Baerbock will weitere Panzer und Luftverteidigung für die Ukraine

Grüne Außenministerin betont Notwendigkeit weiterer Lieferungen nach Besuch in Charkiw. Nach Polen will auch Finnland „Leopard“-Panzer zur Verfügung stellen. Kanzler Scholz gerät zunehmend unter Druck.
Deutschland will den ukrainischen Streitkräften den Schützenpanzer Marder liefern, der vor mehr als 50 Jahren für die Bundeswehr entwickelt wurde.
Nach dem „Marder" fordern viele Stimmen weitere Waffenlieferungen an die Ukraine.Foto: Julian Stratenschulte/dpa
Von 14. Januar 2023

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat nach ihrem Besuch in der ostukrainischen Stadt Charkiw die Notwendigkeit „weiterer Panzerlieferungen“ unterstrichen. Dies sei nötig, damit weitere von der russischen Armee besetzte Orte befreit werden könnten, sagte Baerbock in den „ARD-Tagesthemen“. Auch brauche die Ukraine „weitere Luftverteidigung“, vor allem zum Schutz der Infrastruktur.

Noch keine Zusage für Kampfpanzer

Eine Zusage zur Lieferung der von der Ukraine gewünschten deutschen Leopard-Kampfpanzer wollte Baerbock aber weiterhin nicht geben. Sie verwies auf anhaltende Abstimmungen im Kreis der Verbündeten. Gemeinsam mit den internationalen Partnern überprüfe die Bundesregierung immer wieder, „wie Menschenleben gerettet werden können“. Dem habe auch ihre Reise nach Charkiw gedient. Es gebe aber auch die Verantwortung, dass sich der Krieg nicht auf andere Länder ausweite. Baerbock führte das Interview per Videoschaltung aus einem Zug auf dem Rückweg aus der Ukraine.

Strack-Zimmermann wiederholt Forderung

Die Bundesregierung hatte erst am Donnerstag, dem 5. Januar 2023, nach langem Zögern bekannt gegeben, Marder-Schützenpanzer sowie ein Patriot-Flugabwehrsystem an die Ukraine zu liefern.

Die Lieferung von Leopard-Panzern hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) aber bislang nicht zugesagt. Am Montag, dem 9. Januar 2023, hatte der Sprecher von Scholz, Steffen Hebestreit, gesagt, die Bundesregierung habe „zum jetzigen Zeitpunkt“ keine Pläne, Leopard-Panzer an die Ukraine zu liefern.

Unterdessen erhöht die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, den Druck auf Kanzler Scholz. Die FDP-Politikerin fordert schon seit längerem Kampfpanzer-Lieferungen an die Ukraine.

Deutschland müsse für die Lieferung der Leopard 2 endlich die Exportgenehmigung erteilen, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe am Freitag, dem 13. Januar.

Deutschland hat Schlüsselrolle bei Lieferungen

Polen hatte sich am Mittwoch bereit erklärt, der Ukraine zusammen mit Bündnispartnern Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 für eine Kompanie zu überlassen. Damit sind laut einem polnischen Militärexperten 14 Kampfpanzer gemeint. Deutschland spielt als Entwickler der Panzer in der Debatte eine Schlüsselrolle. In der Regel bedarf es einer Genehmigung für die Weitergabe von Rüstungsgütern aus deutscher Produktion an Dritte.

Dass Polen sich für einen noch größeren Lieferumfang einsetzen dürfte, stellte der polnische Botschafter in Berlin, Dariusz Pawlos, in Aussicht. „Polen wird die Schaffung größerer militärischer Einheiten fordern, die für die Verteidigung der Ukraine von militärischer Bedeutung sein werden“, sagte der Diplomat den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Ukrainische Soldaten bereits ausbilden

Strack-Zimmermann sagte, zwar mute der polnische Vorstoß stark nach Wahlkampf an, innerhalb dessen nur allzu gerne Deutschland vorgeführt werde. „Wir sollten so oder so aber bereits heute, parallel zur Ausbildung ukrainischer Soldaten am Schützenpanzer Marder, mit der Ausbildung am Leopard 2 beginnen.“ Sonst verliere man kostbare Zeit.

Neben Polen will auch Finnland der Ukraine Leopard-Panzer überlassen, berichtet der „Stern“. Mit seiner Bedingung verstärkt das skandinavische Land allerdings den Druck auf Scholz. Die militärische Unterstützung gebe es nur dann, wenn die Europäische Union ebenfalls Kampfpanzer liefert.

Habeck: Deutschland soll sich nicht in den Weg stellen

Deutschland hat der Ukraine bisher die weniger schlagkräftigen Schützenpanzer vom Typ Marder zugesichert. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) bekräftigte am Donnerstag, dem 12. Januar 2023, dass eine Kampfpanzer-Lieferung derzeit nicht auf der Tagesordnung stehe. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich schloss die Lieferung deutscher Kampfpanzer an die Ukraine aber nicht grundsätzlich aus. „Es gibt keine roten Linien.“ Vize-Kanzler Robert Habeck (Grüne) sagte mit Blick auf eine Lieferung von Leopard-2-Panzern durch Polen an die Ukraine, Deutschland solle sich nicht in den Weg stellen, wenn andere Länder Entscheidungen zur Unterstützung der Ukraine träfen, unabhängig davon, welche Entscheidung Deutschland treffe.

Westliche Verteidigungsminister in Ramstein

CDU-Außenexperte Norbert Röttgen sagte am Donnerstag, dem 12. Januar 2023, in der ZDF-Sendung „maybrit illner“ unter anderem: „Wir werden auch keinen Weg zum Frieden finden, wenn nicht die Ukraine in die Lage versetzt wird, militärisch erfolgreich zu sein. Dann wird es keine politische Lösung geben.“ Vor der Alternative stehe man jetzt, „es so laufen zu lassen oder die Ukraine so zu unterstützen, dass Politik möglich wird“.

Nächste Woche Freitag, dem 20. Januar 2023, kommen die Verteidigungsminister der westlichen Verbündeten auf dem rheinland-pfälzischen US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein zusammen, um über weitere Waffenlieferungen ins Kriegsgebiet zu beraten. Dass sich die Bundesregierung bis dahin für eine Lieferung von Kampfpanzern entscheide, sei „nicht sehr wahrscheinlich“, hatte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Mittwoch, dem 11. Januar, gesagt.

Leopard-Lieferung nur eine Frage der Zeit

Für den Präsidenten des Reservistenverbandes der Bundeswehr, Patrick Sensburg, ist die Lieferung von Leopard-Kampfpanzern an die Ukraine nur eine Frage der Zeit. „Ich gehe fest davon aus, dass Deutschland der Lieferung von Leopard-Kampfpanzern zustimmen wird. Die Frage ist nur, wann die Entscheidung fallen wird“, sagte er der „Rheinischen Post“ am Freitag, dem 13. Januar. „Ich bin dafür, dass möglichst viele Leopard-Kampfpanzer auch aus Bundeswehrbeständen an die Ukraine geliefert werden.“ Im Gegenzug müsse die Bundeswehr mit erheblich mehr modernen Kampfpanzern ausgestattet werden.

Lambrecht spricht über „Puma“-Ausfälle

Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) spricht am Freitag, dem 13. Januar, mit Vertretern der Rüstungsindustrie über Konsequenzen aus den Ausfällen beim Schützenpanzer „Puma“. Lambrecht empfängt dazu Vertreter der Rüstungskonzerne Krauss-Maffei Wegmann und Rheinmetall im Ministerium. Auch der Generalinspekteur der Bundeswehr, Eberhard Zorn, nimmt teil.

Im Dezember 2022 waren bei einer Übung einer Panzergrenadierkompanie alle 18 eingesetzten Puma-Schützenpanzer ausgefallen. Lambrecht legte daraufhin die Bereitstellung der Panzer für die schnelle Einsatztruppe der Nato auf Eis, deren Führung Deutschland zum Jahreswechsel übernommen hatte. Eine Analyse der Probleme bei den Panzern liegt inzwischen vor und soll bei dem Spitzentreffen diskutiert werden.

Umfrage: Mehrheit gegen noch mehr Waffen

Bereits vor dem Beschluss, Marder-Panzer und Patriot-Raketen an die Ukraine zu liefern, hatte sich die Mehrheit der Deutschen gegen weitere Waffenlieferungen ausgesprochen. Im „ARD-DeutschlandTrend“ vom Montag, dem 2. Januar, bis Mittwoch, dem 4. Januar 2023 hatten 26 Prozent der 1.314 befragten Wahlberechtigen gesagt, ihnen gehe die Unterstützung mit Waffen bereits zu weit. 41 Prozent hatten angegeben, sie hielten das jetzige Niveau für angemessen. 25 Prozent in der am Donnerstag, dem 5. Januar, veröffentlichen Umfrage hatte angegeben, es sollten mehr Waffen geliefert werden.

AfD fordert diplomatische Initiativen

Der Vorsitzende der AfD-Fraktion im Bundestag, Tino Chrupalla, kritisierte die „Marder“-Lieferungen: „Es ist beunruhigend, dass die Bundesregierung dem Druck der Vereinigten Staaten und anderer Länder nachgegeben hat und Schützenpanzer an die Ukraine liefern will. Dadurch wird sich die Eskalationsspirale weiter beschleunigen.“ Deutschland drohe „endgültig zur Kriegspartei zu werden – mit unabsehbaren Folgen für unser Land und seine Bürger“. Die AfD-Fraktion rief die Bundesregierung dazu auf, „jede nur denkbare diplomatische Initiative zu ergreifen, um einen Frieden am Verhandlungstisch zu erreichen, anstatt sich mit Panzerlieferungen aktiv an dem Konflikt zu beteiligen“.



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