AUKUS und die Verschiebung der Machtverhältnisse
In der indopazifischen Region verschieben sich die Machtverhältnisse vermehrt gegen Chinas Expansionsbestrebungen.
Das Ganze begann vor gut zehn Jahren mit der Gründung des militärpolitischen Bündnisses „Quad“ (Quadrilateral Security Dialogue oder quatrilateraler Sicherheitsdialog) zwischen den USA, Australien, Indien und Japan. Das Ziel des Zusammenschlusses war, einen „freien und offenen Indopazifik“ zu gewährleisten. Er sollte als Gegengewicht zu Chinas Machtausbau dienen.
Diese Strategie umfasst neben militärischer Zusammenarbeit eine Reihe gemeinsamer Initiativen zu Investitionen, Infrastruktur, Technologie und Impfstoffen.
Doch offenbar braucht das Format eine neue Allianz, weil es nicht in der Lage ist, China davon abzuhalten, seine Mitglieder zu bedrohen. Der Sicherheitspakt namens AUKUS wurde am 15. September bekannt gegeben. Er soll die strategische Balance in der indopazifischen Region grundlegend verändern.
Der Pakt zwischen den USA, Großbritannien und Australien verfolgt ähnliche Ziele wie Quad, jedoch aggressiver mit einer starken atombetriebenen Unterwasserflotte. Amerika und Großbritannien sollen Australien bis März 2023 beim Aufbau der Flotte mit mindestens acht Atom-U-Booten helfen.
Die beiden setzen damit großes Vertrauen in den Staat auf der Südhalbkugel, denn sie übermitteln einige ihrer sensibelsten Technologien. Die Zusammenarbeit der drei Länder umfasst Cybersicherheit, künstliche Intelligenz und Quantentechnologie.
AUKUS spaltet Südostasien
Das Bündnis spaltet jedoch Südostasien. Fast alle Staaten in der Region stecken in einem Dilemma: Sie fürchten sich vor Chinas Vorherrschaft und wollen einen Machtausgleich zu Peking – das Ganze aber bitte ohne neuen Kalten Krieg.
Bei AUKUS geht es, wie der „Economist“ berichtet, um mehr als nur ein „U-Boot-Abkommen“. Der Pakt hat diplomatische und zugleich auch militärische Funktionen. Mithilfe der U-Boote können sich Spezialeinsatzkräfte monatelang in den Tiefen des Pazifiks oder des Indischen Ozeans verbergen und nachrichtendienstliche Informationen liefern. Für Peking ist das eine Bedrohung.
Auffällig ist, dass kein EU-Mitglied zum Bündnis eingeladen wurde und die EU auch gar nicht darüber informiert war. Am Rande der alljährlichen UN-Woche hat US-Präsident Joe Biden am 24. September die Regierungschefs aus Japan, Indien und Australien zum ersten persönlichen Quad-Gipfeltreffen im Weißen Haus empfangen, aber keine europäischen Vertreter.
Damit hat Biden unmissverständlich klargemacht, dass die USA ihren Schwerpunkt auf Asien legen, ja sogar noch spezifischer auf den Indopazifik – Europa bleibt dabei mehr oder weniger außen vor. „Dies ist nicht der Joe Biden, den Europa wollte“, kommentiert „Politico“.
Deutlich wird auch, dass Biden plant, regionale Bündnisse und Allianzen anzuführen wie die Quad oder AUKUS und nicht westliche Großallianzen mit EU-Mitgliedern. Es geht dabei offensichtlich um die Interessen der USA – und die Quad-Mitglieder haben jüngst bewiesen, dass sie auf Washingtons Seite stehen.
Im Bereich der Technologie hat Indien in diesem Jahr die chinesischen Apps TikTok, WeChat und andere verboten. Australien und Japan sind gegen den chinesischen Kommunikationsriesen Huawei und weitere chinesische Giganten vorgegangen. Die Quad-Mitglieder wollen sogar eine globale Technologie-Lieferkette mit gleichgesinnten demokratischen Ländern aufbauen.
Die EU-Staaten haben sich jedoch gegen diese Anti-China-Strategie gewehrt, weil sie fürchten, damit die wirtschaftlichen Beziehungen zu Peking zu schädigen.
Acht Atom-U-Boote von Australien
AUKUS sendet nun auf diplomatischer Ebene ein starkes Signal an Peking und die indopazifische Region, dass die USA ihre Verbündeten unterstützen werden. Das Bündnis ist eine Win-Win-Situation für Australien, das seit einiger Zeit am stärksten unter der „Wolfskrieger“-Diplomatie der Kommunistischen Partei Chinas (KPC) leidet.
Zum einen schafft AUKUS die Voraussetzungen dafür, dass amerikanische Streitkräfte um Australien herum operieren und dort vor Chinas zunehmend bedrohlichen Raketen Zuflucht suchen können, zum anderen profitiert Australien von der Allianz in Bereichen der Technologie und Ausrüstung.
Letzteres führt jedoch zu anderen Problemen. Die Entscheidung, dass Australien im Rahmen des neuen trilateralen Sicherheitsabkommens atomgetriebene U-Boote von den USA und Großbritannien kaufen wird, warf Fragen auf und erntete Kritik.
Die Länder der indopazifischen Region haben ihre Besorgnis über den Transfer von Nukleartechnologie und ein mögliches Wettrüsten zum Ausdruck gebracht, Canberra hat jedoch betont, dass es weder Atomwaffen noch zivile Nuklearkapazitäten erwerben möchte. Einige werfen dem australischen Premierminister Scott Morrison dennoch vor, „China zum Feind gemacht“ zu haben.
Victor Gao, chinesischer Experte für internationale Beziehungen, sprach in einer australischen Sendung von ABC sogar eine Drohung aus: „Mit seinen Atom-U-Booten wird Australien selbst zum Ziel möglicher Atomangriffe.“ Als der sichtlich überraschte Moderator fragte, von wem das ausgehen sollte, antwortete Gao: „Das brauchen Sie nicht zu wissen.“
Als der Moderator darauf hinwies, dass die Atom-U-Boote keine Atomwaffen tragen würden, wiederholte der Dolmetscher des ehemaligen KPC-Führers Deng Xiaoping seine Worte mit Nachdruck: „Wollen Sie wirklich ein Ziel für einen möglichen Atomkrieg sein?“
Unabhängig davon, dass Gao der KP Chinas angehört, ist es unwahrscheinlich, dass er solche Töne zu Chinas Politik gegenüber Australien abgibt, wenn Peking dies nicht billigen würde.
Es bleibt abzuwarten, wie Quad mit AUKUS zusammenarbeiten wird. Es ist möglich, dass Japan versuchen wird, ihm beizutreten – das Weiße Haus hat jedoch den Beitritt Japans und auch Indiens bereits ausgeschlossen.
Wahrscheinlicher wäre ein „Quad+2“-Dialog, schreibt der „Economist“, durch die Einbeziehung Großbritanniens und Frankreichs – Letzteres hat nämlich durch AUKUS einen wichtigen U-Boot-Deal mit Australien verloren.
Frankreich wurde „in den Rücken gestoßen“
Die EU wurde mit der Bekanntmachung des Bündnisses überrumpelt. Das eigene Strategiedokument der EU für die indopazifische Region wurde am selben Tag wie AUKUS vorgestellt.
„Bevor ich hierher kam, stellten die USA, Australien und das Vereinigte Königreich am selben Tag und zur selben Stunde ihre Verteidigungsallianz für den Indopazifik vor“, sagte Josep Borrell, EU-Außenbeauftragter. Es sei nicht nur ein „U-Boot-Geschäft“. „Es hat weitreichende Auswirkungen auf unsere Beziehungen zu den USA.“
AUKUS hat die australische Regierung dazu veranlasst, ein milliardenschweres U-Boot-Geschäft mit Frankreich platzen zu lassen, das schon 2016 vereinbart wurde. Dies zeigt, wie ernst die Lage für Australien ist, obgleich sich Frankreich verraten fühlt.
Auch wenn Biden betonte, dass es bei AUKUS darum gehe, „in unsere größte Quelle der Kraft – unsere Bündnisse – zu investieren“, wurde Frankreich, Amerikas ältester Verbündeter, in den Rücken gestoßen, wie es Außenminister Jean-Yves Le Drian ausdrückte.
Le Drian hatte den Verbündeten „Lüge, Doppelzüngigkeit, einen schweren Vertrauensbruch und Geringschätzung“ vorgeworfen. Er hatte außerdem die Botschafter aus Washington und Canberra zu Beratungen nach Paris einbestellt, eine ungewöhnlich scharfe diplomatische Geste.
Joe Biden hat mittlerweile in einem Telefongespräch die Wogen mit Präsident Macron geglättet. Sie werden sich im Oktober persönlich in Europa treffen.
Berlin befürwortete das direkte Gespräch zwischen Biden und Macron. „Bei allem Verständnis für die französische Position ist es sicher gut und sehr zu begrüßen, dass es heißt, es werde bald Gespräche zwischen Frankreich und den USA (…) geben“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert.
Der britische Premierminister Boris Johnson sprach von der „unauslöschlichen Liebe“ seines Landes zu Frankreich und Australiens Vize-Premierminister Barnaby Joyce erinnerte an die australischen Soldaten, die in beiden Weltkriegen auf der Seite Frankreichs gekämpft hätten.
ThyssenKrupp betroffen
Von dem geplatzten U-Boot-Geschäft zwischen Frankreich und Australien ist nach Angaben aus dem Europaparlament auch eine Tochter des deutschen Rüstungskonzerns ThyssenKrupp betroffen.
Der Vorsitzende des Ausschusses für internationale Handelspolitik Bernd Lange (SPD) sagte, die Aufkündigung des milliardenschweren Deals habe „Konsequenzen für das deutsche Unternehmen Atlas Elektronik“.
Die ThyssenKrupp-Tochter Atlas Elektronik mit Hauptsitz in Bremen sollte Sonartechnik für die U-Boote liefern. Das geplatzte Geschäft sei deshalb „nicht nur eine sicherheitspolitische Frage, sondern auch eine industriepolitische“. Wegen des Vertragsbruchs werden für Australien nun gegebenenfalls Konventionalstrafen fällig.
Lange fürchtet darüber hinaus Auswirkungen für das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und Australien. In Frankreich finden im April Präsidentschaftswahlen statt. Ob sich wegen des geplatzten U-Boot-Geschäfts die für Oktober geplante nächste Runde der Freihandelsgespräche mit Australien halten lässt, prüft die EU-Kommission nach eigenen Angaben noch.
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