Hohenschönhausen: Lengsfeld warnt davor, „erinnerungspolitische Botschaft umzudeuten“
Das ehemalige geheime Untersuchungsgefängnis der Staatssicherheit in Berlin-Hohenschönhausen ist der mit Abstand wichtigste authentische Ort zur Erinnerung an die Schrecken und Perfidität der SED-MfS-Diktatur in Ostdeutschland. Dieser für die DDR-Erinnerungsarbeit so wichtige Ort, der in den vergangenen 15 Jahren eine große Erfolgsgeschichte war, muss unbedingt geschützt und weiterentwickelt werden.
In den vergangenen Wochen geriet die Gedenkstätte negativ in die Schlagzeilen. Dem stellvertretenden Direktor Hellmuth Frauendorfer wurde von ehemaligen Mitarbeiterinnen sexistisches Verhalten vorgeworfen. Über seinen Anwalt legte Frauendorfer ein Teilgeständnis ab, indem er einräumte, es an notwendiger Sensibilität fehlen lassen zu haben. Er wurde daraufhin vom Leiter der Gedenkstätte Hubertus Knabe beurlaubt.
Doch der Stiftungsrat ging in einer Krisensitzung deutlich weiter: Er beschloss einstimmig, den Gedenkstättenleiter Hubertus Knabe abzusetzen. Begründung: Man traue ihm die notwendigen Veränderungen in der Gedenkstätte nicht zu. Der Entscheidungsprozess wirkt überhastet, undurchdacht und gerade wegen der Einstimmigkeit, angesichts seiner klaren und starken politischen Positionierung, insbesondere in Hinblick auf die SED-PDS-Linkspartei, politisch fragwürdig – deshalb gibt es jetzt deutliches Unverständnis und Proteste gehen die Art des Vorgehens. Es muss eine unvoreingenommene Untersuchung der Vorwürfe und der dann erfolgten Abläufe geben. Es bleibt abzuwarten, wie ein Gericht diese Vorgänge beurteilen wird. Trotzdem wird der personelle Neuanfang in Hohenschönhausen stattfinden – vergleichbare Abläufe in Wirtschaft und Politik lassen da keinen Zweifel.
Damit steht die Gedenkstätte an einem Scheideweg: Insbesondere Kultursenator Klaus Lederer, Landesvorsitzender der Linkspartei, aber als Jahrgang 1974 ohne persönliche Verantwortung für das DDR-Unrecht, muss dem Eindruck entgegenwirken, die Krise in Hohenschönhausen werde dazu benutzt, um die Konzeption der Gedenkstätte zu verändern, die erinnerungspolitische Botschaft umzudeuten und damit die Gedenkstätte und die Gedenkarbeit insgesamt zu schwächen.
Denn Hohenschönhausen – und dies sage ich als auch als langjährige Zeitzeugenreferentin – beeindruckt jeden Besucher. Aber dieser Ort ist noch viel mehr: Die Gedenkstätte in der ehemaligen Zentralen Untersuchungshaftanstalt der Staatssicherheit ist ein Projekt politischer Gefangener. Nach dem Mauerfall hatte die Stasi die politischen Gefangenen sehr schnell entlassen. Sie holte aus den überfüllten Strafanstalten der DDR Kriminelle in die leer gewordenen Zellen und hoffte, als Betreiber einer normalen Strafanstalt sich in die Deutsche Einheit retten zu können. Das misslang zum Glück gründlich. Am 4.Oktober 1990 wurde das Gefängnis geschlossen. Das Schicksal von Hohenschönhausen war damit aber ungewiss.
Es gab Pläne des Senats von Berlin, das Gelände in ein Gewerbegebiet umzuwandeln. Dies wurde verhindert, indem ehemalige politische Gefangene anfingen, Führungen auf dem Gelände zu geben. Diese waren bald so erfolgreich, dass aus dem Projekt eine „Gedenkstätte in Gründung“ wurde. Seit dem Jahr 2000 ist es eine zentrale Gedenkstätte, finanziert vom Land Berlin und dem Bund. Die Leitung übernahm Hubertus Knabe.
Unter Knabes Leitung profilierte sich die Gedenkstätte zum wichtigsten Erinnerungsort an die zweite deutsche Diktatur. Mit dem Zeitzeugenkonzept wurde eine überzeugende und für die Betroffenen selber auch persönlich überaus bedeutsame Konzeption entwickelt. Dank Hubertus Knabe gelang es, alle politisch motivierten Angriffe auf die Gedenkstätte erfolgreich zu kontern. In den Auseinandersetzungen mit den ehemaligen Stasi-Betreibern, die immer wieder versuchen, die Haftbedingungen zu verharmlosen, konnte mancher Sieg erfochten werden. Einer der wichtigsten war, dass das ehemalige Sperrgebiet, das die Anlage von ihrer Umgebung abschirmte, wieder markiert wurde.
Auch die Besucherzahlen stiegen kontinuierlich. Einen regelrechten Sprung gab es nach dem Erscheinen des Films „Das Leben der Anderen“, in welchem zentrale Szenen – insbesondere die hochdramatische Eingangssequenz und der erste Teil des Showdowns – in Hohenschönhausen spielen. Zuletzt lagen die Zahlen bei über 400 000 Besuchern im Jahr.
Dieser Erfolg hatte auch Schattenseiten. Nennen wir es Wachstumsschmerzen: Dies ging zum Teil zu Lasten der Besucherreferenten, deren Arbeitsbedingungen sich rapide verschlechterten, ohne dass ausreichend Gegenmaßnahmen ergriffen wurden. Außerdem gab es nach meiner Einschätzung erhebliche Schäden an der historischen Substanz. Es gab Beschwerden und interne Unzufriedenheit über die pädagogische Qualitätssicherung – dadurch ist das Zeitzeugenkonzept in die Defensive geraten, obwohl es bei entsprechender museal-pädagogischer Begleitung eine der ganz starken Seiten der Gedenkstätte Hohenschönhausen ist. Ein moderner Betrieb muss aber immer offen für Kritik und Verbesserung sein.
Es ist also aus meiner Sicht unbedingt notwendig, Mängel zu beseitigen, um die Gedenkstätte in ihrer Substanz und Funktion weiter zu stärken. Senator Lederer (Linkspartei) und Kulturstaatsministerin Grütters (CDU) sind hier jetzt besonders gefordert.
Jegliche Versuche, Hohenschönhausen politisch umzudeuten, sind vehement zurückzuweisen. Mit Augenmaß und Professionalität wird die Gedenkstätte Hohenschönhausen gestärkt aus dieser Krise geführt und an die Erfolgsgeschichte anknüpfen, die in dem Wirken der Gründer, der Zeitzeugen, der Mitarbeiter und ihres langjährigen Direktors Hubertus Knabe wurzelt.
Vera Lengsfeld ist DDR-Bürgerrechtlerin und heute freischaffende Autorin in Berlin. Ihr Blog: http://vera-lengsfeld.de
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