Korallen in Gefahr: Beleuchtung von Küstenstädten hemmt Fortpflanzung

Für die Fortpflanzung orientieren sich Korallen am Mond. Zusätzliches Licht, etwa aus Küstenstädten, stört diesen Mechanismus, wie Forscher jüngst herausfanden.
Korallen in geringen Wassertiefen sind durch künstliches Licht gefährdet.
Korallen in geringen Wassertiefen sind durch künstliches Licht gefährdet.Foto: iStock
Von 27. Mai 2023

Korallen können sich auf verschiedene Weise vermehren. Bricht beispielsweise ein Ast einer Koralle ab, kann er an einem neuen Platz weiterwachsen. Geschlechtliche Fortpflanzung ist im Wasser zwar möglich, erfordert aufgrund verschiedener Faktoren wie der Strömung jedoch eine entsprechende Koordination. Das geschieht im Regelfall über die Mondphasen – so denn die Korallen den Mond und nicht künstliches Licht sehen.

Diesen Mechanismus haben Forscher um Dr. Thomas Davies, Dozent für Meeresschutz an der Universität von Plymouth, jüngst untersucht. Demnach kann die Küstenbeleuchtung Korallen dazu verleiten, außerhalb der optimalen Zeiten zu laichen. Das kann den Erhalt und die Erholung der Riffe gefährden.

Die in „Nature Communications“ veröffentlichte Studie baut auf einer im Dezember 2021 veröffentlichten Untersuchung. Im ALICE-Projekt untersuchten und kartierten die Forscher die am stärksten von Lichtverschmutzung betroffenen Meeresgebiete. Sie berechneten, dass 3,1 Prozent der Küstenmeere in einem Meter Tiefe künstlichem Licht bei Nacht (Artificial Light At Night, ALAN) ausgesetzt sind. Weltweit summiert sich das auf 1,9 Millionen Quadratkilometer. Das entspricht mehr als der fünffachen Fläche Deutschlands.

Wenn der Vollmond ruft

Für die neue Studie verknüpften die Forscher diese Daten mit einem globalen Datensatz von 2.135 Beobachtungen von Korallenlaich der letzten zwei Jahrzehnte. So konnten sie nachweisen, dass ALAN möglicherweise die Auslöser für das Laichen vorverlegt. Dies geschehe, indem das künstliche Licht in den Nächten nach Vollmond und zwischen Sonnenuntergang und Mondaufgang eine wahrgenommene Periode minimaler Beleuchtungsstärke schafft.

Damit konnten sie erstmals zeigen, dass Korallen, die nachts künstlichem Licht ausgesetzt sind, ein bis drei Tage näher am Vollmond laichen als Korallen an unbeleuchteten Riffen. Das Ablaichen in unterschiedlichen Nächten wiederum verringert die Wahrscheinlichkeit, dass Koralleneier befruchtet werden können und überleben. Dadurch bildeten sich weniger neue erwachsene Korallen, die den Riffen helfen, sich nach Bleichereignissen und anderen Störungen zu erholen.

Die beleuchtete Skyline von San Diego spiegelt sich im Pazifik

Küstenstädte wie San Diego lassen den Ozean auch nachts nicht richtig dunkel werden. Foto: iStock

Anhand der weltweiten Beobachtungsdaten konnten Davies und Kollegen zudem Orte ausmachen, an denen Korallen besonders betroffen sind. Dies treffe vorwiegend auf Riffe im Roten Meer und im Persischen Golf zu. Die Korallen im Golf von Aqaba sind für ihre thermische Toleranz und ihre Fähigkeit, hohen Temperaturen zu widerstehen, bekannt – gegen künstliches Licht helfe dies jedoch nicht.

Generell zeige sich zudem, dass die größten Risiken in Gebieten liegen, in denen die Küsten in den vergangenen Jahren stark ausgebaut wurden.

Licht aus ist auch (k)eine Lösung

„Diese Studie unterstreicht erneut die Bedeutung der künstlichen Lichtverschmutzung als Stressfaktor für Küsten- und Meeresökosysteme. Wobei die Auswirkungen auf verschiedene Aspekte der biologischen Vielfalt erst jetzt entdeckt und quantifiziert werden. […] Unser globaler Atlas der Lichtverschmutzung im Wasser ermöglicht es zum ersten Mal, das wahre Ausmaß des Problems aufzuzeigen“, bilanzierte Dr. Tim Smyth, wissenschaftlicher Leiter für marine Biogeochemie und Beobachtungen am Plymouth Marine Laboratory.

Dr. Davies ergänzte: „Korallen sind für die Gesundheit der Weltmeere von entscheidender Bedeutung. [Sie] werden aber durch menschliche Aktivitäten zunehmend geschädigt. Diese Studie zeigt, dass nicht nur die Veränderungen im Ozean Auswirkungen auf die Korallen haben, sondern auch die fortgesetzte Entwicklung der Küstenstädte.“

„Wenn wir die dadurch verursachten Schäden abmildern wollen, könnten wir vielleicht versuchen, das Einschalten der nächtlichen Beleuchtung in den Küstenregionen zu verzögern. […] Das würde möglicherweise eine Reihe von wirtschaftlichen und sicherheitstechnischen Fragen aufwerfen, ist aber etwas, das wir in Betracht ziehen müssen, um unseren Korallenriffen die bestmöglichen Überlebenschancen zu geben“, so der Hauptautor der Studie weiter.



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