002 kürzte die Mitte-Rechts-Regierung die Sozialleistungen für Nicht-EU-Bürger um 50 Prozent, 2012 kam ein Mitte-Links-Kabinett an die Macht, das diese Regelung wieder zurücknahm, ehe 2015 die Mehrheiten wieder wechselten und der Status quo ante von 2002 wiederhergestellt wurde. Die Leistungskürzungen ab 2015 wurden zudem auch mittels mehrerer Inserate in libanesischen Zeitungen gegenüber dem potenziellen Zielpublikum kundgemacht.

Über den Effekt schreibt die FAZ:

„Mit der Kürzung der Sozialleistungen für Nicht-EU-Ausländer im Jahr 2002 ging die Nettoeinwanderung aus dieser Einwanderungsgruppe im Vergleich zu den durchschnittlichen jährlichen Migrationsbewegungen vor der Gesetzesänderung um 5000 Personen im Jahr zurück. Und nicht nur das: Als die Mitte-links-Regierung das Gesetz wieder zurückdrehte, stiegen die Einwanderungszahlen aus der betroffenen Ländergruppe umgehend wieder an – und zwar fast in der gleichen Höhe, wie sie zuvor zurückgegangen waren.“

Migranten kamen trotzdem – sie leben nur woanders

Ein ähnlicher Effekt hatte sich bereits im Vorjahr nachweisen lassen. Damals hatte Till Nikolka vom ifo-Institut untersucht, wie sich in Dänemark die Verschärfung der Regeln zur Familienzusammenführung ausgewirkt hätten. Das Ergebnis: Es wanderten nicht nur weniger Menschen in Dänemark ein – es wanderten sogar zahlreiche dänische Staatsangehörige mit Migrationshintergrund nach Schweden aus.

Sein ifo-Kollege Panu Poutvaara macht in diesem Zusammenhang deutlich, dass sich das Ausmaß der Zuwanderung nach Europa insgesamt dadurch nicht verändert habe. Die Migranten, die in die EU wollten, haben sich dennoch auf den Weg gemacht – nur sind sie eben nicht nach Dänemark gegangen.



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