Tanz mal ganz anders: Drei richtungsweisende historische Gemälde

Drei Gemälde aus dem 16., 17. und 18. Jahrhundert zeigen, was künstlerische Ausdrucksfähigkeit zu leisten imstande war: Zwei von ihnen versetzen den Betrachter in gesellschaftliche Anlässe vergangener Jahrhunderte, während eines als Allegorie gedacht ist. Alle lohnen einen genauen Blick und eine genaue Beschäftigung.
Titelbild
„La Camargo Dancing“, um 1730, von Nicolas Lancret. Öl auf Leinwand; 30 mal 42 Zentimeter. National Gallery of Art, Washington, D.C.Foto: Public Domain
Von 17. August 2023

Tanz, jener ursprüngliche Wesenszug unseres Menschseins, findet seinen Ausdruck seit jeher auch in der Malerei. Berühmte Beispiele, die zu den schönsten und beliebtesten Werken der Kunstgeschichte gehören, stellen dieses Thema in verschiedenen Stilen dar. Historienmalerei, Porträts und Genreszenen zeigen mythische Figuren, Aristokraten und Bürgerliche, die ihren Körper im Tanz bewegen.

Ausschnitt aus dem Zyklus des Glücks: Armut, Arbeit, Reichtum und Vergnügen. Das Vergnügen (l.) lächelt, während sie der Armut (Mann mit dem Rücken zum Betrachter) die Hand reicht, während der Reichtum widerwillig der Arbeit (r.) die Hand reicht. Foto: Public Domain

Ein Tanz zur Musik der Zeit

Der französische Maler Nicolas Poussin (1594–1665) gilt als einer der bedeutendsten Künstler des Barock. Er wird als „Vater des französischen Klassizismus“ bezeichnet, obwohl er die meiste Zeit seiner Karriere in Rom verbrachte. Zu seinen namhaften Förderern gehörten König Ludwig XIII. von Frankreich, König Philipp IV. von Spanien und Kardinal Richelieu.

Poussin war ein glühender Verehrer der klassischen Prinzipien der antiken Kunst; er strebte in seinen präzisen Kompositionen danach, deren Reinheit, Würde, Formalismus, Wissenschaftlichkeit und Struktur zu erreichen. Tanzende Figuren aus der antiken Bildhauerei inspirierten ihn besonders. Er schuf eine Reihe von Gemälden zum Thema Tanz, von denen „Ein Tanz zur Musik der Zeit“ das bedeutendste ist. Es wurde auf Geheiß von Giulio Rospigliosi (dem späteren Papst Clemens IX.) angefertigt.

In „Ein Tanz zur Musik der Zeit“ befinden sich die Hauptfiguren in ewiger Bewegung, und doch gelingt es Poussin, mit harmonischen Farben und Linien ein Gefühl von weltentrückter Stille zu erzeugen. Es handelt sich um ein allegorisches Gemälde, das in einer pastoralen Landschaft angesiedelt ist. Die Bedeutung ist offen für Interpretationen.

Das Thema geht auf einen Auszug aus „Les Dionysiaques“ von Claude Boitet de Frauville zurück, in dem es um die Jahreszeiten und die Götter Jupiter und Bacchus geht. Die in einem Kreis angeordneten Figuren, die sich an den Händen halten, können als die personifizierten Jahreszeiten angesehen werden. Sie tanzen, während der geflügelte Vater Zeit auf der rechten Seite die Leier spielt. Ein Sockel auf der linken Seite wird von den skulptierten Köpfen eines jungen und eines älteren Bacchus gekrönt.

Das Gemälde ist ein Symbol für die verschiedenen Zustände des menschlichen Daseins, denn die tanzenden Figuren bewegen sich im Rhythmus durch den ewigen Kreislauf des Lebens. Die Figuren stehen für Armut, Arbeit, Reichtum und Vergnügen und zeigen: Übertriebenes Vergnügen führt in die Armut.

Dem Betrachter zugewandt sind Vergnügen (mit dem blauen Oberteil) und Reichtum (mit dem weißen Oberteil). Reichtum trägt schillernde Seidenkleidung (zwei- oder mehrfarbige Garne, die ein schillerndes Aussehen erzeugen) und Perlen in ihrem Haar.

Vergnügen trägt einen Blumenkranz wie eine Krone im Haar und trägt fließende Gewänder, was durch den betörenden Gesichtsausdruck noch unterstrichen wird.

Auf beiden Seiten der Leinwand steht ein Putto (Figur eines nackten Knaben). Der eine hält eine Sanduhr, der andere pustet Seifenblasen – beides symbolisiert die Kürze des Lebens.

Die Vignette am oberen Rand der Leinwand spielt am frühen Morgen. Aurora, die Göttin der Morgenröte, führt den ganzen Tross am Himmel an. Nach ihr kommt der Wagen des Sonnengottes Apollo, der einen Ring hält, der den Tierkreis darstellt. Die Horen, die Göttinnen der Zeit, folgen zum Schluss und verstärken das Gefühl der vergehenden Zeit.

La Camargo tanzt

Die Kunstform des Balletts erreichte in Frankreich ihren Höhepunkt etwa in der Mitte des 17. Jahrhunderts. Zunächst wurde es vor allem von adeligen Männern bei Hofe aufgeführt und umfasste in der Regel die Darstellung antiker klassischer Themen. König Ludwig XIV. – der „Sonnenkönig“ – war selbst ein geschickter und engagierter Tänzer.

Nach und nach spielten Frauen eine wichtigere Rolle im Ballett. Marie de Camargo (1710–1770), die am Pariser Opéra Ballet tanzte, war einer der größten Stars der ersten Generation professioneller Tänzerinnen. Camargo war für ihre Athletik und technische Brillanz bekannt. Sie konnte es mit den männlichen Tänzern aufnehmen und erweiterte das damalige Repertoire um neue Schritte. Damit sie dynamische Schrittfolgen meistern konnte, verkürzte sie die Röcke ihrer Kostüme. Sie war möglicherweise auch eine der ersten Balletttänzerinnen, die Schläppchen anstelle von Schuhen mit Absätzen trugen. Sie war eine Trendsetterin in Sachen Mode – von den Schuhen bis zu den Frisuren.

Detail der Tänzer aus „La Camargo Dancing“ (um 1730) von Nicolas Lancret. Foto: Public Domain

Camargo war die Muse des Künstlers Nicolas Lancret (1690–1743), der mehrere Gemälde von ihr anfertigte, die später in Kupferstiche umgesetzt wurden. Das berühmteste Gemälde aus dieser Serie „La Camargo Dancing“ war das erste, das er schuf.

Lancret war ein hochtalentierter Nachfolger von Antoine Watteau und auch er malte „fêtes galantes“ – also kleinformatige Werke, die Gruppen eleganter, schön gekleideter Männer und Frauen in einer parkähnlichen Umgebung zeigen. Lancret entwickelte jedoch seinen eigenen, unverwechselbaren Stil, indem er Szenen schuf, die einen direkteren Bezug zur zeitgenössischen Gesellschaft herstellten, und verwendete kühnere und lebhaftere Farben. Seine Werke waren sehr beliebt und fanden Eingang in die Sammlungen der Schlösser Versailles und Sanssouci. Im Schloss Friedrichs des Großen in Potsdam fand „La Camargo Dancing“ seine erste Bleibe.

Die Komposition von „La Camargo Dancing“ zeigt stilvoll gekleidete Zuschauer, die in einer kunstvollen „S“-Kurve angeordnet sind. Sie akzentuieren die Bewegung des tanzenden Paares beim Pas de deux. Das Paar tanzt zu Musik, die von Instrumentalisten gespielt wird, die teilweise von Bäumen auf der linken Seite verdeckt werden. Lancret malte damit eine Genreszene der Fête Galante, gleichzeitig aber auch ein zeitgenössisches Porträt.

La Camargo – noch in Stöckelschuhen – trägt ein eisblaues Kleid, das mit blauen, rosafarbenen und goldenen Blumen verziert ist, die ihr Kleid von den Ärmeln bis zum Saum damit schmücken. Dies lenkt den Blick des Betrachters auf ihre Fußarbeit in der Ballettposition à demi-pointé.

In der grünen Landschaft sind sogar die Bäume anmutig – hoch, mit schlanken Stämmen, aber mit schattenspendenden Baumkronen. Ein steinerner Sockel mit einem Kopf, der einen Lorbeerkranz trägt, ist eine Anspielung auf die Epoche der Antike und erinnert an die Statue in Poussins „Tanz zur Musik der Zeit“. Der Brunnen auf der rechten Seite trägt mit seinem sanft sprühenden Wasser zur Waldidylle bei. Lancret verbindet nicht nur Theatralik und Landschaft, sondern schafft auch Poesie.

Der Hochzeitstanz

Ein Gegenstück zu den dekorativen Gemälden des kultivierten und kodifizierten Tanzes findet sich im Werk des Künstlers Pieter Bruegel des Älteren (um 1525–1569). Als „Bauern-Bruegel“ ist er bekannt für seine komplexen, detaillierten und unidealisierten Darstellungen des niederländischen Bauernalltags (im heutigen Belgien), die auf direkten Beobachtungen beruhen.

Konkrete biografische Details über ihn gibt es wenige, jedoch war er das erfolgreichste Mitglied einer Künstlerfamilie, die mehrere Generationen umspannte. Die bekannten Künstler Pieter Brueghel der Jüngere und Jan Brueghel der Ältere waren seine Söhne. Ruhm und Einfluss erlangte Bruegel durch die Verbreitung von Drucken.

„Der Hochzeitstanz“ von Pieter Bruegel dem Älteren (1525–1569). Öl auf Holzplatte; 47 mal 62 Zentimeter. Detroit Institute of Arts. Foto: Public Domain

Eines seiner bekanntesten Gemälde ist der temperamentvolle „Hochzeitstanz“. Es zeigt eine heitere Szene auf einer Hochzeitsfeier, die in einem Wald stattfindet. Die schwarz gekleidete Braut (wie es damals üblich war) tanzt ausgelassen mit ihren Gästen, während rechts ein Sackpfeifer spielt. Die Figuren sind mit einfachen und breiten Strichen gemalt. Auffällig ist die Verwendung von geschwungenen Linien für einzelne Personen, und die Art und Weise, wie sie gruppiert sind, verstärkt den schwungvollen Eindruck des Bildes.

Das Gefühl von Bewegung wird durch die leuchtenden Farben, die Bruegel wählte, noch verstärkt, auch wenn einige von ihnen im Laufe der Zeit verblasst sind. Jüngste wissenschaftliche Analysen zeigen, dass viele der rötlichen Grau- und Brauntöne ursprünglich violett-blau waren. Das instabile Pigment, das jetzt eine staubige Farbe angenommen hat, wurde damals durch das Schleifen von Kobaltglas hergestellt.

Die akademische Diskussion über den „Hochzeitstanz“ verläuft – wie bei vielen Werken Bruegels – uneinheitlich und offenbart die Komplexität und Originalität seines Werks. Es gibt zahlreiche Interpretationen – von moralischen Lehren bis hin zu politischen Standpunkten. Im ersten Fall kann man darin eine Mahnung vor einem rüpelhaften und ausschweifendem Lebenswandel sehen, da er zur Sünde führt.

Eine andere Lesart ist, dass Bruegel die Unterdrückung des Protestantismus durch den katholischen spanischen König, der in den niederländischen Provinzen regierte, widerlegen oder ablehnen wollte. Viele Bauern praktizierten damals den Protestantismus. Mit seinem Gemälde zelebriert er eine Fröhlichkeit, die vom damaligen Katholizismus verpönt war.

Ungeachtet der gegensätzlichen Interpretationen ist man sich einig, dass dieses Gemälde nicht einfach eine Nachstellung einer Tanzszene aus dem Alltag ist, sondern vielmehr den Humor und den Witz des Künstlers sowie tiefere Bedeutungen zeigt.

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel: „Dance Through the Ages“ (deutsche Bearbeitung mk)



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