Internationaler Tag der Milch: „Bio“ ist nicht immer die Lösung

Anlässlich des internationalen Tags am 1. Juni 2022 teilte das Statistische Bundesamt aktuelle Zahlen, demnach der Verbrauch in Deutschland jüngst zurückgegangen ist. Doch Milch ist nicht gleich Milch und Bio bedeutet nicht unbedingt tierfreundlich.
Bio-Milch ist kein Garant, dass Kühe und Kälber auf einer Weide grasen.
Kälber auf der Weide.Foto: iStock
Von 1. Juni 2022

Im vergangenen Jahr lag der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch von Milch und Milchprodukten laut Statistischem Bundesamt bei rund 84 Kilogramm. Damit ist der hiesige Konsum seit 2010 (rund 92 Kilogramm) leicht rückläufig.

Ebenfalls zurückgegangen sind 2021 Produktion und Konsum von Trinkmilch, die nach Angaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung mit durchschnittlich 47,8 Litern pro Kopf den niedrigsten Wert seit 2002 erreichten. 2021 wurden in Deutschland 7,6 Milliarden Liter Trinkmilch zum Absatz erzeugt. Im Jahr 2003 wurden noch 8,9 Milliarden Liter hergestellt.

Glückliche Kühe leider die Ausnahme

Trotz dieser Tendenz sind diese Zahlen für einige zu hoch. So sieht die internationale Tierschutzstiftung „Vier Pfoten“ zahlreiche Probleme: Diese reichen von Qualzuchten von „Turbokühen“ über lebenslange Anbindehaltung und die Trennung von Kuh und Kalb direkt nach der Geburt bis hin zu langen Transporten von Kälbchen und deren späterer Mast in engen Stallanlagen.

„Viele [Verbraucher] kennen die Tierschutzprobleme der Milchproduktion nicht“, erklärt Dr. Nora Irrgang, Nutztierexpertin der Stiftung. „Kühe können nur Milch geben, wenn sie Nachwuchs bekommen.“ Für die „zuhauf ‚produzierten‘ Kälber“ gebe es jedoch keinen Markt. „Sie werden von ihren Muttertieren getrennt und auf lange Tiertransporte geschickt.“

Die Überzüchtung auf extrem hohe Milchmengen und riesige Euter führe bei Milchkühen zudem zu großen Gesundheitsproblemen, einschließlich Euterentzündungen, Stoffwechselerkrankungen und Lahmheiten. Auch die schmerzhafte Enthornung von wenige Tage alten Kälbern mit einem 600 Grad heißen Brennstab ohne lokale Betäubung ist laut „Vier Pfoten“ nach wie vor Standard in deutschen Milchbetrieben.

Viele (Milch-)Kühe in Deutschland leben in Laufställen. Nur eine Minderheit deutscher Milchkühe habe im Sommer Zugang zu Weiden. 2020 standen noch über eine Million Kühe in sogenannter Anbindehaltung – und hatten keine Möglichkeit, sich zu bewegen.

Hinzu kommt, „wenn die Muttertiere nach durchschnittlich knapp drei Jahren der ‚Nutzung‘ ausgelaugt sind, krank werden oder nicht mehr genug Milch geben, werden sie geschlachtet. Der romantische Hof mit glücklichen Kühen auf der Weide ist nicht die Regel“, so Dr. Irrgang. In der Realität litten Millionen Kühe unter schlechter Haltung, unzureichendem Management oder körperlicher Überforderung.

Schlecht für Kühe, Kälber und Menschen

Doch auch die Kälber litten unter der produktionsoptimierten Tierhaltung. Damit das Kalb nicht die Milch der Mutter trinkt, werden die beiden gleich am ersten Tag nach der Geburt voneinander getrennt. Da die Kälber ohne Mutter aufwachsen müssten, fehle ihnen die mütterliche Fürsorge. Andererseits fehlen den Müttern ihre Kälber.

Männliche Kälber seien zudem weder für die Milch- noch die Fleischindustrie interessant. Das gleiche Schicksal ereile den Anteil weiblicher Kälber, der nicht zur Nachzucht verwendet wird. Sie werden meist im Alter von zwei Wochen und damit viel zu jung verkauft. Da diese Tiere allerdings keinen Markt in Deutschland haben, gingen die Transporte oft ins Ausland. Das wirft das nächste Problem auf, denn die Jungtiere seinen noch nicht entwöhnt beziehungsweise „abgesetzt“ und ihrerseits auf Milch angewiesen.

Auf den oft stundenlangen Transporten ohne altersgerechte Flüssignahrung litten sie unter Durst und Hunger, so „Vier Pfoten“. Viele von ihnen sterben auf der langen Reise oder in den Tagen nach der Ankunft aufgrund der Strapazen. Da das Immunsystem der Kälber in diesem Alter noch nicht ausgebildet ist, werden diese Tiere so gut wie immer mit Antibiotika behandelt. Das fördere wiederum die Bildung von resistenten Keimen, die schließlich auch der Gesundheit der Menschen schaden können.

„Bio“-Milch nicht unbedingt die Lösung

Wer nicht auf Milchprodukte verzichten, aber etwas für die Tiere tun möchte, sollte auf Bio- und Weidemilch zurückgreifen. Kühe in Biohaltung haben mehr Platz im Stall, Auslauf außerhalb des Stalls und im Sommer meist auch Zugang zur Weide. Möchten Milchtrinker sichergehen, dass „ihre“ Kühe nicht ihr ganzes Leben im Stall verbracht haben, könnten diese zu „Weidemilch-Labeln“ greifen. Diese garantieren zumindest saisonalen Weidegang.

„Doch Vorsicht: Weder die EU-Bio-Richtlinien noch die Vorgaben von Weidemilch-Labeln verbieten, ein Kalb direkt nach der Geburt von der Mutter zu trennen und es in einen konventionellen Maststall mit Vollspaltenbuchten ohne jeglichen Auslauf zu verkaufen“, warnt Dr. Irrgang. Auch das Enthornen sei bei Weidemilch und Bio nicht verboten – zwar dürfe es bei Bio nicht routinemäßig erfolgen, doch werde es trotzdem sehr häufig durchgeführt. Bei Bioland, Biokreis und Gäa ist laut der Tierschutzstiftung beim Enthornen die Betäubung und Schmerzbehandlung vorgeschrieben. Die Verbände Demeter und Verbund Ökohöfe verbieten das Enthornen grundsätzlich.

Auch Anbindehaltung sei bei den meisten Bio-Labeln nicht komplett verboten. Für Kleinbetriebe in Kombination mit Weidegang und regelmäßigem Auslauf in der Stallsaison gebe es Ausnahmen. Ausnahmen. Einen kompletten Verzicht praktizierten Biopark, Ecoland und der Verbund Ökohöfe. Bei Bioland und Gäa gelte hingegen das ausnahmslose Verbot einer Anbindung von Jungrindern unter einem Jahr. Eine permanente und lebenslange Anbindehaltung wäre nach Biorichtlinien nicht möglich. Diese gebe es laut „Vier Pfoten“ jedoch zum Beispiel „bei konventioneller Milch vor allem aus Bayern oder Baden-Württemberg, etwa bei den Molkereien Bauer und Zott“.

Die beste Alternative bei Milchprodukten ist aus Tierschutzsicht die muttergebundene Kälberaufzucht. Dabei haben die Kälber drei bis vier Monate sozialen Kontakt zu ihrer Mutter. Diese Praxis sei allerdings noch sehr selten.

Belgien erneut wichtigster Nicht-Milch-Lieferant

Wer ganz auf tierische Produkte verzichten möchte, findet ebenfalls Alternativen. Der Trend zu pflanzlichen Milchalternativen könne laut Statistischem Bundesamt ein Grund für den sinkenden Milchverbrauch sein. Der Anteil tierischer Trinkmilch liegt mit über 96,2 Prozent jedoch klar vorn.

Im Jahr 2021 wurden demnach 296,1 Millionen Liter Pflanzendrinks nach Deutschland importiert. Das waren 42,0 Prozent mehr als im Vorjahr (208,5 Millionen Liter). Gegenüber 2017 haben sich die Importe mehr als verdreifacht. Wie auch im Jahr 2020 stammte im vergangenen Jahr der größte Teil der importierten Pflanzendrinks (35,4 Prozent) aus Belgien. Wichtige Lieferanten sind außerdem Schweden (23,4 Prozent), Italien (13,3 Prozent), Österreich (10,8 Prozent) und Frankreich (10,3 Prozent).

Mit Material von „Vier Pfoten“ und Destatis.



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