Erosion im Zeitraffer: Überflutungen formen Landschaften binnen Tagen
Mitte Juli ließ Starkregen Ahr und Erft über die Ufer treten. Das Jahrhunderthochwasser sorgte weit über die Landesgrenzen hinaus für Schlagzeilen. Ein einmaliges Ereignis oder allein dem Klimawandel geschuldet ist es nicht. Die Chroniken der betroffenen Dörfer dokumentieren ähnliche „Auswirkungen der Erderhitzung“ in nahezu perfekten 100-Jahres-Abständen, konkret in den Jahren 1601, 1719, 1804 und 1910.
Ähnliche Überflutungen gab es im Nordwesten der Vereinigten Staaten und in Zentralasien am Ende der letzten Eiszeit vor mehr als 15.000 Jahren, als Schmelzwasser seine eisigen Dämme sprengte und beispielsweise den Palouse River Canyon grub. In der jüngeren Geschichte wiederholten sich solche Ereignisse mit der „Black Hills Flut“ 1972 und der Überflutung am Oroville-Damm im Frühjahr 2017.
Dass auch die Verwüstung – genauer gesagt, die Menge des transportierten Sediments – nicht ungewöhnlich ist, belegte jüngst eine Studie über Erosion auf dem Mars. Obwohl Flutrinnen, also Täler, die infolge starker Überflutungen entstanden sind, auf unserem kosmischen Nachbarn lediglich ein Bruchteil aller Täler ausmachen, beförderten sie etwa ein Viertel des ausgehobenen Materials.
Dabei läuft Erosion keineswegs immer langsam und Körnchen für Körnchen ab. Kilometerlange und über einhundert Meter tiefe Täler können binnen Wochen, Tagen oder sogar Stunden entstehen. In kleinerem Maßstab, aber trotzdem mit katastrophalen Auswirkungen, zeigte sich diese Erosion im Zeitraffer auch an der Kiesgrube Erftstadt-Blessem.
Kein einmaliges Ereignis
„Wenn wir darüber nachdenken, wie Sedimente auf dem antiken Mars durch die Landschaft bewegt wurden, dann waren Überschwemmungen durch [brechende Kraterseen] ein wirklich wichtiger globaler Prozess“, sagte Timothy A. Goudge, Assistenzprofessor für Geowissenschaften an der Universität von Texas. „Und das ist ein etwas überraschendes Ergebnis, weil man sie so lange für einmalige Anomalien gehalten hat.“
Heute ist das meiste Wasser auf dem Mars in gefrorenen Eiskappen eingeschlossen. Vor Milliarden Jahren floss es frei über die Oberfläche und bildete reißende Flüsse, die Meteoritenkrater in Seen verwandelten. Einige dieser Kraterseen konnten die Wassermenge eines kleinen Meeres aufnehmen.
Wenn das Wasser zu viel wurde, brach es über den Rand des Kraters wie ein überlaufender Stausee. Die Folgen sind in beiden Fällen katastrophale Überschwemmungen. In einer früheren Studie stellten Forscher um Professor Goudge unter Beteiligung der NASA bereits fest, dass sich diese Ereignisse sehr schnell, „vielleicht innerhalb weniger Wochen“ ereigneten.
Allerdings wurden bisher Kraterseen und ihre Flusstäler meist nur einzeln untersucht, so der Geologe. In der Ende September in der Fachzeitschrift „Nature“ vorgestellten Studie untersuchte sein Team, wie Überflutungen infolge brechender Seen die Oberfläche des Roten Planeten als Ganzes geformt haben. 262 ehemalige Kraterseen hatten die Forscher zuvor anhand von Satellitenbildern identifiziert.
Genug Sediment um die halbe Ostsee zu füllen
Für die Untersuchung folgte eine Unterteilung in zwei Kategorien: Täler, die am Rand eines Kraters beginnen. Das deute darauf hin, dass sie sich während einer Überschwemmung durch einen brechenden Krater gebildet haben. Die zweite Gruppe umfasste Täler ohne markanten Anfangspunkt an einem Krater, was auf eine allmähliche Entstehung im Laufe der Zeit hindeute.
Anschließend verglichen die Wissenschaftler die Täler hinsichtlich Tiefe, Länge und Volumen. Dabei stellten Professor Goudge et al. fest, dass Flutrinnen überproportional stark zur Erosion beigetragen haben. „Mindestens 24 Prozent“ des Volumens der Flusstäler auf dem Roten Planeten ließen sich auf Überschwemmungen durch brechende Kraterseen zurückführen. Gleichzeitig machen Flutrinnen nur etwa drei Prozent der Länge aller Täler aus.
„Diese Diskrepanz ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass die Auslassschluchten deutlich tiefer sind als andere Täler“, so Alexander Morgan, Mitautor der Studie und Forscher am Institut für planetare Wissenschaft.
Mit knapp über 170 Meter graben sich Flutrinnen mehr als doppelt so tief in die Landschaft wie andere Flusstäler, die im Laufe der Zeit allmählich entstanden sind. Ihre mittlere Tiefe liegt demnach bei etwa 77,5 Metern. Insgesamt errechneten die Forscher, dass die Überschwemmungen, die wahrscheinlich nur wenige Wochen andauerten, mehr als genug Sediment abtrugen, um den Lake Superior und den Lake Ontario vollständig zu füllen. Das entspricht etwas mehr als der halben Ostsee.
Die Ergebnisse widerlegten dennoch nicht die Bedeutung der Flussbildung durch ablaufenden Niederschlag auf dem frühen Mars, so Morgan weiter. Im Gegenteil, Flüsse und Niederschlag mussten lange genug stabil sein, damit sich (Krater-)Seen füllten.
Erosion formt Landschaften binnen Augenblicken
Obwohl diese Flutrinnen in einem geologischen Augenblick entstanden sind, haben sie die umliegende Landschaft möglicherweise nachhaltig beeinflusst. Die Studie deutet darauf hin, dass sie so tiefe Canyons ausspülten, dass sie die Bildung anderer Flusstäler in der Nähe beeinflusst haben könnten. Laut den Autoren ist dies eine mögliche alternative Erklärung für die einzigartige Topografie der Flusstäler auf dem Mars, die normalerweise auf das heute sehr trockene Klima zurückgeführt wird.
Die Studie von Professor Goudge zeigt hingegen, dass die Flutrinnen der brechenden Kraterseen eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der Marsoberfläche gespielt haben. Auf der Erde habe die Geologie die meisten Krater weggewischt. Große Krater blieben einfach nicht sehr lange erhalten, was die Erosion durch Flüsse – in den meisten Fällen – zu einem langsamen und stetigen Prozess gemacht hat.
„Wenn man [die Krater] mit Wasser füllt, wird eine Menge gespeicherte Energie freigesetzt“, so Goudge. „Es ergibt Sinn, dass der Mars in diesem Fall eher von Katastrophismus geprägt ist als die Erde.“ Und Morgan ergänzte:
Es wäre eigentlich ein überraschender Befund gewesen, wenn die Überschwemmungen […] kein wesentlicher Faktor für die Erosion […] gewesen wären.“
Analog lässt sich die Kiesgrube in Erftstadt-Blessem betrachten. Die Abbruchkante der Kiesgrube in Verbindung mit dem Hochwasser der Erft schuf die Voraussetzung, dass das Wasser binnen Tagen große Mengen Sediment von den Feldern spülte und tiefe Gräben in Richtung Stadt hinterließ. Wobei davon auszugehen ist, dass das entstandene Tal mittelfristig erhalten bleibt – und entweder Kiesgrube oder Flusslauf nicht wieder an ihren alten Platz zurückkehren.
Devestating example of headward erosion around the town of Blessem, from @BezRegKoeln. I hope everyone is safe. It’s clear from GoogleEarth that overbank flow from the Erft, dropping to the lower level of an open quarry, induced this headward erosion. pic.twitter.com/cUAwkRNs28
— Ian Kane (@SedLogic) July 16, 2021
(Mit Material der Jackson School of Geosciences an der University of Texas (Austin) sowie des Instituts für planetare Wissenschaft)
Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung Ausgabe Nr. 15, vom 23. Oktober 2021, Ausgabe Nr. 15
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