Inflation Reduction Act – Staatshilfe für Firmen in den USA und China
Zum 16. August beschloss die Biden-Regierung ein umfangreiches Gesetzespaket, das fast 400 Milliarden US-Dollar verschlingen wird, den sogenannten Inflation Reduction Act (IRA, Inflationsbekämpfungsgesetz). Das Paket soll bis Ende Dezember von den zuständigen Verwaltungen einsatzbereit gemacht werden.
Europa wittert Protektionismus – staatliche Eingriffe zum Schutz inländischer Erzeuger oder Erzeugnisse vor ausländischer Konkurrenz.
America First im neuen Gewand
Der IRA soll nach Bekunden der US-Regierung nicht nur die Inflation eindämmen, sondern auch positive Klimaeffekte erzielen und vor allem die heimische Wirtschaft stärken. Vieles erinnert an den bekannten Slogan des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump: „America First“ – der seit Beginn von Bidens Präsidentschaft immer noch in die US-Politik integriert ist.
Das bestätigte Josef Joffe bereits im Oktober letzten Jahres im „Handelsblatt“. Der auf vielfältige Weise mit transatlantischen Lobbyverbänden und Zirkeln vernetzte Herausgeber der „Zeit“ mit ruhendem Mandat schrieb:
Auch Joe Biden glaubt an ‚America First‘. Unter dem neuen US-Präsidenten hat sich der Ton verbessert – die Interessengegensätze mit Europa aber bleiben.“
Eine ähnliche Auffassung vertritt der Handelsexperte David Kleimann von der Brüsseler Denkfabrik Bruegel in der „WirtschaftsWoche“ vom 10. November 2022: „‚America First‘ zieht immer noch in den USA. […] Die USA wollen mit ihrem Klimapaket [Anm. d. Autors: gemeint ist der IRA] rund 400 Milliarden Dollar an Subventionen an die heimische Industrie vergeben. Die Bevorzugung von US-Unternehmen widerspricht teilweise klar den Regeln der Welthandelsorganisation“.
Protektionismus zugegeben
Als im Oktober des letzten Jahres Finanzministerin Janet Yellen zahlreiche Vorschläge angekündigt hatte, „die normalerweise als Protektionismus laufen würden, [sagte sie] unumwunden, dass es darum gehe, Jobs nach Amerika zu holen. Damals zeigte sich, dass sich die Protektionisten in der Regierung Biden durchgesetzt hatten. Sie setzen auf einen Wiederaufbau der Heimatindustrie“, fährt Kleimann fort.
Seiner Einschätzung nach verfolgt der IRA drei Ziele: „Klimapolitik, heimische Jobs stärken und die Chinesen aus dem Markt zu sperren.“
Laut dem „pv magazin“, einem Webportal für Entscheider der Solarbranche, deckt der IRA eine breite Palette von Bereichen ab – einschließlich energiebezogener Gesetze. Er erhöhe die Investitionssteuergutschrift für Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien von 26 auf 30 Prozent und weite sie auf alle Speicherprojekte aus. Zudem umfasse er Steuergutschriften für die Herstellung von Solarmodulen, Wechselrichtern und Unterkonstruktionen für Photovoltaik-Anlagen. Darüber hinaus gebe es weitere Steuergutschriften für Elektrofahrzeuge, elektrische Schalttafeln, Wärmepumpen und viele andere Produkte, die direkt mit der Branche der erneuerbaren Energien zusammenhängen.
China sieht im IRA einen „typischen handelsprotektionistischen Ansatz.“
Auch Europa fühlt sich ausgesperrt
Doch der IRA erschwert nicht nur China den Zugang zum US-amerikanischen Markt, sondern auch allen anderen Ländern des Globus bis auf Mexiko und Kanada, die es verstanden haben, bereits frühzeitig Ausnahmeregelungen für sich auszuhandeln.
Insbesondere die europäische Autoindustrie müsste mit großen Marktnachteilen fertig werden, sollte das IRA so wie geplant umgesetzt werden. Bei elektrischen Autos würden ihnen Steuersubventionen in Höhe von 7.500 US-Dollar pro Fahrzeug fehlen, sollten sie keinen Fertigungsstandort in den Vereinigten Staaten haben.
Am engagiertesten gegen diese Benachteiligungen wehrt sich in Europa zurzeit Bruno Le Maire, Frankreichs Finanz- und Wirtschaftsminister. Im Rahmen seiner europaweiten Interviewtour forderte er im „Handelsblatt“ „eine koordinierte, vereinte und starke Antwort gegenüber den USA“ und hält selbst eine Klage vor der WTO (Welthandelsorganisation, Word Trade Organisation) für möglich.
EU in der Klemme
In Anbetracht der schwierigen Lage Europas sieht er das größte Risiko für Europa darin, „dass es als Industriestandort abgehängt wird. Die Europäische Union macht derzeit 17 Prozent der Weltwirtschaft aus, 1990 waren es 25 Prozent.“ Nach Bruno Le Maire stünde China heute für 17 Prozent der Weltwirtschaft, 1990 seien es nur aber drei Prozent gewesen. „Das wirkliche europäische Risiko ist also ein technologischer, industrieller und wirtschaftlicher Rückfall, der die Weltwirtschaft den Vereinigten Staaten und China überlassen würde:
Wir müssen uns die Mittel geben, Europa zu reindustrialisieren, um eine globale Wirtschaftsmacht zu bleiben.“
Laut Le Maire leide unsere Industrie bereits unter einem Wettbewerbsnachteil durch die Unterschiede bei den Energiepreisen zwischen den USA und Europa. Die massiven Subventionen, die jetzt der IRA vorsehe, drohten den Abstand noch zu vergrößern. Die Konkurrenz aus China sei ebenfalls stark vom Staat subventioniert. Deshalb müsse Europa schnell koordiniert und entschlossen reagieren.
„Erwägen Vergeltung“
EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton zeigte sich offensiver, wie „Le Figaro“ berichtet. Demzufolge haben die 27 EU-Mitgliedstaaten eine Unterlassungserklärung an die USA geschickt.
Darin fordern sie die Vereinigten Staaten auf, neun Maßnahmen aus diesem Gesetz zu streichen, da diese als diskriminierend eingestuft würden und teilweise gegen die Regeln der Welthandelsorganisation verstießen. Er hoffe, dass Washington diese Punkte „regele“. Andernfalls „müssen wir vor die WTO gehen und werden Vergeltungsmaßnahmen in Betracht ziehen“, sagte er.
Sahra Wagenknecht, Politikerin der „Die Linke“, verdeutlicht auf ihrem gleichnamigen YouTube-Blog die zunehmend angespannte Lage Europas zwischen China und den USA von 2000 bis 2022. Unter dem Titel: „Make America Great Again – wie US-Handelskriege & Sanktionen uns ruinieren“ veranschaulicht sie die schwierige Situation Europas mit einer Grafik.
Demzufolge hat sich der Anteil Chinas im Zeitraum von 3,5 Prozent im Jahr 2000 auf 18 Prozent im Jahr 2022 erhöht. Der Anteil der USA fiel im gleichen Zeitraum um 5,4 Prozent von 30,1 auf 24,7 Prozent. Alle EU-Staaten (EU 27) plus Großbritannien verloren noch deutlicher, ihr Anteil sank von 26,3 auf 19,5 Prozent um 6,8 Prozent.
Scholz vom Samt- zum Fehdehandschuh
Im Vergleich zu den Äußerungen Le Maires und Breton gab sich Bundeskanzler Olaf Scholz Mitte Oktober eher noch versöhnlich und reichte die Hand zur Aushandlung eines neuen Freihandelsabkommens. Dieses fand aber weder in Brüssel noch in Washington Gefallen.
Auch Verhandlungen im Technologierat und in einer gemeinsam von EU und USA eingerichteten Taskforce führten nicht zu brauchbaren Ergebnissen.
Jetzt „erwärmt“ sich auch Berlin „für Frankreichs ‚Buy European‘-Pläne, während die globalen Handelsregeln erodieren“, schreibt dazu die US-amerikanische Zeitung „Politico“ in ihrer Ausgabe vom 24. November und fährt fort:
Deutschland fürchtet den Verlust von industriellen Spitzenunternehmen aufgrund des unfairen Wettbewerbs durch staatlich unterstützte Konkurrenten aus den USA und China.“
Die Treffen der EU-Handelsminister am Freitag in Brüssel und von Bundeskanzler Scholz mit der französischen Premierministerin Elisabeth Borne in Berlin stehen somit unter einem neuen Stern. (jw)
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