Höchst fraglich – RKI spricht sich für Erleichterungen für Geimpfte aus

Wollte man Geimpften besondere Rechte einräumen müsste die gesamte Teststrategie Deutschlandweit angepasst werden. Ausnahmslos alle Labore dürften dann nur noch mit einem Ct-Wert von etwa 25 arbeiten, was jetzt nicht der Fall ist.
Von 10. April 2021

Wie aus einem internen Papier des Robert Koch-Institut (RKI) an das Bundesministerium für Gesundheit hervorgeht, stehen die geplanten Sonderrechte für Geimpfte auf einem relativ dünnen wissenschaftlich begründeten Fundament. Gleiches trifft auch für die offizielle Einschätzung hinsichtlich der Schnelltests zu. Besonders brisant ist, dass dieses Schreiben durch den Leiter der Behörde, Lothar Heinz Wieler, elektronisch unterzeichnet wurde.

Für die nächste Konferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und- chefs der Länder zur Corona Pandemie, wurde das RKI gebeten Stellung zu nehmen: „Ob bzw. ab welchem Zeitpunkt geimpfte Personen mit so hinreichender Sicherheit nicht infektiös sind, dass eine Einbeziehung in Testkonzepte möglicherweise obsolet wird.“

In einem nun veröffentlichten Antwortschreiben des RKI heißt es dazu: „Nach gegenwärtigem Kenntnisstand ist das Risiko einer Virusübertragung durch Personen, die vollständig geimpft wurden, spätestens zum Zeitpunkt ab dem 15. Tag nach Gabe der zweiten Impfdosis geringer als bei Vorliegen eines negativen Antigen-Schnelltests bei symptomlosen infizierten Personen.“ Alleine diese Aussage ist schon deshalb irreführend, weil es viele unterschiedliche Antigen-Test mit einer höchstunterschiedlichen Sensitivität und Spezifität gibt.

Im Zusammenhang mit den Antigen-Schnelltests verweist das RKI auf eine umfangreiche Studie von „Cochrane Database of Systematic Reviews“ (Cochrane Datenbank für systematische Übersichten). Die Database wird mit Mitteln der britischen Regierung zugunsten von Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen finanziert (Projektnummer 300342-104). Die Projektmitarbeiter kommen aus unterschiedlichen Institutionen, einige auch von der FIND, die eine Kooperation mit der Weltgesundheitsorganisation (WHO) betreibt.

Antigen-Schnelltests höchst unzuverlässig

So heißt es in der Stellungnahme des RKI weiter: „Diese zeigt, dass Antigen-Schnelltests bei Menschen mit Symptomen besser geeignet sind, Fälle von COVID-19 korrekt zu identifizieren als bei symptomlosen Personen. Bei Personen mit Symptomen wurden im Durchschnitt 72 % der Personen, die COVID-19 hatten, korrekt als infiziert identifiziert. Bei Personen ohne Symptome identifizierten die Antigentests dagegen im Durchschnitt nur 58 % der Infizierten richtig. Bei präsymptomatischen, bereits ansteckenden Personen dürfte dieser Wert in ähnlichen Bereichen liegen, möglicherweise mit einer Tendenz zu den symptomatischen Personen.“

Hier sollten zwei wichtige Merkmale Beachtung finden. Erstens, die sehr niedrigen Identifizierungswerte bei Symptomlosen und zweitens, dass es sich dabei um Durchschnittswerte handelt. In der Cochrane Database wurden auch Schnelltests einer Prüfung unterzogen, die nur eine sehr geringe Sensitivität zum Nachweis des Virus auswiesen.

Dieses Merkmal wird in der Studie unter dem Punkt „Antigen Test“ wie folgt beschrieben: „Die Sensitivität war hoch bei PCR-Werten mit einer Zyklusschwelle (Ct) ≤25 (94,5 %) im Vergleich zu denen mit Ct-Werten >25 (40,7 %).“ Die Sensitivität variierte zwischen den Marken. Unter Verwendung von Daten aus der Gebrauchsanweisung (IFU) konformen Auswertungen bei symptomatischen Teilnehmern reichten die zusammengefassten Sensitivitäten von 34,1 % bis 38,8 % und von 88,1 % bis 91,1 %. Die durchschnittlichen Spezifitäten waren bei symptomatischen und asymptomatischen Teilnehmern und für die meisten Marken hoch (zusammenfassende Gesamtspezifität 99,6%).

RKI: Geimpfte spielen „wahrscheinlich keine wesentliche Rolle“

Da in Deutschland jedes Bundesland bis hin zur Kommune verfahren kann wie beliebt, lassen sich derzeit keine einheitlich sicheren Testergebnisse erzielen. Dies kann nur dann bundesweit möglich sein, wenn sich alle Bundesländer und deren Einrichtungen (auch Schulen) auf ein bis zwei unterschiedliche Tests einigen, die durch höchste Sensitivität und Spezifität als tatsächlich zuverlässig eingestuft werden können.

Außerdem heißt es in der Studie unter dem Punkt „Main Results“ weiter: „Fast alle Studien (97%) definierten das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein von SARS-CoV-2 auf der Grundlage eines einzigen RT-PCR-Ergebnisses, und keine schloss Teilnehmer ein, die die Falldefinitionen für wahrscheinliches COVID-19 erfüllten.“

Von daher stellt sich die Frage, wie hier von Symptomlosen und tatsächlich Infizierten gesprochen werden kann? Und falls doch, dann allenfalls in drei Prozent aller Studien, da 97% diese Kriterien gar nicht erfüllten (s.o.).

Hinsichtlich der Begründung, warum Geimpfte bevorzugt werden könnten schreibt das RKI: „Aus Public Health Sicht erscheint das Risiko einer Virusübertragung durch Impfung nach gegenwärtigem Kenntnisstand in dem Maß reduziert, dass Geimpfte bei der Epidemiologie der Erkrankung wahrscheinlich keine wesentliche Rolle mehr spielen. Das Risiko kann durch weitere Vorgaben (Selbstisolierung bei Symptomen; weiter Einhalten der AHA+L-Regeln) zusätzlich reduziert werden.“

Kohortenstudie ohne Langzeitwirkung

Diese Entscheidung wird einerseits durch eine Kohortenstudie aus Schottland und andererseits durch eine weitere Studie begründet, die auf medrxiv.org unter dem Titel „Decreased SARS-CoV-2 viral load following Vaccination“ publiziert wurde. Die Kohortenstudie wird im Epidemiologischen Bulletin des RKI, Nr. 12, vom 25.03.2021, ab Seite 20 beschrieben (siehe Link am Ende des Beitrags).

Die Studie aus Schottland schloss 1.137.775 geimpfte Personen ein. Während bei den jüngeren Studienteilnehmer/innen (≤ 60 Jahre) überwiegend (≥80%) Comirnaty (BioNtech/Pfizer) zum Einsatz kam, erhielten die ≥ 80-Jährigen überwiegend (≥ 80%) den AstraZeneca-Impfstoff. Was im Übrigen auch erklärt, warum es in England zu weniger Zwischenfällen mit dem Impfstoff von AstraZeneca kam. Dort wurde der Impfstoff von BioNtech/Pfizer direkt an die Jüngeren und AstraZeneca an die ältere Generation verabreicht.

In allen Fällen reichte zur Verhinderung von Hospitalisierungen eine Impfdosis, die jedoch nur für 28 – 34 Tage nach der Impfung anhielt, um danach (bis >42 Tage) wieder leicht ab zufallen. Dies galt für beide Impfstoffe und alle Altersgruppen. Die Ein-Dosis zur Verhinderung von Hospitalisierungen lag für alle Altersgruppen (Tag 28– 34) für Comirnaty bei 85% und für AstraZeneca bei 94%. Zu etwa einem gleichen Ergebnis kommt eine weitere Studie aus England.

Obwohl bei dem Impfstoff von BioNtech/Pfizer auch die Kurzzeit-Wirkungen nach der zweiten Impfung berechnet wurde, mangelt es jedoch bei beiden Impfstoffen an der wissenschaftlichen Langzeitauswertung nach der zweiten Impfung. Es ist nämlich nach wie vor unbekannt, über welchen Zeitraum die zweite Impfung ggf. vor einer Hospitalisierung schützt. Solange diese Informationen nicht vorliegen kann keine Aussage über die Langzeiteffektivität der Impfungen getroffen werden. Selbst bei einem Schutz von beispielsweise weiteren 60 Tagen nach der zweiten Impfung, wären alle Geimpften nach zusammenfassend 90 Tagen wieder anfälliger und würden das Virus bei einer Re-Infektion als symptomlose Super-Spreader wieder verbreiten.

Das RKI räumt in seiner Stellungnahme an das Ministerium ein: „Weitere Daten belegen, dass selbst bei Menschen, die trotz Impfung PCR-positiv werden, die Viruslast signifikant reduziert wird und weniger lange anhält.“

Hier bestätigt sich der schon lange bestehenden Verdacht, dass Geimpfte trotz geringerer Virenlast zu asymptomatischen Super-Spreader werden können, wie der kürzlich in der Stadt Halle aufgetretene Fall dokumentiert, wo zwei geimpfte Mitarbeiter zahlreiche Patienten in zwei unterschiedlichen Kliniken infizierten. [Epoch Times berichtete]

Favorisierte Studie des RKI ohne Peer-Review

Ein weiteres unzureichendes Entscheidungsmerkmal offenbart die bereits erwähnte Studie, die auf medrxiv.org publiziert wurde. Diese vom RKI favorisierte Studie wurde bis heute weder auf medrxiv.org noch researchgate.net einem Peer-Review unterzogen.

Vielleicht auch deshalb nicht, weil die Studie durch die ISRAEL SCIENCE FOUNDATION (Grant Nr. 3633/19) im Rahmen des „KillCorona-Curbing Coronavirus Research Program“ finanziert wurde. Es handelt sich also um eine mehr oder weniger hausgemachte Studie des Staates Israel. Ob die Studie durch Israels Impfstoff Haus und Hoflieferant BioNtech/Pfizer im Hintergrund co-finanziert oder gar finanziert wurde kann nicht definitiv ausgeschlossen werden.

Diese Studie, die vom 23. Dezember 2020 bis 25. Januar 2021 mit 2.897 Patienten durchgeführt wurde, sagt somit auch nichts über den Impfstoff von Moderna oder AstraZeneca aus. In der Fußnote wird zudem ausdrücklich erwähnt, „HINWEIS: Dieser Preprint berichtet über neue Forschungsergebnisse, die noch nicht durch ein Peer-Review-Verfahren bestätigt wurden, und sollte nicht als Leitfaden für die klinische Praxis verwendet werden.“

Dieser Hinweis scheint jedoch einer Empfehlung des RKI nicht im Wege zu stehen. Damit beruft sich die Bundesbehörde auf Ergebnisse, die nicht in der klinischen Praxis verwendet werden sollten und empfiehlt darüber hinaus dem Bundesministerium für Gesundheit, diesen unwissenschaftlichen Pfad zu betreten.

Außerdem heißt es in der Zusammenfassung der Studie weiter: „Unser Bericht basiert auf einer Beobachtungsstudie, nicht auf einer randomisierten kontrollierten Studie, und hat mehrere damit verbundene Einschränkungen:

a) Die Gruppe der Geimpften kann sich von der demographisch angepassten Kontrollgruppe in Aspekten unterscheiden, die die beobachtete Viruslast beeinflussen könnten, wie z. B. Verhalten, Neigung, sich testen zu lassen, und allgemeiner Gesundheitszustand.

b) Verschiedene virale Varianten, die mit unterschiedlichen Viruslasten verbunden sein könnten, können verschiedene Teile der Bevölkerung betreffen.

c) Positive Tests nach der Impfung können für langfristige Infektionen mit niedriger Viruslast angereichert sein, die aus Übertragungsereignissen vor der Impfung stammen.

Die durchschnittliche Viruslast kann sich daher in längeren Zeiträumen nach der Impfung weiter verändern, wenn Infektionen stärker mit Vor-Immunisationsübertragungen angereichert sind.“

Patienten, die vor der Impfung bereits positiv getestet waren wurden ausgeschlossen. Ebenso wie Patienten, die 90 Jahre und älter waren. Jedoch wurden asymptomatische bereits Erkrankte in die Studie eingeschlossen, sofern diese zuvor nicht zufällig einen PCR-Test gemacht hatten. In diesen Fällen verfügten sie über ihren natürlichen Abwehrmechanismus und die zusätzliche Impfwirkung, was das Studienergebnis wenigstens teilweise erheblich verzerrt.

Als Kontrollgruppe wurden für jeden geimpften SARS-CoV-2-positiven Patienten zufällig ungeimpften positiven Patienten mit ähnlichen Merkmalen: gleiches Geschlecht, gleiches Alter (innerhalb von 10 Jahren) und gleiches Datum der ersten positiven Probe (innerhalb von 40 Tagen) herangezogen. (Anm.: Auch hier die Bestätigung, dass Geimpfte durchaus wieder positiv getestet werden können!)

Das Ergebnis der Studie zeigt außerdem, dass es innerhalb der ersten 11 Tage nach der Impfung in allen Ct-Wert Bereichen mit einem RT-PCR-Test keinen Unterschied gibt. Egal ob die Probanden eine Impfung erhalten hatten oder nicht. Erst ab dem 12. bis 28. Tag gibt es bei einem Ct-Wert von etwa 24 einen Unterschied. Allerdings enden die unterschiedlich verlaufenden Werte ab 36 Zyklen wieder auf einer gemeinsamen Linie.

Um Geimpfte zu erkennen, müssten die Ct-Werte aller RT-PCR-Test angepasst werden

Doch das ist ein Problem weil damit feststeht: „solange die deutschen Labore mit etwa 35 Zyklen testen lässt sich ein Unterschied zwischen Geimpften und Ungeimpften Positiven nicht erkennen.“

Wollte man Geimpften besondere Rechte einräumen müsste die gesamte Teststrategie Deutschlandweit angepasst werden. Ausnahmslos alle Labore dürften dann nur noch mit einem Ct-Wert von etwa 25 arbeiten, was jetzt nicht der Fall ist. Denn nur in diesem Spektrum ließe sich der Unterschied hinsichtlich der Virenlast eines Geimpften und Ungeimpften optimal darstellen. Selbst der Hinweis, dass es sich bei dem eingereichten Test um eine geimpfte Person handelt, würde in den Laboren zu Problemen führen, da die Maschinen in der Regel nicht für Einzeltests ausgelegt sind.

Etwas positives hätte es dennoch.

Sollte das Gesundheitsministerium eine Anweisung aussprechen, zukünftig bundesweit nur noch mit einem Ct-Wert von 25-26 zu testen, werden sich die vermeintlichen Infektionszahlen massiv verringern, weil damit grundsätzlich auch diejenigen durch das Raster fallen, die trotz einem Positivtest eine ebenso geringe Virenlast in sich tragen. Es wäre Wasser auf die Mühlen der Wissenschaftler, die seit Beginn der Pandemie angemahnt hatten, dass Tests mit 35 Zyklen und mehr die Infektionszahlen unnötig in die Höhe treiben.

Quellen:

Antwortschreiben des RKI an das Bundesministerium für Gesundheit
https://fragdenstaat.de/dokumente/9391-31003bewertungdesrkia/ (zuletzt abgerufen 08.04.2021, 18:42h)

Studien Schottland und England
https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2021/Ausgaben/12_21.pdf?__blob=publicationFile

Studien Antigen-Schnelltests
https://www.cochranelibrary.com/cdsr/doi/10.1002/14651858.CD013705.pub2/full/de?contentLanguage=de

Studie der ISRAEL SCIENCE FOUNDATION (RT-PCR-Test Vergleich zwischen Geimpften und Ungeimpften)
https://www.medrxiv.org/content/10.1101/2021.02.06.21251283v1



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