8.300 Euro pro Tag: Brasiliens harter Kurs gegen X und VPN-Nutzer

Brasilien hat eine Geldstrafe in Höhe von rund 8.300 Euro pro Tag gegen jeden verhängt, der versucht, das Verbot von X mithilfe von Virtual Private Networks (VPNs) zu umgehen. VPNs ermöglichen unter anderem auch die Umgehung von Ländersperren, indem sie vortäuschen, dass der Nutzer sich in einem anderen Land befindet.
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Anhänger des ehemaligen brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro (2019–2022) halten während einer Kundgebung zum Unabhängigkeitstag in São Paulo, Brasilien, am 7. September 2024 ein Dankesschild an den Besitzer der Social-Media-Plattform X, Elon Musk.Foto: Nelson Almeida/AFP via Getty Images
Von 16. September 2024
Das Verbot der Social-Media-Plattform X in Brasilien wird jetzt mit Geldstrafen für VPN-Nutzer durchgesetzt. Verfechter der Meinungsfreiheit und des Datenschutzes sehen darin ein potenzielles „Schlachtfeld“ zwischen Internetfreiheit und Regulierung.

Letzten Monat ordnete der brasilianische Oberste Richter Alexandre de Moraes an, dass alle Telekommunikationsanbieter des Landes den Zugang zu X sperren müssen. Damit eskalierte ein monatelanger Streit zwischen dem Eigentümer von X, Elon Musk, und dem lateinamerikanischen Land über die freie Meinungsäußerung und Beiträge, die der Richter als Fehlinformationen bezeichnete.

Nachdem viele Nutzer dieses Verbot über VPN umgegangen hatten, verhängte das Gericht Geldstrafen in Höhe von 8.300 Euro pro Tag für jeden, der diese Möglichkeit nutzte.

Zwar verfügt Brasilien nicht über eine so ausgefeilte Zensurinfrastruktur wie China und Russland, und die Verfolgung von VPNs ist nach wie vor kompliziert. Experten sehen in diesem Schritt jedoch eine neue Form der digitalen Kontrolle, die auch in anderen Ländern Nachahmer finden könnte.

Seit der Einführung der Strafe, die für einen durchschnittlichen brasilianischen Mittelständler fast einem Jahresgehalt entspricht, ist die Zahl der Versuche, auf X zuzugreifen, nachweislich zurückgegangen.

Durchsetzung des VPN-Verbots schwierig

Einige brasilianische Kongressabgeordnete nutzen X trotz des Verbots weiterhin. Ob sie dazu VPNs, das Tor-Netzwerk oder andere Möglichkeiten verwenden, ist nicht bekannt.

Andere, wie die Nationale Journalistenvereinigung des Landes, äußerten auf Facebook ihre Besorgnis darüber, dass Reporter keinen Zugang mehr zu Informationen aus verschiedenen Quellen innerhalb und außerhalb Brasiliens hätten.

Ein Sprecher der US-amerikanischen Non-Profit-Organisation UNREDACTED, die kostenlose Dienste zur Umgehung der Zensur anbietet, erklärte gegenüber The Epoch Times, dass die brasilianischen Telekommunikationsunternehmen und Internetanbieter selbst für die Durchsetzung der Verbote verantwortlich seien.

Bislang gibt es in den brasilianischen Medien keine Berichte über Personen oder Unternehmen, die von der brasilianischen Telekommunikationsbehörde ANATEL über die Nutzung von VPNs informiert wurden.

Der Sprecher sagte, dass es „nicht unbedingt in jedem Fall stimmt, dass die Regierung von der VPN-Nutzung einer Person weiß.“

Er zitierte einen Beitrag über X von Vinicius Fortuna, dem technischen Leiter von Google Jigsaw, einer Abteilung des Technologieunternehmens, die sich mit Bedrohungen für offene Gesellschaften beschäftigt.

Fortuna erklärte, Brasilien blockiere X mithilfe von sogenannten DNS- und IP-Sperren. Die Sperre des Domain-Name-Systems (DNS) verhindere, dass die Website über ihren Domainnamen gefunden werde, während die Sperre des Internet-Protokolls (IP) den gesamten Datenverkehr zum Server der Website stoppe, sodass diese vollständig unzugänglich sei.

Nach Angaben des Open Observatory of Network Interference, einem Tool, das Internetzensur und Netzwerkstörungen durch die Analyse von Daten verschiedener Internetdienstanbieter verfolgt, sei der Zugang zu X in Brasilien seit der Anordnung des Obersten Gerichtshofs deutlich zurückgegangen. Genaue Zahlen werden jedoch nicht genannt.

Der Sprecher von UNREDACTED sagte, dass die Überwachung der VPN-Nutzung davon abhinge, ob Telekommunikationsunternehmen oder Internetanbieter diese überwachten und an die Regierung meldeten. Es sei derzeit unklar, ob dies geschehe.

Wird China zum Vorbild?

„Die Unterwanderung ihrer Zensur ist jetzt strafbar. Es ist wahrscheinlich, dass sie nach Mitteln und Wegen suchen, um Nutzer zu finden, die VPNs verwenden, um die Sperre zu umgehen – sei es durch technische oder andere Mittel“, sagte er.

Er fügte hinzu, dass in Ländern wie China, wo eine enge Beziehung zwischen den Telekommunikationsunternehmen und der Regierung bestehe, die Überwachung von VPNs oft automatisch erfolge, oder dass es informelle Vereinbarungen gebe, die der Regierung den Zugang zur Kommunikationsinfrastruktur ermöglichten.

„Länder wie China sind sicherlich in der Lage, die VPN-Nutzung innerhalb des Landes zu überwachen“, sagte der Sprecher. Derzeit geschehe dies bereits in großem Umfang.

Er fügte hinzu, dass andere Länder von den Maßnahmen Brasiliens lernen könnten. „Sie könnten diese Informationen nutzen, um ihre eigenen Filtersysteme zu implementieren oder Ideen zu bekommen, wie sie diese implementieren können“, sagte er.

X ist in Ländern verboten, in denen die Menschenrechte stark eingeschränkt sind. Dazu gehören China, Russland, Nordkorea, Turkmenistan, Myanmar, Iran und Pakistan.

Internetfreiheit vs. Regulierung

Toby Young, Gründer und Generalsekretär der Free Speech Union, einer Organisation, die sich für den Schutz der freien Meinungsäußerung in Großbritannien einsetzt, schrieb in einer E-Mail an The Epoch Times, dass sich um die VPNs möglicherweise das nächste Schlachtfeld zwischen Internetfreiheit und staatlicher Regulierung bilden könnte.

Young wies darauf hin, dass der britische Gesetzgeber im Oktober 2023 den Online Safety Act verabschiedet habe, eine umstrittene Gesetzgebung, die Online-Räume kontrolliere und Unternehmen dazu anrege, Inhalte zu sperren. Er fügte hinzu: „Ich wäre überhaupt nicht überrascht, wenn diese Regierung die Nutzung von VPNs illegal macht.“

Die US-amerikanische Rechtsorganisation Alliance Defending Freedom (ADF) International warnte ebenfalls, dass die brasilianischen Behörden „eine der repressivsten Zensurkulturen in der westlichen Hemisphäre geschaffen haben – eine, die sich im Westen ausbreiten könnte“.

In einem offenen Brief von ADF International an den brasilianischen Kongress warnten am 12. September mehr als 100 internationale Verfechter der Meinungsfreiheit, dass andere westliche Länder Brasilien nachahmen könnten, wenn das Land weiterhin auf autoritäre Weise Meinungsfreiheit unterdrückt und digitale Treffpunkte verbietet. Zu den Unterzeichner gehören die ehemalige britische Premierministerin Liz Truss und der „Twitter Files“-Journalist Michael Shellenberger.

„Schwerfällige staatliche Zensoren werden jedes ihnen zur Verfügung stehende Mittel nutzen, um die Meinungsfreiheit zu unterdrücken – und wie Brasilien uns zeigt, schließt das auch die Verhängung von Geldstrafen für die Nutzung von VPNs für den Zugang zu missliebigen Plattformen ein“, sagte Jeremy Tedesco von ADF per E-Mail an The Epoch Times. „Dies erinnert uns daran, dass die Zensur keine Grenzen kennt und dass wir uns jedem Versuch widersetzen müssen, unsere kostbaren Rechte auf freie Meinungsäußerung mit Füßen zu treten.“

The Epoch Times hat den Obersten Gerichtshof Brasiliens und Anatel um eine Stellungnahme gebeten.

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel „Brazil’s X Ban: VPN Fines Mark New Internet Battlefield, Say Free Speech Advocates“. (deutsche Bearbeitung jw)



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