Epidemiologe: Menschen mit natürlicher Immunität einstellen, statt sie entlassen

Wir kennen die natürliche Immunität seit über 2.000 Jahren, sagt Dr. Martin Kulldorff. Deshalb sei es seltsam, dass die Leute das plötzlich infrage stellten. Epoch Times sprach mit dem Biostatistiker und Epidemiologen der renommierten Harvard-Universität.
Wer von Corona genesen ist, besitzt mehr Abwehrkräfte gegen das Virus als ein Geimpfter. Über die Strafen der Immunen vergessen viele den Schutz der Gefährdeten, erklärt Dr. Kulldorff im Interview.
Wer von Corona genesen ist, besitzt mehr Abwehrkräfte gegen das Virus als ein Geimpfter. Über die Strafen der Immunen vergessen viele den Schutz der Gefährdeten.(Symbolbild)Foto: iStock
Epoch Times22. November 2021

Krankenpfleger, die sich von einer COVID-19-Infektion erholt haben, verfügen über eine „stärkere und länger anhaltende Immunität“ als geimpfte Personen, die zuvor nicht infiziert waren, so Dr. Kulldorff. Dies führe dazu, dass genesene Krankenpfleger Patienten am wenigsten anstecken.

Anstatt sie zu entlassen, wenn sie sich weigerten, sich impfen zu lassen, sollten Krankenhäuser und Pflegeheime genau das Gegenteil tun. Sie sollten aktiv Menschen mit natürlicher Immunität einstellen und diese Personen auf den Stationen mit besonders gefährdeten Patienten einsetzen, argumentiert er.

Dr. Kulldorff ist Professor für Medizin an der Harvard Medical School sowie Biostatistiker und Epidemiologe am Brigham and Women’s Hospital. Er ist zudem einer der Mitverfasser der „Great Barrington Declaration“, einer Erklärung zur Prävention von COVID-19-Erkrankungen – vor allem in Bezug auf Risikogruppen.

Im Interview mit The Epoch Times sprach er sehr ausführlich über die Wirksamkeit der COVID-19-Impfstoffe, die Politisierung und Zensur der Wissenschaft sowie den jüngsten Vorstoß der Biden-Regierung, Impfungen für Kinder vorzuschreiben.

Epoch Times: Herr Kulldorff, es gibt eine Menge unterschiedlicher Informationen und Fehlinformationen über die Impfstoffe. Wo stehen wir Ihrer Meinung nach heute? Was können die Impfstoffe bewirken, was können sie nicht? Was ist ihr Nutzen?

Martin Kulldorff: Sie sind in einer Sache sehr gut und in einer anderen nicht so erfolgreich.

Was sie sehr gut können, ist die Verhinderung von Sterblichkeit oder Tod und schweren Krankheiten. Wir wissen, dass die Wirksamkeit dieser Impfstoffe bei der Verhinderung von Todesfällen bei über 90 Prozent liegt. Das bedeutet, dass von hundert Menschen, die sonst gestorben wären, jetzt dank des Impfstoffes vielleicht nur fünf oder zehn sterben. Das ist ein enormer Vorteil. Diese Impfstoffe retten unser Leben.

Jeder kann sich natürlich mit COVID infizieren. Da die Sterblichkeit aber vor allem bei älteren Menschen auftritt, haben diese ein höheres Risiko, daran zu sterben. Der Unterschied zwischen den älteren und den jüngeren Menschen beträgt mehr als das Tausendfache des Risikos. Diese Impfstoffe retten das Leben vieler älterer Menschen. Wenn die älteren Menschen noch nicht an COVID erkrankt sind und noch nicht geimpft wurden, dann sollten sie sich unbedingt impfen lassen. Für mich ist das eine Selbstverständlichkeit. Das ist die gute Sache, die der Impfstoff bewirkt.

Eine Sache, die nicht sehr gut funktioniert, ist die Verhinderung der Übertragung und die Verhinderung einer leichten Infektion oder einer leichteren symptomatischen Erkrankung. Wir wissen jetzt, dass der Impfstoff die symptomatische Erkrankung für einige Monate verhindert, aber diese Wirkung lässt ziemlich schnell nach. Der Impfstoff kann die Übertragung des Virus nicht verhindern.

So haben wir beispielsweise in Island, wo die Impfrate sehr hoch ist, eine COVID-Welle erlebt, die hauptsächlich durch geimpfte Personen übertragen wurde.

So ziemlich jeder wird irgendwann an dieser Krankheit erkranken, wenn er lange genug lebt, egal ob er geimpft ist oder nicht. Aber das Risiko, an COVID zu sterben, ist viel geringer, wenn man geimpft ist. Wenn man alt ist, ist das Risiko, daran zu sterben, natürlich hoch. Man sollte sich also unbedingt impfen lassen, wenn man nicht schon an COVID erkrankt ist.

ET: Sie haben die Lockdowns sehr kritisiert, was Teil der Great Barrington Declaration war – einer Kritik an dieser speziellen Politik. Es gibt immer noch ein paar Orte auf der Welt, die aktiv Lockdowns durchführen, wie zum Beispiel Australien. Und durch die Abriegelungen ist es ihnen gelungen, die Zahl der Fälle und die Zahl der Krankheiten niedrig zu halten. Sie halten beharrlich an diesem Kurs fest. Was denken Sie darüber?

Kulldorff: Ich denke, sie haben bewiesen, dass man diese Krankheit nicht unterdrücken und ausrotten kann, was wir natürlich schon wussten. Aber sie haben es versucht und sind gescheitert, weil es jetzt viele, viele Fälle in Australien gibt.

Mit Lockdowns kann man die Dinge in die Zukunft verschieben, aber sie können nicht verhindern, dass die Krankheit schließlich eintritt und sich ausbreitet. In Australien, wie auch in anderen Teilen der Welt, werden die meisten Menschen irgendwann mit COVID infiziert sein.

Auch dort ist es natürlich wichtig, dass sich alle Menschen impfen lassen, aber die Vorstellung, dass man COVID ausrotten oder unterdrücken und kontrollieren kann, funktioniert bei Krankheiten wie COVID nicht.

Die Pocken haben wir ausgerottet. Das funktioniert. Wir haben die Rinderseuche ausgerottet. Das sind die einzigen beiden Krankheiten, die wir ausgerottet haben. Polio (Kinderlähmung) kann ausgerottet werden, wenn man mehr Maßnahmen ergreift. Aber eine Krankheit wie COVID oder die Grippe oder […] andere Viren, sie können nicht ausgerottet werden. Das ist etwas, mit dem wir für immer leben werden.

Da wir zurzeit mit vier unterschiedlichen Coronaviren leben, die uns beispielsweise eine Erkältung bescheren, vermute ich, dass die Pandemie zu Ende gehen wird. Allerdings wird sie in endemische Zustände übergehen. Die Menschen werden sich gelegentlich infizieren, was dann das Immunsystem wieder aktivieren wird. Die Folgen werden nicht so schwerwiegend sein wie bisher, weil dann nur noch sehr wenige Menschen anfällig sind.

Gleichzeitig wird es einige ältere Menschen geben, deren Immunsystem sich verschlechtert hat. Diese könnten auch dann noch an COVID sterben, wenn es endemisch wird – genauso wie Menschen an der Grippe oder an anderen Viren sterben, wenn das Immunsystem sich verschlechtert und versagt.

ET: Sie sagen, dass es in Ländern wie Australien im Grunde nur eine Frage der Zeit ist, bis sie das erleben müssen, was alle anderen Länder der Welt erlebt haben. Aber das hoffentlich mit einer hohen Durchimpfungsrate bei den gefährdeten Menschen.

Kulldorff: Ja, das ist der Schlüssel für Australien, um sicherzustellen, dass so viele ältere Menschen wie möglich geimpft werden. Gleichzeitig ist das Risiko für Kinder, an COVID zu sterben, verschwindend gering. Wir müssen uns keine Sorgen machen, dass sie geimpft werden. Es sind die alten Menschen, die geimpft werden müssen.

Aber wenn man diese extremen Verbote verhängt, hat das negative Folgen für die öffentliche Gesundheit – es gibt Kollateralschäden. Und je länger man sie ausdehnt, desto schwerwiegender werden diese Probleme sein. Zum Beispiel haben wir 2020 und 2021 weniger Krebs als vorher. Das liegt aber nicht daran, dass es weniger Krebs gibt, sondern daran, dass weniger diagnostiziert wurde.

Wenn wir eine Krankheit nicht erkennen, können wir sie auch nicht behandeln. Das führt nicht unbedingt dazu, dass jemand in diesem Jahr stirbt – aber vielleicht stirbt er in drei oder vier Jahren, obwohl er noch viel älter hätte werden können. Es gibt Kollateralschäden bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes-Fehlbehandlungen und natürlich bei der psychischen Gesundheit.

Außerdem haben all die Bildungsabschlüsse, die die Kinder nicht gemacht haben, langfristige Folgen – sowohl für ihre körperliche und geistige Gesundheit, aber auch für ihr allgemeines Wohlbefinden, solange sie leben. Und natürlich hat es auch Auswirkungen auf ihre Bildung – Bildung ist wichtig.

ET: Ich möchte später noch ein wenig darüber sprechen, was wir untersuchen sollten, um zu beurteilen, was die Pandemie wirklich mit uns gemacht hat, welche Behandlungen funktionieren und so weiter. Bevor wir aber dazu kommen, möchte ich noch ein wenig über ein Tabu-Thema sprechen. Eines, das Sie in letzter Zeit sehr lautstark angesprochen haben: die natürliche Immunität. Es hat den Anschein, dass das gesamte Konzept der natürlichen Immunität in der Politik weitgehend ignoriert wird, was sehr merkwürdig ist.

Kulldorff: Ja, das ist sehr merkwürdig, denn seit fast zweieinhalbtausend Jahren wissen wir über die natürliche Immunität Bescheid. Es ist seltsam, dass die Leute das plötzlich infrage stellen.

Der Zweck des Impfstoffs besteht darin, eine mildere Krankheit zu bekommen, wenn man sich infiziert. Wenn man aber bereits infiziert war, bevor es den Impfstoff gab, dann hat man bereits eine ausgezeichnete Immunität. Sie haben eine stärkere und länger anhaltende Immunität als die der Impfstoffe.

Die Idee [ist], einen Krankenpfleger zu entlassen, der monatelang auf der COVID-Station gearbeitet hat, sich um die Patienten kümmerte, sich bei ihnen infizierte und anschließend davon erholte. Dieser Pfleger hat jetzt aber eine bessere Immunität als die Krankenhausverwalter, die zu Hause saßen oder an Zoom-Meetings teilnahmen, sich nicht mit COVID ansteckten, sondern stattdessen geimpft wurden. Die Verwalter haben eine geringere Immunität als der Pfleger, der sich an vorderster Front um die Patienten gekümmert hat.

Aber jetzt entlassen diese Verwalter diese Pfleger, obwohl sie eine bessere Immunität haben. Wir sollten stattdessen das Gegenteil tun. Die Krankenhäuser sollten Krankenpfleger und anderes Personal mit natürlicher Immunität einstellen. Und dann sollten sie diese in den Stationen einsetzen, wo die besonders empfindlichen oder gebrechlichen älteren Menschen sind. Selbst wenn sie geimpft sind, besteht für sie die Gefahr, an COVID zu sterben. Wir sollten die Pfleger einsetzen, um alle Risikopatienten zu versorgen.

Dasselbe gilt für Pflegeheime. Pflegeheime sollten versuchen, Menschen einzustellen, die eine natürliche Immunität haben. Bei ihnen ist die Wahrscheinlichkeit am geringsten, dass sie die Bewohner anstecken. Und wir tun das Gegenteil. Sie werden entlassen.

Ich verstehe nicht, wie ein Krankenhauspräsident, der angeblich das Beste für seine Patienten tut und sich um sie kümmert sollte, genau das Gegenteil tut. Und dass er angeblich aufgeklärt und über diese Dinge informiert sein sollte.

Dasselbe gilt für Universitätspräsidenten. Sie sollen die Leuchttürme der Aufklärung und des Wissens sein, und sie widersprechen diesen grundlegenden Tatsachen, die wir schon seit ein paar tausend Jahren kennen.

ET: Das ist ziemlich faszinierend, denn Sie sagen im Grunde, dass das Gesundheitspersonal in Krankenhäusern mit natürlicher Immunität in Zukunft an vorderster Front des gezielten Schutzprogramms stehen kann.

Kulldorff: Ja. Genau das wurde während der Seuche in Athen 430 v. Chr. getan. Menschen, die sich von der Krankheit erholt hatten, wurden für die Pflege der Kranken eingesetzt.

ET: Wenn es um Infektionen geht, ist die natürliche Immunität dann besser als eine Impfung, um Infektionen zu verhindern? Ist es das, was Sie sagen?

Kulldorff: Ja. Eine der besten Studien stammt aus Israel. Dort haben sie festgestellt, dass die Wahrscheinlichkeit, an einer symptomatischen COVID zu erkranken, bei einer Impfung 27-mal höher ist als bei einer natürlichen Immunität. Der Wert schwankte […] zwischen, ich glaube, 13 und 54 oder so.

Das ist ein großer Unterschied. Auch bei den Krankenhausaufenthalten war der Schutz durch die natürliche Immunität größer als durch die Impfimmunität. Was die Todesfälle betrifft, so gab es in beiden Gruppen null Todesfälle. Sowohl die Geimpften als auch die mit natürlicher Immunität sind gut vor dem Tod geschützt. Das ist also gut.

Die Immunität ist stärker und hält länger an als bei einer Impfung. Und das ist keine Überraschung. Das ist das, was wir erwarten würden. Der Impfstoff zielt auf einen bestimmten Teil des Virus ab, während die natürliche Immunität einen breiteren Schutz bietet. Es kommt einfach darauf an, wo der Körper zum ersten Mal mit dem Virus in Berührung kommt. Wenn es sich um eine natürliche Infektion handelt, trifft man es normalerweise zuerst in der Lunge an. Bei der Impfung geschieht dies in den Armen.

ET: Sicher, Sie sprechen hier von Symptomen, aber was ist mit der Infektion selbst? Viele Menschen da draußen sind sehr besorgt darüber, sich mit COVID zu infizieren.

Kulldorff: Der Impfstoff beziehungsweise das Immunsystem funktioniert so, dass, wenn man das Virus in den Körper bekommt, das Immunsystem in Aktion tritt. Es ist nicht wie ein Star-Trek-Schild um einen herum, der das Virus daran hindert, in den Körper einzudringen. Das Immunsystem kann erst arbeiten, wenn das Virus in den Körper gelangt. Wenn das Virus in den Körper gelangt, dauert es manchmal eine Weile, bis das Immunsystem auf Touren kommt.

Das hängt davon ab, wie lange es her ist, ob man geimpft ist, oder wie lange es her ist, dass man die Krankheit auf natürlichem Wege bekommen hat. Aber die Tatsache, dass jemand positiv getestet wird, ist meiner Meinung nach nicht wirklich sehr interessant. Wenn wir auf alle Viren testen würden, und jeder, der irgendwann mit irgendeinem Virus in Berührung kam, aber keine Symptome zeigt, positiv ist, dann würden wir durchdrehen, weil wir uns um all diese Viren sorgen. Es sind wirklich die symptomatischen Erkrankungen, über die wir uns Sorgen machen müssen, und natürlich die Krankenhausaufenthalte und Todesfälle, die am wichtigsten sind.

ET: Faszinierend. Das ist eine sehr interessante Betrachtungsweise. Sie sagen im Grunde, dass wir zu jedem Zeitpunkt alle Arten von Infektionen haben. Es ist nur so, dass die meisten davon nie symptomatisch werden.

Kulldorff: Ja. Ich würde sie nicht einmal als Infektionen bezeichnen, weil wir keine Symptome haben. Es ist nur so, dass die Leute positiv getestet werden, weil es irgendwelche Viren im Körper gibt.

ET: Da wir gerade von dieser natürlichen Immunität sprechen: Sie scheint in vielen durchgeführten Studien, nicht aufzutauchen. In den meisten Daten, die ich sehe, ist es einfach etwas, das nicht wirklich berücksichtigt wird. Es stellt sich die Frage, wie viel von der Wirksamkeit des Impfstoffs tatsächlich auf die Impfung zurückzuführen ist, vor allem wenn man bedenkt, dass zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich ein sehr großer Teil der Bevölkerung schon einmal COVID hatte. Und wie können wir das überhaupt feststellen?

Kulldorff: Ich denke, dass der Vergleich zwischen Geimpften und Ungeimpften in beide Richtungen geht. Schließlich gibt es in beiden Gruppen Menschen, die die Krankheit schon einmal auf natürliche Weise bekommen haben. Was wir wirklich tun sollten, ist, vier Gruppen zu vergleichen: natürliche Immunität plus Impfstoff, natürliche Immunität ohne Impfstoff, keine natürliche Immunität mit Impfstoff und keine natürliche Immunität und kein Impfstoff. Das sind die vier Gruppen, die wirklich von Interesse sind.

Aber in den ursprünglichen klinischen Studien, in denen wir die Wirksamkeit der Impfstoffe nachweisen konnten, war sie sauber, weil diejenigen, die eine natürliche Immunität hatten, aus der Hauptanalyse für diese Studien ausgeschlossen wurden. Das geschah, um eine genauere Schätzung der Impfstoffwirksamkeit zu erhalten.

Aber ich denke, dass dies die Verzerrungen in den Beobachtungsstudien sind. Diese können in beide Richtungen gehen, weil es sowohl unter den Geimpften als auch unter den Ungeimpften Probanden mit natürlicher Immunität gibt.

ET: Es wurde auch darüber gesprochen, dass Menschen mit natürlicher Immunität geimpft werden sollten. Es gibt einige Beweise dafür, dass es helfen kann, aber auch einige vorläufige Beweise (zum Beispiel in britischen Daten), dass es schaden könnte. Was ist Ihre Meinung dazu?

Kulldorff: Es gibt zwei Seiten der Medaille. Hilft es bei der Behandlung mit COVID und was könnten die Nebenwirkungen sein? Wenn man COVID zuerst bekommen hat, dann gibt es einige Studien, die zeigen, dass wenn man … Also, sie haben zwei Gruppen verglichen. Beide waren bereits früher an COVID erkrankt – zudem war eine Gruppe geimpft, die andere nicht. Diejenigen, die geimpft waren, hatten eine geringere Wahrscheinlichkeit, positiv getestet zu werden. Das ist nicht verwunderlich, denn durch eine Impfung werden die Antikörper verstärkt, sodass eventuelle Infektionen schneller bekämpft werden können.

Nur in der israelischen Studie [nicht in der CDC-Studie] wurden auch symptomatische Erkrankungen verglichen. Es wurde festgestellt, dass das Risiko einer symptomatischen Erkrankung um 35 Prozent sinkt, wenn man geimpft ist. Es war statistisch nicht signifikant, also ein breites Konfidenzintervall. Wir wissen es nicht mit Sicherheit, aber es deutet darauf hin, dass es einen gewissen Schutz auch für symptomatische Erkrankungen geben könnte.

Die Frage ist also: Wie wichtig ist das? Nehmen wir einmal an, es sind 35 Prozent. Es könnte mehr oder weniger sein, aber nehmen wir an, es sind 35 Prozent. Wenn Sie mir sagen, dass etwas mein Risiko, im Laufe meines Lebens an Krebs zu erkranken, um 35 Prozent senken würde, wäre das enorm wichtig. Das wäre enorm wichtig, denn wir haben ein ziemlich hohes Risiko, irgendwann in unserem Leben an Krebs zu erkranken. Wenn wir dieses Risiko um ein Drittel senken könnten, wäre das ein medizinischer Durchbruch von einem Ausmaß, das wir normalerweise nicht erleben.

Andererseits, wenn Sie mir sagen, dass ich das Risiko, vom Blitz getroffen zu werden, um 35 Prozent verringern kann, schön und gut, aber ich werde mich wahrscheinlich nicht allzu sehr darum bemühen, weil mein Risiko, vom Blitz getroffen zu werden, ohnehin so gering ist. Es um 35 Prozent zu reduzieren, macht nicht wirklich einen Unterschied.

Wir haben hier Menschen mit einer natürlichen Immunität. Sie haben bereits eine sehr starke, lang anhaltende Immunität, die besser ist als die der Impfstoffe. Eine Verringerung um 35 Prozent ist gut, wenn es 35 Prozent sind. Aber das ist nicht so entscheidend, denn das Risiko ist bereits sehr, sehr gering.

Wenn man also noch keine COVID-Erkrankung hatte und alt ist, hat man ein höheres Sterberisiko. Dann ist die Risikominderung durch Impfstoffe sehr wichtig. Aber wenn man über eine natürliche Immunität verfügt, ist selbst ein um 35 oder 50 Prozent oder wie auch immer geringeres Risiko kein großer Vorteil, weil es aufgrund der starken natürlichen Immunität bereits sehr niedrig ist.

Dann kommen wir zur anderen Seite der Medaille: Was sind die Nebenwirkungen? Wir wissen, dass es bei diesen Impfstoffen einige Nebenwirkungen gibt. Zum Beispiel Herzmuskelentzündungen, vor allem bei jungen Männern, und es gibt Blutgerinnsel. Normalerweise dauert es zwei oder drei Jahre, bis wir das gesamte Spektrum des Sicherheitsstatus eines Impfstoffs oder eines anderen Medikaments kennen. Das ist nun einmal so. Es dauert ein paar Jahre. Das gilt nicht nur für die COVID-Impfstoffe. Es gilt für alle. Wir wissen immer noch nicht genau, was die Folgen und Nebenwirkungen der Impfstoffe sind.

Wenn Sie 78 Jahre alt sind, ist die Impfung meiner Meinung nach eine Selbstverständlichkeit, denn der Nutzen ist so groß, dass selbst bei einem geringen Risiko für Nebenwirkungen der Nutzen das Risiko bei weitem überwiegt.

Wenn Sie dagegen bereits durch eine COVID-Erkrankung immun sind, dann ist der Nutzen der Impfung viel, viel geringer. Selbst wenn Sie noch nicht gegen COVID geimpft wurden, ist das Risiko einer schweren Erkrankung oder eines Todesfalls bei Kindern verschwindend gering. Es ist geringer als bei einer Grippeerkrankung, die bei Kindern ohnehin schon sehr gering ist. Es ist überhaupt nicht klar, dass der Nutzen die Risiken für Kinder überwiegt. Meiner Meinung nach überwiegt er bei Kindern wahrscheinlich nicht.

Menschen, die bereits COVID hatten, haben bereits eine bessere Immunität als die Geimpften. Der mögliche Nutzen ist ein sehr kleiner Nutzen, und das Risiko einer Infektion ist bereits sehr gering. Jede Verringerung dieses Risikos stellt keine große Verbesserung dar.

ET: Wir haben bei unserem letzten Treffen viel über Impfpflicht gesprochen. Wie stehen Sie zu den Risiken im Allgemeinen?

Kulldorff: Ich halte sie für schlecht, weil sie auf der Tatsache beruhen, dass die natürliche Immunität infrage gestellt wird. Es spielt keine Rolle, ob Sie Krankenschwester, LKW-Fahrer, Hafenarbeiter, Pilot oder was auch immer sind – sie wissen, dass eine natürliche Immunität besteht. Viele wissen, dass sie sie haben. Sie zu einer Impfung zu zwingen, die sie nicht brauchen, untergräbt das Vertrauen in die öffentliche Gesundheit, wenn man Menschen zu Dingen zwingt, die nicht notwendig sind.

Ich bin erstaunt, dass die Ärzteschaft, die CDC, Krankenhaus- und Universitätspräsidenten so etwas durchsetzen wollen. Generell bin ich der Meinung, dass das Vertrauen in die öffentliche Gesundheit nur auf Gegenseitigkeit beruhen kann.

In Schweden gibt es zum Beispiel keine [Impfpflicht]. Ich komme aus Schweden. Dort gibt es keinerlei Impfvorschriften. Das Land hat eine der höchsten Impfraten der Welt. Die COVID-Impfstoffe wurden hervorragend eingeführt. Ja, ich denke, Impfvorschriften sind sehr schädlich für die öffentliche Gesundheit und das Vertrauen in die öffentliche Gesundheit.

ET: Seit unserem letzten Gespräch scheint es nicht weniger, sondern mehr Verlangen nach der Impfpflicht zu geben.

Kulldorff: Ich weiß nicht, warum das so ist. Es muss etwas Politisches sein, denn aus Sicht der öffentlichen Gesundheit macht es überhaupt keinen Sinn.

ET: Wir haben vorhin darüber gesprochen, dass es unglaublich wichtig ist, bei einer Pandemie wie dieser solide Daten zu sammeln und so viele Studien wie möglich durchzuführen, zum Beispiel zur Wirksamkeit der natürlichen Immunität, wie in Israel untersucht wurde. Nur geschieht das hier aus irgendeinem Grund nicht. Welche Studien sollten Ihrer Meinung nach in diesem Moment durchgeführt werden und welche werden nicht durchgeführt? Welche sind die wichtigsten?

Kulldorff: Es gibt einige Studien, die wirklich durchgeführt werden sollten, aber nicht werden. In einer davon sollten die CDC kontinuierlich die Nullprävalenz überwachen, also den Grad der Immunität, der in der Bevölkerung besteht. Spanien hatte zum Beispiel eine sehr gute Studie mit 60.000 zufällig ausgewählten Menschen.

In den USA gab es die Santa-Clara-Studie, die von Stanford durchgeführt wurde und die hervorragend war. Die CDC sollten dies kontinuierlich auf monatlicher Basis für alle geografischen Gebiete und für alle Altersgruppen durchführen, um zu sehen, wie sich die Immunität im Laufe der Zeit entwickelt hat und wie sie in den verschiedenen Gruppen, an verschiedenen Orten und so weiter variiert.

Das sind grundlegende Überwachungsdaten, die man haben muss, wenn man die Pandemie optimal bekämpfen will, und das hat man nie getan. Einzelne Wissenschaftler könnten die Santa-Clara-Studie an einem Ort und zu einer Zeit durchführen, aber sie haben nicht die Ressourcen, um dies auf systematischere Weise zu tun. Das ist die Aufgabe der CDC, es zu tun.

Es gibt noch etwas, was die CDC hätten tun sollen. Wie wir wissen gibt es über 700.000 registrierte COVID-Tote in den USA. Aber nur ein Teil davon starb wirklich an COVID. Andere starben hauptsächlich an etwas anderem, wobei COVID nur unglücklicherweise dazu beigetragen hat, das Fass zum Überlaufen zu bringen.

Und dann gibt es welche, die zum Todeszeitpunkt COVID hatten beziehungsweise positiv getestet waren, aber an etwas starben, das nicht im Entferntesten etwas mit COVID zu tun hatte. Das ist etwas, dass die CDC vor langer Zeit hätten mitbekommen müssen. Sie hätte vor langer Zeit eine Methode entwickeln müssen, um festzustellen, in welchem Ausmaß „COVID-Tote“ wirklich „an“ COVID gestorben sind.

Das muss man nicht für alle Fälle tun. Bei Kindern, von denen es jetzt vielleicht 400 Todesfälle gibt, sollte man es flächendeckend überprüfen. Aber bei älteren Menschen sollte man nur eine Zufallsstichprobe nehmen und ihre Krankenakten durchgehen, um zu sehen, woran sie tatsächlich gestorben sind. Also wie viel Prozent von ihnen starben „an COVID“ im Vergleich zu „mit COVID“? Das ist eine weitere Sache, die die CDC hätte tun sollen.

ET: Aber vermutlich könnten sie schon heute damit anfangen, oder?

Kulldorff: Sie könnten und das sollten sie. Außerdem hätten die CDC etwas tun können, was bereits die National Institutes of Health (NIH), beziehungsweise speziell das National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID), getan hat, nämlich die Behandlungen von COVID-Kranken zu untersuchen.

Es gibt eine Menge Informationen darüber, dass bestimmte Behandlungen funktionieren und andere nicht. Wir wissen, dass monoklonale Antikörper sehr gut wirken, sodass dies eine wichtige Behandlung ist, vorausgesetzt sie wird früh genug angewendet. Aber wir hätten auch all die anderen Dinge ausprobieren sollen. Wenn sie funktionieren, müssen wir eine große zufällige, placebokontrollierte Studie durchführen, um zu zeigen, ob sie funktioniert oder nicht.

ET: Sie sagen, dass zum Beispiel Ivermectin in einigen kleineren Studien gezeigt hat, dass es wirkt.

Kulldorff: Ja. Es gibt kleinere Studien mit teilweise widersprüchlichen Ergebnissen. Allerdings benötigt man eine großangelegte und zufällige, placebokontrollierte Studie, um es wirklich zu wissen. Wenn es funktioniert, beweist das, dass es funktioniert. Wenn es nicht funktioniert, wird es beweisen, dass es nicht funktioniert. Dann können wir die Behandlung damit beenden oder weiterführen. Das hätten wir mit vielen verschiedenen Behandlungen tun sollen. Das ist etwas, was die NIH [für alle Behandlungsarten] hätte tun sollen. Ein einzelner Wissenschaftler hat nicht das Geld, um so etwas zu tun.

Wenn Sie ein Projekt in Angriff nehmen, schreiben Sie einen Förderantrag. Wenn man Glück hat, bekommt man nach einem Jahr eine Finanzierung. Aber bei einer Pandemie haben wir kein Jahr Zeit. Für gewöhnlich dauert es ein Jahr, bis die Finanzierung gesichert ist, und dann vielleicht noch ein weiteres Jahr, um die Studie durchzuführen. Eigentlich sind die NIH in der Lage, diese Behandlungsstudien schnell auf den Weg zu bringen, aber das haben sie nicht getan. Das ist ein großes Versagen der Regierung und der NIH, dass sie das nicht getan haben.

Was auch hätte getan werden sollen, war das so genannte Data-Mining, um herauszufinden, ob es Medikamente gibt, die Menschen für welche Zwecke auch immer verwendet haben und die tatsächlich bei COVID helfen. Das habe ich schon sehr früh während der Epidemie vorgeschlagen, aber es wurde nicht umgesetzt.

Also es gibt vielleicht Leute, die Medikamente für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, irgendein Augenproblem oder was auch immer nehmen. Vielleicht würde eines davon gegen COVID helfen. Das sollten sie sich ansehen, Daten sammeln und analysieren, um herauszufinden, ob sich eines davon tatsächlich als nützliches Medikament erweist. Aber das wurde nicht getan. Auch hier sind es die NIH, die die Kapazität und die Ressourcen hätten, um solche Studien schnell zu starten, aber sie haben es nicht getan.

ET: Wir haben viel über Ivermectin und Hydroxychloroquin gehört, also über Medikamente, die von Millionen von Menschen für andere Zwecke verwendet werden. Glauben Sie, dass es jetzt an der Zeit ist, diese speziellen Medikamente zu betrachten und darüber hinauszugehen?

Kulldorff: Ja, wir sollten diese Studien immer noch durchführen und hätten sie wahrscheinlich schon vor anderthalb Jahren durchführen sollen. Damals hätten sie beginnen sollen.

ET: Wir haben bereits ein wenig über die Impfung von Kindern gesprochen, und Sie haben erwähnt, dass das Risiko sehr gering ist. Das Weiße Haus hat nun eine groß angelegte Impfung von Kindern durchgesetzt. Was denken Sie darüber?

Kulldorff: Ich denke nicht, dass Kinder gegen COVID geimpft werden sollten. Ich bin ein großer Befürworter der Impfung von Kindern gegen Masern, Mumps, Kinderlähmung, Rotavirus und viele andere Krankheiten, weil das sehr wichtig ist. Aber COVID ist keine große Bedrohung für Kinder. Sie können sich genauso anstecken wie bei einer Erkältung, aber sie stellen keine große Gefahr dar.

Sie sterben nicht daran, außer unter bestimmten Umständen. Wenn Sie über den Schutz von Kindern oder die Sicherheit von Kindern sprechen wollen, können wir zum Beispiel über Verkehrsunfälle sprechen, bei denen es einige Risiken gibt. Es gibt andere Dinge, für die wir sorgen sollten, um Kinder zu schützen. Aber COVID ist kein großer Risikofaktor für Kinder.

Ein Beispiel ist Schweden, wo während der ersten Welle im Frühjahr 2020, die Schweden sehr stark betroffen hat, beschlossen wurde, Kindertagesstätten und Schulen für alle Kinder zwischen einem und 15 Jahren offen zu halten. Es gibt 1,8 Millionen Kinder, die die erste Welle erlebt haben, natürlich ohne Impfungen, ohne Masken, ohne jegliche Mindestabstände in den Schulen. Wenn ein Kind krank war, wurde ihm gesagt, es solle zu Hause bleiben. Aber das war es im Grunde. Wissen Sie, wie viele von diesen 1,8 Millionen Kindern an COVID gestorben sind?

ET: Ich glaube, ich erinnere mich an die Zahl, denn sie ist null, richtig?

Kulldorff: Ja, null. Und nur ein paar Krankenhausaufenthalte. Das ist keine riskante Krankheit für Kinder. Kinder sind viel gefährdeter, wenn sie nicht zur Schule gehen, wenn sie sich nicht draußen bewegen, Baseball oder Fußball oder Eishockey oder was auch immer spielen. Sie sind einem höheren Risiko ausgesetzt, wenn sie keine guten sozialen Beziehungen zu anderen Kindern haben.

Wenn man sich über das Risiko von Kindern Gedanken machen will, sollten wir uns nicht um COVID kümmern. Wir sollten uns um all die anderen Dinge kümmern. So sollten wir sicherstellen, dass sie in der Schule sind, dass sie an sportlichen Aktivitäten, an kulturellen Aktivitäten wie Musik, Konzerten, Theater und all diesen Dingen teilnehmen können. Das ist der Punkt, an dem wir uns um die Kinder kümmern sollten.

ET: Es gibt natürlich auch die Diskussion um die Masken und es gibt Studien über ihre Wirksamkeit oder Unwirksamkeit.

Kulldorff: Ja. Zunächst einmal gibt es für Kinder keine guten Studien. Wir haben keine Beweise dafür, dass die Maskenpflicht bei Kindern hilfreich ist. Aber es gab zwei Zufallsstudien – und das ist der Goldstandard in der Wissenschaft, dass man zufällige Studien durchführt. Es gibt zwei Studien über Masken bei Erwachsenen, eine aus Dänemark und eine aus Bangladesch.

Die dänische Studie zeigt, dass die Maske entweder leicht schützend oder leicht verschlechternd wirken kann. Dies war statistisch nicht signifikant. In dieser Studie wurde jedoch nur der Schutz der Person, die die Maske trägt, untersucht. Die dänische Studie untersuchte nicht, ob das Tragen einer Maske andere Menschen schützen würde.

In der Studie aus Bangladesch wurde beides untersucht, denn es wurden nicht einzelne Personen, sondern Gemeinden oder Dörfer nach dem Zufallsprinzip ausgewählt. Einige Dörfer wurden nach dem Zufallsprinzip für das Tragen einer Maske ausgewählt, während andere nicht dazu ermutigt wurden, eine Maske zu tragen. Wenn sie es wollten, konnte das trotzdem natürlich jeder. Niemand wurde daran gehindert, es zu tun.

Wir haben festgestellt, dass die Masken die Gefahr einer Ansteckung mit COVID zwischen null und 18 Prozent senken. Das bedeutet, dass die Masken entweder keine oder nur eine sehr geringe Wirkung hatten. Die Vorstellung, dass Masken uns retten oder schützen werden, mag in diesen Studien ein klein wenig zum Tragen kommen, aber sie sind sicherlich kein Wendepunkt.

Selbst wenn sie ein wenig vorbeugen, könnte das die Zeit bis zur Ansteckung nur verkürzen oder verlängern. Die ganze Betonung der Masken ist meiner Meinung nach sehr unglücklich. Denn das bedeutet, dass wir andere Dinge, die tatsächlich helfen würden, nicht betonen – Dinge wie zum Beispiel die Impfung älterer Menschen.

Aber auch die Verringerung des Personalwechsels in Pflegeheimen oder das Pflegepersonal öfter zu testen oder der Einsatz von Personen mit natürlicher Immunität würde helfen. [Außerdem] sollte man auf dem Höhepunkt der Pandemie Konflikte zwischen den Generationen abbauen und zum Beispiel sicherstellen, dass ältere Menschen, solange sie noch nicht geimpft sind, nicht in den Supermarkt gehen müssen, sondern ihre Lebensmittel geliefert bekommen können.

Wenn sie geimpft sind, ist es für sie jetzt kein großes Problem mehr, dorthin zu gehen. Es gab eine Menge Dinge, die man hätte tun können. In den Schulen hätte man zum Beispiel die Belüftung verbessern können. In einigen Schulen ist sie immer noch sehr schlecht. Wir wissen nicht genau, inwieweit eine bessere Belüftung in Schulen die COVID-Rate reduzieren würde, da das Risiko für Kinder sehr gering ist. Aber zumindest wissen wir, dass es bei anderen Dingen wie Asthma oder Allergien und so weiter von Vorteil ist.

ET: Während Sie sprechen, kann ich nicht umhin, darüber nachzudenken, dass es fast so etwas wie ein Stigma gegen die „Ungeimpften“ zu geben scheint. Das sage ich in Anführungszeichen. Und es gab diese Idee, Menschen, die nicht geimpft sind, die medizinische Versorgung zu verweigern.

Ich habe darüber nachgedacht, weil ich an Menschen mit natürlicher Immunität dachte und daran, wie Menschen mit natürlicher Immunität in diesen Schwerpunktszenarien tatsächlich einen großen Nutzen für die Gesellschaft haben könnten. Zum Beispiel, indem sie an vorderster Front helfen oder indem sie sich auf den Schutz konzentrieren und so weiter. Aber es ist fast so, als würde man die Menschen, die eine natürliche Immunität haben, nicht feiern, sondern die Ungeimpften verteufeln.

Kulldorff: Ja, diese Form der Trennung halte ich für sehr beängstigend. Das ist nicht die Art und Weise, wie eine zivilisierte Gesellschaft funktioniert. Man versucht, die Unreinen, die Unberührbaren von denen zu unterscheiden, die geimpft sind. Das ist besonders tragisch, denn auch hier gibt es Menschen, die von zu Hause aus arbeiten. Menschen, die im Pyjama vor dem Laptop sitzen und Zoom-Meetings haben, sie sind dem Virus ferngeblieben.

Aber irgendjemand hat ihnen Essen geliefert, irgendjemand hat sich um die Stromversorgung gekümmert, irgendjemand hat den Müll abgeholt, irgendjemand hat bei der Feuerwehr und der Polizei gearbeitet. Jemand fuhr die Lastwagen mit den Lebensmitteln, einige von ihnen arbeiten in den Fabriken. Jemand hat in den Häfen gearbeitet, um die aus dem Ausland kommenden Produkte zu entladen oder Dinge zu verladen. All diese unverzichtbaren Arbeitskräfte mussten arbeiten und dafür sorgen, dass die Gesellschaft funktioniert, während sich eine bestimmte Gruppe von Menschen – Fachleute – zu Hause versteckte.

Jetzt, wo diese Menschen sich zu Hause verstecken und geimpft worden sind, halten sie diese wichtigen Arbeiter, die gearbeitet haben und infiziert wurden und jetzt eine bessere Immunität haben, irgendwie für unrein. Ich habe Zettel an den Fenstern oder im Hof gesehen, ein Schild, auf dem stand: „Unterstützt die wichtigen Arbeiter. Wir lieben euch“ und all so etwas. Da war nicht viel dran, oder? Denn jetzt werden sie dämonisiert, obwohl ihre Immunität besser ist als die der Geimpften. Einige von ihnen werden jetzt entlassen. So funktioniert eine gerechte Gesellschaft nicht.

ET: Es ist wirklich interessant, darüber nachzudenken, worauf das Ganze hinausläuft. Es scheint, dass die natürliche Immunität etwas ist, das ernsthaft in Betracht gezogen werden sollte. Menschen zu verteufeln, weil sie nicht geimpft sind, scheint nicht der richtige Weg zu sein. Warum frage ich das? Stellt es eine Gefahr für die Gesellschaft dar, wenn jemand nicht geimpft ist?

Kulldorff: Eine Person, die nicht geimpft ist, aber über eine natürliche Immunität verfügt, stellt eine weitaus geringere Bedrohung für die Gesellschaft dar als eine Person, die geimpft ist. Wir wissen, dass die Geimpften zwar einen guten Sterblichkeitsschutz haben, dass aber der Schutz vor einer symptomatischen Krankheit sehr schnell nachlässt. Daher können sie die Krankheit viel leichter verbreiten als diejenigen, die eine natürliche Immunität haben.

Ich bin nicht für Impfpässe, aber wenn doch, dann sollten wir den Pass denen geben, die eine natürliche Immunität haben. Ich bin nicht dafür, aber es würde zumindest eine gewisse Logik dahinterstecken. Es gibt keine Logik, wenn wir Impfpässe haben, bei denen die Geimpften, die eine geringere Immunität haben als diejenigen mit natürlicher Immunität, ins Restaurant gehen dürfen. Aber die Leute, die als wichtige Arbeitskräfte gearbeitet haben und an COVID erkrankten und jetzt eine bessere natürliche Immunität haben, dürfen nicht ins Restaurant gehen. Das ist doch verrückt.

ET: Aber was ist mit Leuten, die keine natürliche Immunität haben oder es nicht wissen? Sind sie eine Bedrohung für irgendjemanden?

Kulldorff: Das glaube ich nicht. Kinder zum Beispiel sicher nicht, denn wir wissen, dass Kinder diese Krankheit nicht übertragen können. Das wissen wir aus Studien. Die meisten Kinder bekommen sie von Erwachsenen und die Übertragung von Kindern auf Erwachsene ist viel geringer. Solange die alten Menschen geimpft sind, stellen andere Menschen keine Gefahr für sie dar.

ET: Gibt es irgendetwas, das darauf hindeutet, dass geimpfte Menschen das Virus weniger übertragen, oder wie übertragen sie das Virus im Vergleich zu ungeimpften Menschen mit nicht natürlicher Immunität?

Kulldorff: Wir kennen die Antwort auf diese Frage nicht wirklich. Ich denke, sie könnte in beide Richtungen gehen. Wenn man geimpft ist, reduziert der Impfstoff die Übertragung für einige Monate, bevor sie abnimmt. Zumindest wird die symptomatische Infektion, die symptomatische Krankheit für eine Weile reduziert, bevor sie abklingt. Vermutlich bedeutet das aber auch, dass die Übertragung zurückgeht.

Es könnte aber auch das Gegenteil der Fall sein, denn wenn man geimpft ist, hat man vielleicht eine so milde Krankheit, dass man noch herumlaufen kann. Man liegt nicht zu Hause im Bett, sondern läuft noch umher. Daher ist es wahrscheinlicher, dass man die Krankheit überträgt als jemand, der nicht geimpft wurde und eine schwerere Krankheit hat. Geimpfte werden also vielleicht nicht zu Hause bleiben, weil sie sich nicht krank fühlen.

Ich behaupte nicht, dass dies der Fall ist, aber es kann in beide Richtungen gehen. Aber ich habe noch keine eindeutigen Daten gesehen. Ich glaube auch nicht, dass es eindeutige Daten darüber gibt, was von diesen beiden Dingen am stärksten ins Gewicht fällt.

ET: Abgesehen von der ethischen Frage, ob es vernünftig ist, jemanden als unrein zu bezeichnen, weil er gebrandmarkt und nicht geimpft ist, sagen Sie im Grunde, dass es nicht klar ist, dass Menschen in irgendeiner Weise eine Bedrohung für die Gesellschaft darstellen, weil sie nicht geimpft sind?

Kulldorff: Ja, es ist überhaupt nicht klar, dass einer von ihnen mehr oder weniger wahrscheinlich eine andere Gruppe anstecken kann. Das wissen wir noch nicht. Ich habe gerade auf Twitter ein Bild gesehen, auf dem eine Person die Treppe hinaufgeht, aber sie geht immer nach oben. Jemand scherzte, das sei das Spiel dieser Impfstoffmedizin. Immer so weiter. Aber ich hoffe, das ist nicht der Fall.

ET: Wenn Sie diese Zeichnung von M. C. Escher beschreiben, muss ich unweigerlich an folgende Idee denken: Es gibt diese abnehmende Immunität durch die Impfstoffe innerhalb von ein paar Monaten gegenüber natürlichen Infektionen. Es gibt die erste Auffrischungsimpfung, die zweite Auffrischungsimpfung. Sie können sich eine Situation vorstellen, in der eine Auffrischungsimpfung alle drei Monate zu vollständig geimpft wird. Es gibt sogar eine Diskussion über die Änderung der Definitionen. Ich glaube, der CDC-Direktor hat erst neulich darüber gesprochen. Ist dies ein Szenario, das in irgendeiner Weise realisierbar ist?

Kulldorff: Ich glaube nicht, dass das passieren wird. Ich hoffe, dass es nicht passieren wird. Wir müssen hier unterscheiden, was der Zweck des Impfstoffs ist. Der Impfstoff leistet gute Arbeit, um Todesfälle zu verhindern, und dafür sollten wir sehr dankbar sein. Aber der Versuch, sich auf Impfstoffe zu verlassen, um die Ausbreitung der Krankheit zu unterdrücken, sie zu beherrschen oder auszurotten, ist nicht machbar. Alle derartigen Versuche sind zum Scheitern verurteilt.

Man hat es mit Lockdowns versucht und es ist gescheitert. Das wissen wir jetzt. Die Pandemie wird enden und sie wird endemisch werden. Die Pandemie wird enden, wenn genügend Menschen eine natürliche Immunität haben. Menschen, die geimpft sind, werden die Krankheit trotzdem bekommen, zumindest die meisten von ihnen.

Wenn sie dann die Krankheit durchgemacht haben, werden sie eine stärkere Immunität haben. Jeder wird sich hin und wieder neu infizieren, genau wie bei den bestehenden Coronaviren. Aber weil sie immun sind, wird es für die meisten Menschen nicht ernsthaft sein. Jedes Mal, wenn man sich neu infiziert, verbessert sich die Reaktion des Immunsystems.

Irgendwann, wenn ich 87 Jahre alt bin, wenn ich das Glück habe, so lange zu leben, ist mein Immunsystem geschwächt. Dann könnte ich mich mit COVID, der Grippe oder einem anderen Virus infizieren und wenn mein Immunsystem nicht mehr stark genug ist, dann ist es aus mit mir.

Es wird immer Menschen geben, ältere Menschen, die gebrechlicher sind und deren Immunsystem schwächer wird, die dann an COVID oder anderen Viren sterben werden. Das passiert schon seit langem. Das ist einfach ein Teil unseres Lebens. Wir können uns aus dieser Situation nicht herausimpfen.

Nun, vielleicht sollten Menschen, die alt und gebrechlich sind, irgendwann eine Auffrischungsimpfung erhalten. Die Datenlage dazu ist deprimierend schlecht. Man hätte im Mai mit den Studien beginnen sollen, um genau zu wissen, was die Vorteile sind. Es könnte sein, dass ältere Menschen von einer Auffrischungsimpfung entweder jetzt oder später profitieren, um die Sterblichkeit zu verringern. Bislang halten sich die Impfstoffe jedoch sehr gut, was die Sterblichkeit betrifft. Sie liegt im Bereich von 90 Prozent, zumindest für sechs Monate. Natürlich wissen wir nicht, wie es zwei Jahre nach der Impfung oder fünf Jahre danach aussieht.

ET: Sie sagen, es wird endemisch, als ob es eine Art magische Veränderung gäbe. Was bedeutet das genau?

Kulldorff: Eine Pandemie liegt vor, wenn eine neue Krankheit auftritt und sich weltweit ausbreitet. Es gibt Wellen von Sterblichkeit und Infektionen, wie wir sie in den letzten zwei Jahren erlebt haben. Das ist das Stadium der Pandemie.

Aber irgendwann, wenn wir eine ausreichende Immunität in der Bevölkerung haben, also eine Herdenimmunität, werden wir diese Wellen nicht mehr haben. Herdenimmunität ist übrigens das wissenschaftliche Phänomen, das wir kennen. Es handelt sich nicht um eine Strategie oder ähnliches. Es ist einfach etwas, das wie die Schwerkraft gut etabliert ist.

Wenn sich genügend Menschen infiziert haben, kann sich das Virus nicht mehr so stark ausbreiten wie zuvor, aber es ist immer noch da. Er wird immer noch in der Nähe lauern. Es wird hier und da ein paar Menschen befallen. Und es wird wahrscheinlich auch eine Winterwelle geben, weil dieses Virus vor allem dann zu funktionieren scheint. Ein paar Leute werden krank werden.

Die meisten Menschen werden sich wahrscheinlich ganz natürlich dagegen wehren. Es werden weniger Menschen infiziert – die meisten von ihnen werden die Krankheit gut bekämpfen. Aber es wird auch manche geben, die schwer(er) erkranken und es wird auch Menschen geben, ältere, die daran sterben.

Die anderen vier verbreiteten Coronaviren zum Beispiel befinden sich im endemischen Stadium. Wir denken nicht einmal besonders viel über sie nach. Manchmal bekommen wir eine Erkältung von ihnen, aber wir denken nicht viel über sie nach. Das ist das endemische Stadium. Wir werden es erreichen. Die Pandemie wird enden.

So wie wir mit dieser Pandemie umgegangen sind, haben wir das Pandemiestadium gewissermaßen in die Länge gezogen. In einigen Ländern, denke ich, sind sie dem endemischen Stadium näher gekommen. In einigen Ländern ist das nicht der Fall, wie zum Beispiel in Australien. Dort hat sie kaum begonnen. Aber an einem Ort wie New York, der sehr stark betroffen war, sind wir dem endemischen Stadium viel näher. Auch wenn wir nicht genau wissen, wann es so weit sein wird.

Wir haben über die Studien gesprochen, die nicht durchgeführt wurden, aber es gibt auch das Gegenteil. Es gibt die Studien, die nicht hätten durchgeführt werden sollen, aber sie wurden durchgeführt. Das sind all diese Prognosemodelle, die vorhersagen, wie viele Menschen an COVID erkranken und wie viele Menschen sterben werden.

Wenn Sie sich mit der Verbreitung von Infektionskrankheiten auskennen, wissen Sie, dass diese Modelle nicht genau vorhersagen können, was passieren wird. Leute, die Zahlen oder solche Dinge für die Zukunft vorhersagen, wissen nicht genug über Infektionskrankheiten, um zu erkennen, dass solche Vorhersagen nicht gemacht werden sollten und nicht genau gemacht werden können.

ET: Die andere Sache, die mir im Zusammenhang mit dem Coronavirus sehr schnell seltsam vorkam, war die Rückverfolgung von Kontakten. Hat das eine Bedeutung?

Kulldorff: Ja. Zunächst einmal ist die Rückverfolgung von Kontakten ein sehr wichtiges Instrument, bei der Erkennung und Verfolgung von Krankheiten. Zum Beispiel bei sexuell übertragbaren Krankheiten. Wenn jemand an Syphilis erkrankt ist, fragt man ihn nach seinen Sexualpartnern und testet ihn dann. Auf diese Weise kann man die Ausbreitung eindämmen, indem man die Kontakte nachweist.

Ebola ist ein weiteres Beispiel für eine Krankheit, bei der es in den USA einige Fälle gibt. Auch hier versuchte man herauszufinden, mit wem die Betroffenen in Kontakt standen.

Aber bei einer Krankheit wie COVID, die weit verbreitet ist, oder bei der Grippe kann man das nicht tun. Das ist unsinnig. Der Gedanke, dass einige Leute, die sich angesteckt haben, jetzt auf COVID untersucht werden und getestet werden sollen, um herauszufinden, mit wem sie Kontakt hatten, ist aus Sicht der öffentlichen Gesundheit und der Öffentlichkeit unsinnig. Ich bin mir nicht ganz sicher, wer auf diese idiotischen Ideen gekommen ist.

Ich weiß, dass einige Beamte des öffentlichen Gesundheitswesens privat bei der Regierung darum gebettelt haben, dass das Geld, das ihnen für die Ermittlung von Kontaktpersonen zugewiesen wurde, stattdessen für Impfungen verwendet werden sollte.

Das war sehr klug. Wir wussten schon früh, dass die Ermittlung von Kontaktpersonen nicht funktionieren würde. Jetzt haben wir den Beweis, dass es im Grunde eine riesige Verschwendung von Ressourcen war. Sowohl finanzielle Ressourcen als auch die Ressourcen der Beamten des öffentlichen Gesundheitswesens. Stattdessen hätten sie Dinge tun können, die helfen würden, anstatt diese Dinge zu tun, die keinen Nutzen für diese Pandemie hatten.

ET: Wir sprachen vorhin über den Kollateralschaden der Lockdowns. Haben Sie das Gefühl, dass im Moment ausreichend Daten gesammelt werden, um die Folgen abschätzen zu können?

Kulldorff: Ja. Eine gute Sache, die man sich ansehen sollte, ist die Übersterblichkeit, bei der wir die Sterblichkeit von 2020 und 2021 mit der der Vorjahre vergleichen, also mit dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre oder so. Ich habe noch nicht alle diese Daten gesehen, aber sie werden gesammelt und ausgewertet. Eine Sache, die ich gesehen habe, ist, dass es in den USA für das Jahr 2020 oder zumindest für einen Teil dieses Jahres eine Übersterblichkeit bei älteren Menschen gab. Ein großer Teil davon war auf COVID zurückzuführen.

Es gab auch eine gewisse Übersterblichkeit unter den Erwachsenen im erwerbsfähigen Alter, also den 20 bis 60 Jahre alten Menschen oder so. COVID-Tote erklärte aber nur einen sehr kleinen Teil der Übersterblichkeit.

Der größte Teil der überhöhten Sterblichkeit entfiel auf andere Ursachen, wie zum Beispiel eine Überdosis Drogen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und so weiter. Wir wissen bereits, dass in bestimmten Altersgruppen die Kollateralschäden durch die Lockdowns einen höheren Einfluss auf die Sterblichkeit hatten als COVID.

ET: Und einen großen Effekt.

Kulldorff: Ja, in bestimmten Altersgruppen gab es mehr Todesfälle durch die Kollateralschäden der Lockdowns als durch die eigentlichen COVID-Fälle. Aber da sind noch nicht einmal alle mitgezählt, weil zum Beispiel Krebs, wie ich schon erwähnt habe, noch nicht in der Statistik auftaucht. Sie werden erst später auftauchen. Wenn sie sich erst in fünf Jahren bemerkbar machen, ist es sehr schwer, die Auswirkungen auf unsere Sterblichkeit zu messen. Aber wir werden uns natürlich die Krebssterblichkeit anschauen und sehen, wie sich diese im Laufe der Zeit verändert.

ET: Das heißt, dass die Leute im Grunde genommen nicht zur Mammographie gehen, weil sie zum Beispiel eingeschlossen sind.

Kulldorff: Ja. Oder sie gehen nicht zum Arzt, wenn sie es hätten tun sollen. Weil sie Angst haben, sich im Krankenhaus mit COVID anzustecken. Also, ja. Und natürlich hat sich die psychische Gesundheit verschlechtert. Wir kennen die kurzfristigen Folgen davon, aber noch nicht die langfristigen.

Das sind Dinge, mit denen sich die Wissenschaft und das öffentliche Gesundheitswesen in den nächsten Jahren befassen werden, da wir nun immer mehr darüber wissen.

ET: Haben Sie das Gefühl, dass es genug gibt? Wir haben darüber gesprochen, dass es bestimmte Daten zur Untersuchung des Coronavirus und seiner Auswirkungen auf die Gesellschaft gibt, die einfach noch nicht gesammelt wurden. Haben Sie das Gefühl, dass es genügend Daten gibt, um diese Auswirkungen zu erkennen?

Kulldorff: Ich denke, dass es sie geben wird. Und ich denke, dass sie untersucht werden, weil es sich um Dinge handelt, die zeitlich nicht so kritisch sind. Ich denke, es wird Wissenschaftler geben, die die Daten sammeln oder analysieren werden. Sie werden in den kommenden Jahren veröffentlichen. Das ist etwas anderes als der akute Bedarf an der Überwachung von Antikörpern in der Bevölkerung oder an der schnellen Suche nach einer Behandlung.

Dies sind nachträgliche Bewertungen der Kollateralschäden, die nur nicht so zeitnah und dringend sind. Ich denke, dass die normalen wissenschaftlichen Verfahren zum Tragen kommen, und man wird sie vielleicht in verschiedenen Ländern untersuchen.

ET: Wir haben vorhin schon darüber gesprochen. Sie sind nicht so überzeugt vom Erfolg der normalen Verfahren der Wissenschaft im Moment. Sie selbst sind zensiert worden und andere Menschen, mit denen Sie zusammenarbeiten. Offen gesagt gibt es überall Wissenschaftler (nicht nur in diesem Fachbereich) die, sagen wir mal, eine andere Meinung als die Mehrheit haben, und deswegen zensiert werden. Das scheint der Idee der Wissenschaft von vornherein zu widersprechen.

Kulldorff: So ist es. Es ist natürlich besorgniserregend, wenn Wissenschaftler zensiert oder zum Schweigen gebracht oder in einigen Fällen verleumdet werden. Das ist sehr besorgniserregend für sie. Ich habe das auch schon erlebt. Aber der größte Schaden ist wohl, dass viele Wissenschaftler sich nicht zu Wort melden, weil sie nicht das Opfer solcher Angriffe werden wollen.

Das halte ich für gefährlich. Ich weiß, dass es viele Menschen gibt, die sich nicht zu Wort melden, weil sie sehen, was mit denen passiert, die es tun. Es ist nicht erlaubt, dem zu widersprechen, was eine kleine Gruppe als ihre Lehrmeinung über die Pandemie festgelegt hat.

Ein Beispiel dafür war das „British Medical Journal“, das diesen Artikel mit massiven Fehlern über die Great Barrington Declaration, Verleumdungen, Schaden und Angriffen veröffentlichte. Es war ein völliger Unsinn, wie man ihn von einer Boulevardzeitung erwarten würde. Und jetzt hat sich sowas in eine respektable wissenschaftliche Zeitschrift eingeschlichen. Das hat dort überhaupt nichts zu suchen.

Dann werden natürlich andere Leute sagen: „Ich kann so etwas nicht sagen, denn für meine wissenschaftliche Karriere muss ich in diesen Zeitschriften veröffentlichen. Ich muss diese Zuschüsse bekommen. Also bin ich besser still.“

ET: Geld ist zum Beispiel natürlich ein großes Thema. Ich weiß nicht, wie viel Prozent der Zuschüsse die NIH bereitstellen. Sicherlich für diese groß angelegten Studien, wahrscheinlich alle oder ein großer Teil davon. Geld ist hier ein großes Thema, nicht wahr?

Kulldorff: Ja, wenn Sie Wissenschaftler sind und ein eigenes Labor haben, dann müssen Sie die Zuschüsse einbringen. Damit können Sie Ihre Leute bezahlen. Wenn Sie ein Experte für Infektionskrankheiten sind, beantragen Sie Ihre Zuschüsse beim NIAID. Dieses Forschungszentrum verfügt über den größten Teil der Forschungsgelder für Infektionskrankheiten in der Welt und es wird von Anthony Fauci geleitet. Anthony Fauci hat ganz klare Vorstellungen davon, wie man mit dieser Pandemie umgehen sollte.

Wenn Sie andere Vorstellungen haben als er, dann könnten Sie sich Gedanken darüber machen, dass Sie die Zuschüsse nicht bekommen. Ob das nun stimmt, dass man sie nicht bekommt, weil man eine andere Meinung vertritt, ist irrelevant. Ich denke, dass es für ein Land sehr gefährlich ist, wenn dieselben Personen sowohl für die Pandemiebekämpfung als auch für die Finanzierung der Wissenschaft zuständig sind.

Diese Dinge sollten getrennt sein, damit die Menschen sich frei fühlen, die Pandemiestrategien zu diskutieren, ohne sich um ihre Forschungsfinanzierung sorgen zu müssen. Diese Dinge sollten getrennt sein, und es sollten verschiedene Personen für diese beiden Bereiche zuständig sein.

ET: Es gibt auch diese ganze Diskussion über Kollateralschäden, aber wir hören immer wieder, dass die Leute sagen: Vertraut der Wissenschaft, vertraut der Wissenschaft. Aber sehr oft hat das, was mit dem Vertrauen in die Wissenschaft verbunden ist, nichts mit Wissenschaft zu tun. Ich habe darüber nachgedacht, wie sich dies auf die Gesellschaft auswirken könnte. Was ist Ihre Meinung dazu?

Kulldorff: Ja, ich denke, dass das Vertrauen sowohl in die öffentliche Gesundheit als auch in die Wissenschaft im Allgemeinen während dieser Pandemie stark gelitten hat, und das aus guten Gründen. Ich vertraue dem gesamten wissenschaftlichen Prozess nicht mehr so wie früher. E ist ganz natürlich, skeptisch zu sein. Ich denke, es wäre seltsam, wenn die Menschen der öffentlichen Gesundheit und der Wissenschaft jetzt nicht misstrauen würden.

ET: Kann dieses Vertrauen wiedergewonnen werden?

Kulldorff: Wir müssen es versuchen. Ich denke, die Pandemie wird enden. Aber ob wir alle Schäden in der Wissenschaft beheben können, weiß ich nicht. Wir müssen es versuchen. Ich bin an einer Initiative namens „Brownstone Institute“ beteiligt, die versucht, im Bereich der öffentlichen Gesundheit genau daran zu arbeiten.

Ich war immer optimistisch, dass wir die Pandemie schließlich in den Griff bekommen und es keine weiteren Lockdowns geben wird. Zudem glaube ich nicht, dass es auf lange Sicht Impfvorschriften und Impfpässe geben wird. Bei diesen Dingen bin ich optimistisch, aber bei der Wiederherstellung des Vertrauens in die öffentliche Gesundheit bin ich weniger optimistisch. Wir werden es aber trotzdem versuchen, weil es sehr wichtig ist.

ET: Was würden Sie dieser kleinen Gruppe von Leuten und Dr. Anthony Fauci, die die Politik bestimmen, angesichts all dessen, was wir wissen, zu diesem Zeitpunkt raten?

Kulldorff: Zwei Dinge. Eine Sache, die jetzt falsch gemacht wird, ist, dass es der öffentlichen Gesundheit nicht zuträglich ist, wenn der Schwerpunkt auf der Impfung von Kindern oder Menschen liegt, die eine natürliche Immunität haben. Aber es gibt immer noch ältere Menschen in diesem Land, die nicht geimpft wurden und kein COVID hatten. Das sind die Menschen, die wir erreichen müssen.

Alle diese Impfvorschriften gelten für Kinder, Studenten und Erwachsene im arbeitsfähigen Alter. Für Rentner gibt es keine Vorschriften. Ich denke nicht, dass dies der Fall sein sollte, aber es sollten enorme Anstrengungen unternommen werden, um die Rentner zu erreichen, die weder geimpft sind noch COVID hatten.

Einerseits, wenn man Impfungen für Menschen vorschreibt, die sie nicht brauchen, werden viele Menschen sagen: „Die brauche ich nicht. [Dennoch] sagen sie mir, ich soll mich impfen lassen. Brauche ich sie?“ Andererseits, indem sie zum Beispiel über die natürliche Immunität lügen, sie falsch darstellen oder infrage stellen, machen sie es tatsächlich schwieriger, diese älteren Menschen zu erreichen, die diesen Impfstoff wirklich noch brauchen. Das ist der eine Teil, der sehr, sehr wichtig ist.

Der andere Punkt ist, dass man den Kindern ihr Leben leben lassen sollte. Sie sind hier nicht gefährdet. Testen Sie sie nicht in Schulen. Lasst sie einfach mit ihren Freunden spielen. Setzt ihnen in der Schule keine Masken auf. Lasst sie sofort in ihr normales Leben zurückkehren. Es ist brutal, was wir den Kindern in diesem Land während dieser Pandemie angetan haben.

Sie sind am wenigsten von dieser Krankheit bedroht und haben eine große Last zu tragen. Viele Erwachsene tragen jetzt keine Masken mehr, aber Kinder müssen in den Schulen immer noch Masken tragen, obwohl es keine Beweise dafür gibt, dass es funktioniert. Das Tragen einer Maske hat offensichtlich schädliche Aspekte. Das sind die beiden Dinge, die am wichtigsten zu tun wären.

ET: Gibt es noch etwas, was Sie als zusätzlichen Ratschlag hinzufügen würden?

Kulldorff: Wir müssen den Kollateralschaden für die öffentliche Gesundheit beheben. Wir müssen uns verstärkt darum bemühen, all die versäumten Präventivmaßnahmen nachzuholen. Wir haben ein großes Problem mit der psychischen Gesundheit – sowohl mit der psychischen Gesundheit aufgrund der Lockdowns und Isolationen als auch mit dem Schulausfall und so weiter.

Aber auch die Angst, die sich verbreitet hat – die Menschen, die große Angst vor COVID haben. Wir wissen, dass einige ältere Menschen nicht ängstlich genug sind, sie unterschätzen das Risiko, während viele jüngere Menschen und Erwachsene aus der Arbeiterklasse das Risiko überschätzen.

Wir müssen diesen Menschen helfen, sich zu erholen, ebenso wie anderen Menschen, die durch die Lockdowns psychische Probleme haben. Und ich weiß, dass die Psychologen und Psychiater überlastet sind. Aber mit ihnen ist es nicht getan. Es ist wirklich etwas, das wir als Nation tun müssen, um Nachbarn, Familienmitgliedern, Arbeitskollegen und sogar der zufälligen Person, die wir auf der Straße treffen, zu helfen. Wir müssen mitfühlend sein und versuchen, jedem zu helfen, sich von den psychischen Problemen zu erholen, die im Moment zu häufig auftreten.

ET: Wir haben das bereits angesprochen, aber wie sieht es damit aus, dass es ein wichtiger Teil des wissenschaftlichen Prozesses ist, auf die abweichenden Stimmen zu hören?

Kulldorff: Ja. Ich denke, wenn man Wissenschaftler sein will, muss man mit offenen Ohren auf alle Stimmen hören, sowohl auf die wissenschaftlichen als auch auf die der Öffentlichkeit. Ich glaube, das ist eine Sache, die die öffentliche Gesundheit vergessen hat – nämlich darauf zu hören, wie die Öffentlichkeit zum Beispiel unter all den Kollateralschäden leidet. Das kann man nicht einfach ignorieren.

Wenn man als Wissenschaftler auf die Wissenschaft zurückkommt; wenn jemand, mit dem ich normalerweise übereinstimme, etwas schreibt, dann lese ich es. Vielleicht. Wichtiger ist aber derjenige, den ich respektiere, der aber oft eine andere Meinung hat. Wenn er etwas schreibt, dann MUSS ich ihn wirklich lesen. Und ich muss ihn verstehen. Das sind die wichtigsten Leute, die man lesen muss.

Als Wissenschaftler ist es wichtiger, die Leute zu lesen, die eine andere Meinung haben als ich. Ich sollte weniger die lesen, die mit mir übereinstimmen, weil ich die Argumente derjenigen, die mit mir übereinstimmen, bereits kenne. Ich muss die Argumente derjenigen verstehen, die anderer Meinung sind als ich.

Auf persönlicher Ebene war eine der nützlichsten Sachen, die ich gemacht habe, dass mein Kollege Jay Bhattacharya eine Debatte hatte, die er führen wollte, und er wollte eine Übungsrunde machen. Ich war sozusagen sein Gegner. Ich musste die Argumente der anderen Seite vorbringen und zwar so gut wie möglich, denn so würde er es machen. Das war sehr nützlich, denn ich musste versuchen herauszufinden, welche Argumente dafür sprechen, wenn ich mich für Lockdowns ausspreche. Was sind die besten Argumente dafür?

Es ist mir nicht ganz gelungen, mich selbst zu überzeugen, aber es war eine nützliche Übung. Ich denke, dass es sich eindeutig um Abriegelungen handelt. Wir wissen jetzt, dass die Abriegelungen nicht alle Todesfälle verhindert haben. Sie waren nicht wirksam und haben eine Menge Schäden angerichtet. Sie haben die Dinge ein wenig in die Zukunft verschoben, aber es ist sehr nützlich und wichtig für Wissenschaftler, denen zuzuhören, die andere Ansichten haben. Denn manchmal habe ich Recht, manchmal habe ich Unrecht.

ET: Irgendwelche abschließenden Gedanken?

Kulldorff: Ich hoffe, dass wir uns alle in diesen schwierigen Zeiten mit Mitgefühl und Verständnis begegnen können. Ich hoffe auch, dass wir niemanden als weniger wertvoll oder weniger rein behandeln, sondern einander als menschliche Wesen [behandeln]. Ich denke, das müssen wir tun, um das soziale Gefüge der Gesellschaft wiederherzustellen. Das gehört dazu, um sicherzustellen, dass wir die Probleme der psychischen Gesundheit lösen, die durch diese Pandemie und die Lockdowns und unsere Reaktion darauf verursacht worden sind.

ET: Dr. Martin Kulldorff, es war wieder eine Freude, Sie hier zu haben.

Kulldorff: Es war mir ein Vergnügen. Ich danke Ihnen.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 17, vom 6. November 2021.

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel: Harvard Epidemiologist Martin Kulldorff: Hospitals Should Hire Nurses with Natural Immunity, Not Fire Them (deutsche Bearbeitung ger)

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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