Was steckt hinter den Unruhen im Vereinigten Königreich?

Behörden und Experten versuchen, sich einen Reim auf die Demonstrationen und gewalttätigen Ausschreitungen zu machen, die nun schon seit über einer Woche in mehreren englischen Städten andauern. Eine Analyse.
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Einwanderungsgegner protestieren am 4. August 2024 in Rotherham, während Ausschreitungen vor dem Holiday Inn Express in Manvers, das als Unterkunft für Asylbewerber genutzt wird.Foto: Christopher Furlong/Getty Images
Von 9. August 2024

Experten führen die beispiellosen Unruhen in Großbritannien auf eine Mischung aus tief verwurzelten Problemen mit der Einwanderung, Hetzern im Internet, Fehlinformationen, Extremisten, polizeilichem Missmanagement und das heiße Sommerwetter zurück.

Ausgelöst wurden die Unruhen durch eine Messerstecherei in der englischen Küstenstadt Southport, bei der drei kleine Mädchen getötet wurden. Der mutmaßliche Täter wurde später als der 17-jährige Axel Muganwa Rudakubana identifiziert, der in der walisischen Hauptstadt Cardiff als Sohn ruandischer Eltern geboren wurde.

Unmittelbar nach dem Anschlag wurde jedoch auf einer Nachrichten-Website, die regelmäßig sowohl echte als auch virale Falschnachrichten verbreitet, behauptet, dass es sich bei dem Täter um einen muslimischen illegalen Einwanderer handele, der auf einer Terrorliste stehe und mit einem Schlauchboot nach Großbritannien gekommen sei.

Seitdem sind Randalierer und Demonstranten in den englischen Städten Rotherham, Tamworth, Manchester, Hull, Liverpool, Bristol, Blackpool, Plymouth, Birmingham und der nordirischen Hauptstadt Belfast mit der Polizei aneinandergeraten.

Keine Entwarnung

Obwohl sich die Spannungen, die Ende Juli begannen, Mitte dieser Woche angesichts von verstärkten Sicherheitsvorkehrungen und einer Reihe von Gegenprotesten sich zu beruhigen scheinen, gibt die Polizei keine Entwarnung, denn für das Wochenende wurden mehrere Aktionen angekündigt, berichtet BBC.

Premierminister Keir Starmer versprach nach einer Notstandssitzung am Montag, die Strafverfolgung gegen „rechtsextreme Schläger“ zu verschärfen und ein „stehendes Heer“ von Ordnungshütern aufzustellen, um gegen die Ausschreitungen vorzugehen.

Seit Beginn der gewalttätigen Unruhen in der vergangenen Woche wurden rund 400 Personen festgenommen. Randalierer und Demonstranten haben zwei Hotels der Kette Holiday Inn Express angegriffen, in denen Asylbewerber untergebracht sind. Außerdem griffen sie Moscheen an. In anderen Orten warfen Randalierer Ziegelsteine, Zaunpfosten und Feuerwerkskörper auf Polizeibeamte.

In Stoke und Birmingham reagierten Banden mit Migrationshintergrund auf die Unruhen, indem sie sich mit Messern und Macheten bewaffneten.

Konservative Politikerin: Britische Werte wahren

Experten und ehemalige Sicherheitsbeamte äußern sich zu den Ursachen der Unruhen und den weiterreichenden Auswirkungen auf das soziale Gefüge des Landes.

So sagte der frühere Leiter der Antiterroreinheit der Polizei, Neil Basu, am Montag, 5. August, gegenüber der BBC, dass einige Gewalttaten während der Unruhen „die Grenze zum Terrorismus überschritten“ hätten. „Ich denke, wir haben ernsthafte Gewalttaten gesehen, die darauf abzielen, einen Teil unserer Gemeinschaft zu terrorisieren“, sagte er.

Donna Jones, eine Politikerin der Konservativen Partei und die ranghöchste Polizeibeamtin des Vereinigten Königreichs, geriet unter Beschuss, als sie sagte, die Protestgruppen hätten den „Wunsch, die Souveränität Großbritanniens zu schützen“ und „britische Werte zu wahren“.

Jones rief auch zur Ruhe auf und sagte, dass die Regierung die Ursachen für die Unruhen erkennen müsse, um sie zu verhindern. „Menschen zu verhaften oder Sondereinheiten für gewalttätige Ausschreitungen zu bilden, ist eine Behandlung des Symptoms und nicht der Ursache. Die Fragen, die diese Menschen beantwortet haben wollen, lauten: Was ist die Lösung der Regierung für die unkontrollierte Masseneinwanderung?“, fügte sie hinzu.

Sicherheitsexperte: Rechtsextreme in der Minderheit

Der Sicherheitsexperte Will Geddes sagte gegenüber der Epoch Times: „Sie [die Politiker] haben eines der größten Probleme im Vereinigten Königreich nicht angegangen, nämlich die illegale Einwanderung. Eine der größten Herausforderungen und ein massiver Fehlschlag von Keir Starmer ist es, jeden, der protestiert, geschweige denn diejenigen, die randaliert haben, als rechtsextrem abzustempeln.“

Der Kern des Problems sei, dass sich viele Briten im Stich gelassen fühlten und enttäuscht seien.

„Einer der größten Fehler, den die Polizei gemacht hat, war, keine klaren Informationen zu veröffentlichen, die die Öffentlichkeit zufriedenstellen würden.“ Damit hätte man möglicherweise rassistische Tendenzen entschärfen können, die nach dem Tod der Kinder geschürt worden seien.

Geddes meint, dass der Zug bereits abgefahren war, als die Polizei mitteilte, dass es sich bei dem Attentäter nicht um einen illegalen Einwanderer, einen Muslim oder einen Terroristen, sondern um einen britischen Staatsbürger gehandelt habe.

Er könne sich auch vorstellen, dass einige der Social-Media-Konten, die für die Spannungen mitverantwortlich sind, aus „feindlich gesinnten Staaten“ wie Russland oder China stammen könnten. Britische Behörden untersuchten derzeit, ob ausländische staatliche Akteure gezielt Fehlinformationen verbreitet haben.

Laut Geddes habe der Premierminister dazu beigetragen, eine Krise zu schaffen, anstatt sie zu entschärfen, indem er die protestierenden Gruppen in einen Topf geworfen habe. Es gebe zum einen diejenigen, die legitim protestierten, aber auch „rechtsextreme Aufwiegler“. Letztere bildeten aus seiner Sicht eine Minderheit – und nicht die Mehrheit, wie es Starmer uns glauben machen wolle. Dann gibt es noch „die Kriminellen, die die Situation ausnutzen“. Das alles zusammen ergebe eine „hochexplosive Mischung“.

Das sommerliche Wetter habe seinen Teil ebenfalls dazu beigetragen, sagt Geddes: „Wenn es draußen regnen würde, würden Sie nicht so viele Menschen auf der Straße sehen wie jetzt.“

Tiefer Unmut über unkontrollierte Massenzuwanderung

Der Meinungsforscher Professor Matt Goodwin, erklärte gegenüber Epoch Times, dass hinter diesen Unruhen „viel mehr steckt als nur Fehlinformationen, Desinformationen und soziale Medien“.

Seiner Ansicht nach spiegelten die Proteste „einen viel tieferen Unmut über die unkontrollierte Masseneinwanderung, den Zusammenbruch unserer Grenzen und ein kaputtes Modell des Multikulturalismus“ wider.

Diese Politik habe im Wesentlichen verschiedene Gruppen dazu ermutigt, „getrennt zu leben, anstatt sie mit einer gemeinsamen Geschichte zusammenzubringen“, was nun zu ethnischen Konflikt geführt zu haben scheint.

Dies alles seien unterschwellige Ressentiments, die sich in den vergangenen 20 bis 30 Jahren aufgestaut hätten.

Teilweise hätte die Identitätspolitik der Linken dies noch verschärft – eine Politik, die die Menschen dazu ermutige, sich entlang rassischer, religiöser und ethnischer Grenzen zu mobilisieren. „Es sollte also nicht wirklich überraschen, was wir heute auf den Straßen sehen: weiße Briten, die sich entlang dieser Linien mobilisieren, die durch diese Besessenheit von Identitätspolitik gefördert wurden“, sagte er.

Es brodelt in der britischen Bevölkerung

„Ein Hexengebräu“ nennt Gwythian Prins, emeritierter Professor an der London School of Economics und Berater der NATO und des Verteidigungsministeriums, die Unruhen. Im Gespräch mit Epoch Times sagte er, „Vertrauensbrüche durch die Verwaltungsklassen“ und der Politiker, die ihr Wort nicht hielten, hätte die Wut genährt.

Der pensionierte Londoner Polizeibeamte und Aktivist für Recht und Ordnung, Norman Brennan, der über 42 Jahre Polizeierfahrung verfügt, erklärte gegenüber der Epoch Times, dass das, was geschehen ist, „auf einer Lüge“ beruht.

„Aber es unterstreicht, was ich schon seit 10 oder 15 Jahren, wenn nicht länger, diskutiere: Es brodelt in der britischen Bevölkerung“, sagte er.

In dem Zusammenhang erinnerte Brennan an die Unruhen von 2011, die sich im ganzen Land ausbreiteten, nachdem Mark Duggan, ein 29-jähriges schwarzes Bandenmitglied, von der Polizei in Tottenham erschossen wurde. „Alle Unruhen in Großbritannien sind auf ein ethnisches Problem zurückzuführen“, glaubt der pensionierte Polizist.

Er sei nicht überrascht von den derzeitigen Unruhen. Werde die illegale Einwanderung nicht ernsthaft angegangen, könne er sich vorstellen, dass die Krawalle weitergehen.

Er äußerte sich auch vorsichtig zu den Plänen der Regierung, die Bestrafung von Randalierern zu beschleunigen und gleichzeitig die überfüllten Gefängnisse zu entlasten, indem Tausende Gefangenen nach nur 40 Prozent ihrer Strafe entlassen werden. „Sie fangen an, die Gefängnisse zu leeren. Was für eine Botschaft ist das für ein Land, das von Kriminalität und Unordnung geplagt ist“, fragt er.

Verschiedene Dynamiken verstehen lernen

Drei Protestgruppen will der Rechtsextremismus-Analytiker Professor Matthew Feldman ausgemacht haben. Dazu gehörten „rechtsextreme Influencer“, die online agierten, einzelne Rechtsextremisten, die mit Gruppen wie Patriotic Alternative und Britain First verbunden seien, sowie eine weitere Gruppe.

Vor allem muslimische Gotteshäuser und Unterkünfte für Asylbewerber stünden im Visier. Es seien die Themen, „die die Rechtsextremen seit Jahrzehnten bewegen“. Er würde nicht so weit gehen, zu sagen, „dass die vielen tausend Menschen“, die nun an den Protesten teilnähmen, rechtsextrem seien, sagte er gegenüber der Nachrichtenagentur PA.

„Ich denke, wir müssen diese Gruppe von Sympathisanten von denjenigen unterscheiden, die hart gesottene Rassisten sind.“

Es sei aber auch falsch, sie alle als rechtsextrem zu bezeichnen, da sie an rechtsextremen Straftaten beteiligt seien. Man müsse versuchen, die verschiedenen Dynamiken zu verstehen, die im Spiel sind: „Menschen, die Hass schüren, Menschen, die von Hass motiviert sind, und Menschen, die vielleicht hasserfüllte Dinge tun.“

Abschließend regte Feldman an: „Trennen wir die Sympathisanten vom harten Kern und fangen wir an, über ‚alternative Narrative‘ nachzudenken, wie wir mit diesen Menschen in Kontakt treten können.“

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel „Analysis: What’s Behind the UK Riots?“. (deutsche Bearbeitung os) 



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