Chinas Studenten-Spionage: Universitäten in Europa beginnen umzudenken

Ein altes Problem, lange vernachlässigt: Spionage durch Studenten aus China. Ein Umdenken über den kommunistischen Staat und seine Methoden hat begonnen.
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Studenten (Symbolbild).Foto: Istockphoto/Aaron Hawkins
Von 8. Juni 2023

„Wir haben 40.000 chinesische Studenten im Land, die alle verpflichtet werden können, den Nachrichtendiensten zuzuarbeiten“, warnte kürzlich BND-Chef Bruno Kahl. Medienberichten zufolge heiße es aus Sicherheitskreisen, dass China verstärkt Wissenschaftler ins Ausland schicke, um innovative Technologien zu stehlen. Auch an den Universitäten Europas wird man vorsichtiger, etwa in den Niederlanden und in Schweden. Man verweist beispielsweise auf Doktoranden von den „Sieben Söhnen der Nationalen Verteidigung“ und das China Scholarship Council (CSC).

Ein altes, ungelöstes Problem

Die Zeit der deutsch-chinesischen Träumerei ist vorbei. Vorbei der einseitig getrübte Blick auf den vermeintlich gigantischen chinesischen Markt und vorbei auch die idealistische Wunschvorstellung, das diktatorische kommunistische Regime in Peking durch gleichberechtigten Handel zu einem demokratischen Wandel zu bewegen. Seit man auch in Deutschland die Gefahren durch die „trojanischen“ Konfuzius-Institute und die illegalen chinesischen Auslandspolizeistationen ernst genommen hat, schaut man hierzulande nun auch kritischer auf die chinesischen Studenten und Wissenschaftler – nicht grundlos.

Dabei gibt es Warnungen schon lange. 2005 berichtete die Epoch Times über ein chinesisches Spionagenetzwerk, dessen Spur zu einem chinesischen Studentenverein in der belgischen Universitätsstadt Löwen führte. „Mehrere Nachrichtendienste haben dieses Netzwerk seit fast zwei Jahren beobachtet. Es scheint aber so, als ob auf politischer Ebene ein Vorgehen unerwünscht ist, um das Verhältnis zu China nicht zu stören“, erklärte damals Claude Moniquet, CEO von ESISC, einem Privatunternehmen in Brüssel, das sowohl Regierungen als auch Privatfirmen in Sicherheitsfragen auf höchstem Level berät.

Gefährliche Zusammenarbeit mit Patentenklau

Dieser Tage berichtete das „Handelsblatt“ von einem aufgedeckten Spionagefall, der sich in einer norddeutschen Firma für Medizintechnik zugetragen hatte. Der Fall nahm 2015 seinen Anfang, als der chinesische Gastwissenschaftler in die Firma kam. Wie sich nach seiner Rückkehr nach China herausstellte, hatte der Chinese Technologie der Firma gestohlen und in China zum Patent angemeldet. In China arbeitete der Wissenschaftler fortan als Professor an der Northwestern Polytechnical University in Xian, die zu den „Sieben Söhnen der Nationalen Verteidigung“ zähle und mit den anderen „Söhnen“ an der Spitze der militärischen Forschung Chinas stehe.

Bei der späteren Untersuchung des Falls entdeckte man Backup-Dateien mit Bildern aus Laboren des Unternehmens, zu denen der Doktorand gar keinen offiziellen Zugang gehabt habe.

Dem Bericht zufolge sprach Bundesinnenministerin Nancy Faeser von einer „erheblichen Gefahr“ durch chinesische Spionage in Wirtschaft, Industrie und Wissenschaft. „Für mich gibt es drei Sicherheitsprioritäten im Umgang mit China: Risiken erkennen, Gefahren abwehren, Abhängigkeiten vermeiden“, so die Ministerin. Zukünftig wolle man die Visa-Vergabe an chinesische Studenten eingehender prüfen.

Schnittstelle Uni als trojanisches Pferd

In dem Zeitungsbericht wird auch der Fall einer süddeutschen Halbleiterfirma erwähnt. Die Gefahr für das Unternehmen lauerte demnach in der Verzahnung mit dem Wissenschaftssektor. Viele Chinesen sind an deutschen Universitäten zugange, die über Kooperationen mit Unternehmen Zugang zu deren internen Systemen haben, erklärt ein Sicherheitsexperte.

Bereits im März berichtete der „Focus“ von Knebelverträgen chinesischer Studenten in Deutschland durch das CSC. Die dem Bildungsministerium in Peking unterstehende Organisation forderte im Gegenzug zu staatlichen Stipendien regelmäßige Berichterstattung – und wohl noch mehr.

Die deutsche China-Expertin Dr. Mareike Ohlberg vom Berliner Mercator Institute for China Studies (MERICS) ist Kennerin der chinesischen Ideologie- und Medienpolitik. Sie berichtet vom „Kontrollwahn“ der Kommunistischen Partei Chinas (KPC) und deutlichen Mobilisierungsaufrufen in den Verträgen des CSC mit den chinesischen Studenten. Sie berichtet von einem Klima der Angst, dem die Studenten ausgesetzt sind. Dies führe zur Selbstzensur, so die Expertin.

Doch nicht nur Studenten mit CSC-Verträgen unterliegen dieser Angst und Selbstzensur. Gespräche der Expertin mit weiteren (Nicht-CSC-)Studenten brachten das gleiche Resultat der Angst vor dem chinesischen Überwachungsstaat hervor.

Niederlande: keine Staats-Doktoranden aus China mehr

Auch in anderen europäischen Ländern kennt man das Sicherheitsproblem. Der niederländische Bildungsminister Robbert Dijkgraaf sagte auf einer Pressekonferenz im April, dass man eine gründliche Untersuchung einleiten werde, um die Risiken der Aufnahme von Doktoranden mit solchen (CSC-)Stipendien zu bewerten, wie die chinesischsprachige Epoch Times berichtet.

Mittlerweile lehnen viele Unis in den Niederlanden die Zusammenarbeit mit vom chinesischen Staat finanzierten Doktoranden ab. Es gibt dort aktuell rund 2.000 chinesische Doktoranden an Unis. Doch man wird vorsichtiger und zurückhaltend, vor allem, wenn es um Studenten geht, die von Chinas Bildungsministerium gefördert werden.

Chinas „Sieben Söhne der Nationalen Verteidigung“

Besonders in sensiblen Forschungsbereichen, wie etwa bei Dual-Use-Techologien, also zivil und militärisch nutzbaren, nehme beispielsweise die Technische Universität Delft keine solchen Doktoranden aus China mehr auf. Ebenso kämen keine Studenten der chinesischen Nationalen Universität für Verteidigungstechnologie in Betracht oder Doktoranden von den mit dem Militär verbundenen „Sieben Söhnen der Nationalen Verteidigung“, die da wären:

  • Peking Universität für Raum- und Luftfahrt (Beijing University of Aeronautics and Astronautics)
  • Technische Universität Peking (Beijing Institute of Technology)
  • Polytechnische Universität Harbin (Harbin-Institut für Technologie)
  • Technische Universität Harbin (Harbin Engineering University, HEU)
  • Nanjing-Institut für Technologie
  • Northwestern Polytechnical University in Xian
  • Nanjing Universität für Raum- und Luftfahrt (Nanjing University of Aeronautics and Astronautics)

Die TU Delft hat derzeit noch 242 solche Doktoranden an Bord und die Uni Maastricht 182. Wie Delft, so nimmt auch Maastricht fortan keine Doktoranden der „Sieben Söhne“ mehr auf – ebenso die Universitäten Wageningen, Utrecht und andere.

Schweden: Keine Aufnahme von Chinas Staatsstudenten

In Schweden ist man noch konkreter. „Es gibt Unklarheiten darin (in der unterzeichneten öffentlichen Vereinbarung der chinesischen Studenten im Ausland), zum Beispiel, was bedeutet ‚gegen Chinas nationale Interessen‘? Deshalb haben wir beschlossen, vorerst keine weiteren (chinesischen) Doktoranden über das CSC anzuwerben“, erklärte Professor Bob Harris, stellvertretender Dekan für wissenschaftliche Forschung am Karolinska Institutet (KI) in Schweden. Diese weltbekannte medizinische Forschungseinrichtung ist unter anderem für die Bewertung und Verleihung des Nobelpreises für Physiologie oder Medizin zuständig. Im Rahmen einer Partnerschaft mit dem CSC nahm die Universität pro Jahr mehr als 30 CSC-Studenten mit einem sogenannten Chinese Government Scholarship (Chinesisches Regierungsstipendium) an.

Doch damit ist Schluss. Wie die chinesischsprachige Epoch Times berichtet, hätten auch drei weitere renommierte schwedische Universitäten beschlossen, keine CSC-Studenten mehr zuzulassen, und eine wachsende Zahl schwedischer Universitäten erwägt, die Zulassung von CSC-Studenten auszusetzen oder ganz einzustellen.

Eine Studentin packt aus

Auslöser für die wachsende Zahl schwedischer Universitäten, die chinesische Studierende ablehnen, war ein dramatischer Vorfall an der Universität Lund in Südschweden im Jahr 2020.

Zu Beginn der Corona-Pandemie geriet eine chinesische Doktorandin aufgrund der herrschenden Umstände mit ihrer Arbeit in Rückstand. Sie schnitt in einer Zwischenprüfung nicht gut ab, sodass es sehr wahrscheinlich war, dass sie ihr Studium nicht rechtzeitig abschließen konnte. „Plötzlich wurde sie sehr nervös“, erinnert sich Professor David Bryder, der damalige Betreuer der chinesischen Doktorandin an der Universität Lund. „Wir versuchten zu verstehen, warum, und da erzählte sie uns diese Dinge: Sie hatte eine (CSC-)Vereinbarung auf Englisch, die vernünftig erschien, aber sie hatte auch eine Vereinbarung auf Chinesisch“, so der Professor.

Die chinesische Studentin erklärte, dass ihre Familie gezwungen sein könnte, „das Geld zurückzuzahlen und sogar mit einer Geldstrafe rechnen müsste, wenn sie ihr Studium nicht rechtzeitig abschließen würde“. Sie legte ein CSC-Abkommen in chinesischer Sprache vor, unterschrieben von ihrer Familie, bevor die Studentin ins Ausland durfte.

David Gisselsson Nord, stellvertretender Dekan für Internationalisierung an der Medizinischen Fakultät der Universität Lund, sagte: „Wir waren sehr überrascht! Wir hatten noch nie von einem solchen Abkommen gehört.“ Was Nord „noch mehr überraschte“, sei ein Passus in der Vereinbarung gewesen, dass der Bürge, der in der Regel ein naher Verwandter sei, „China nicht verlassen durfte, solange der Student im Ausland war“. Der Vize-Dekan erklärte, dass diese Regel in einer „Art und Weise […] funktioniert, dass Familienmitglieder in ihrem eigenen Land als Geiseln gehalten werden“. Das seisehr beunruhigend, so Nord.

Rückblickend ist man immer schlauer. 2019 warnte Stefan Kristiansson, der ehemalige Leiter des schwedischen Militärischen Nachrichten- und Sicherheitsdienstes (MUST), Schwedens Universitäten: „Wir verwenden schwedische Steuergelder, um zu Chinas verbesserten operativen militärischen Fähigkeiten beizutragen.“



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