Fast jeder fünfte Deutsche würde AfD wählen – Renaissance der „GroKo“ in Sicht
Während sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und sein Herausforderer Friedrich Merz (CDU) um den richtigen Zeitpunkt für die Vertrauensfrage und eine Interimszusammenarbeit bis zum Wahltermin kabbeln, kann sich die AfD relativ entspannt auf ihre Oppositionsarbeit konzentrieren.
Auf Landes- oder Bundesebene noch nie in Regierungsverantwortung, kein potenzieller Koalitionspartner in Sicht, scheinen sich die AfD-Umfragewerte nach einem Frühjahrstief von 14,0 Prozent (Allensbach, 24. Mai 2024) allmählich wieder in Richtung ihres Allzeithochs zu entwickeln: 24,5 Prozent für die Blauen hatte das Institut Wahlkreisprognose am 4. Januar 2024 gemessen – nun steht die Partei mit 19,0 Prozent (INSA, Stand 8. November 2024) auf halbem Weg.
Dazu der Rückenwind aus den drei Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg, bei denen die AfD jeweils Zugewinne erzielen konnte und im Fall Thüringens sogar zur stärksten Kraft avancierte.
Union stabil, leichte Verluste für die anderen
Während die CDU seit der letzten INSA-Befragung vom 5. November bundesweit bei 32,0 Prozent auf hohem Niveau verharrt und die meisten übrigen Bundestagsparteien leichte Verluste von einem oder einem halben Prozentpunkt hinnehmen mussten, zeigt die Tendenz für die AfD also wieder leicht nach oben (plus 1,0Prozent). Abgesehen von einem Forsa-Ausreißer von 16,0 Prozent Anfang November war die AfD seit dem 19. Oktober bei keinem Meinungsforschungsinstitut mehr unter 17,0 Prozent gefallen.
Ende September 2021 hatte die AfD bei der Wahl des Bundestags 10,3 Prozent der Zweitstimmen geholt. Das genügte für 76 Sitze im aktuell noch 733 starken Platzangebot im Plenum. Die AfD könnte ihren Anteil also womöglich verdoppeln.
Da der künftige, 21. Bundestag aufgrund der Wahlrechtsreform aber nur noch maximal 630 Abgeordnete beherbergen wird, würde sich ihre Sitzanzahl laut Sitzzuteilungsrechner nur auf 144 erhöhen. Vorausgesetzt, es bliebe bei den Werten aus der jüngsten INSA-Umfrage.
Absolute Mehrheit demnächst bei 316 Sitzen
Mit Abstand stärkste Kraft wären CDU/CSU (243 Sitze), gefolgt von der SPD (15,0 Prozent/114 Sitze). Die Grünen kämen auf 10,0 Prozent (76 Sitze), das BSW zöge mit seinen 7,0 Prozent erstmals in Fraktionsstärke in den Bundestag ein (53 Sitze). Die FDP und die Linken hätten mit jeweils 4,0 Prozent keinen Platz mehr im Reichstagsgebäude.
Da die absolute Mehrheit bei 316 Sitzen liegen wird, könnte die Union mit der AfD ein stabiles rechtskonservatives Bündnis aus 387 Sitzen auf die Beine stellen. Wäre da nicht der Unvereinbarkeitsbeschluss („Brandmauer“) der Christdemokraten zu der vom Verfassungsschutz bundesweit als „rechtsextremistischer Verdachtsfall“ eingestuften Partei.
Ein Termin für die vom Kanzler angekündigten Neuwahlen steht bislang nicht fest. Die Neuwahl könnte frühestens im Januar stattfinden, sofern Scholz einlenken sollte.
„Weiter so“ mit Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün?
Der Union bliebe damit beim gegenwärtigen Stand der Dinge die freie Auswahl zwischen der SPD (gemeinsam 357 Sitze) und den Grünen (gemeinsam 339 Sitze). Nur wenn die FDP oder die Linken doch noch die Fünf-Prozent-Hürde übersprängen, könnte es für eine schwarz-grüne Option eng werden. Zumal CSU-Chef Markus Söder Schwarz-Grün offenbar nur dann zulassen würde, wenn Robert Habeck keinerlei politische Macht mehr besäße.
In der ARD-Talkshow „Maischberger“ vom Donnerstagabend erklärte Söder, dass eine schwarz-grüne Koalition höchstens möglich sei, „wenn zum Beispiel Robert Habeck seinen sofortigen Rücktritt erklären würde, gar nicht mehr mitmachen würde“. Denn immerhin mache „ein ganz großer Teil der Bevölkerung“ Habeck „ganz persönlich verantwortlich“ für „einen Großteil der wirtschaftlichen Rezession“. Eine Renaissance der einstigen „GroKo“ mit der SPD als Juniorpartner wäre wohl kaum mehr zu vermeiden.
Sowohl mit der SPD als auch mit den Grünen wären allerdings die Ankündigungen der CDU kaum durchzusetzen, eine strengere Migrationspolitik zu fahren, das Bürgergeld durch eine „Neue Grundsicherung“ zu ersetzen, ukrainischen Flüchtlingen die Leistungen zu kürzen und die Schuldenbremse beizubehalten.
Knackpunkt Ukraine
Lediglich beim Ukrainekrieg wären sich Union, SPD oder auch Grüne wohl weitgehend einig: Der Kanzler betonte bei seinem jüngsten Auftritt in der ARD-Talkshow „Caren Miosga“ immer wieder die Notwendigkeit weiterer Milliardenhilfen für die Ukraine (Video in der ARD-„Mediathek“). Lediglich in der Frage, ob Deutschland auch Taurus-Marschflugkörper an Wolodymyr Selenskyj liefern sollte, zieht Scholz mit dem früheren Aufsichtsratsvorsitzenden des amerikanischen Finanzinvestors Blackrock, Friedrich Merz, (noch) nicht am selben Strang.
Angesichts der Ankündigung des neuen US-Präsidenten Trumps, den Krieg schnell beenden zu wollen, könnte diese zentrale Unionsforderung aber bald ins Leere laufen.
Sollte der Krieg auf Intervention Trumps tatsächlich bald vorbei sein, stünde zumindest dieses Thema nicht mehr zwischen CDU und AfD. Die AfD spricht sich wie das BSW seit jeher für eine diplomatische Lösung und den Stopp von Waffenlieferungen aus.
Wie sehr das Festhalten der Union an einem Sieg der Ukraine gegen Russland Koalitionsverhandlungen belasten kann, sieht man an den langwierigen Streitereien in Sachsen und Thüringen. Seit über zwei Monaten ist es den Unterhändlern von CDU, BSW und dem jeweiligen potenziellen Mehrheitsbeschaffer SPD nicht gelungen, einen gemeinsamen „Brombeer“-Koalitionsvertrag für eine Landesregierung abseits der AfD zu unterzeichnen.
Union und AfD: Überschneidungen im Programm
Dass sich Union und AfD in den übrigen Politikfeldern eigentlich ziemlich ähneln, wird auch anhand des aktuellen Rundbriefs der AfD-Fraktion im Bundestag deutlich. Er liegt der Epoch Times vor. Die beiden Partei- und Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel und Tino Chrupalla fordern darin:
Drastische Steuersenkungen, Ende der illegalen Migration, Rückbau des aus dem Ruder gelaufenen ‚Bürgergelds‘ zu einer ‚aktivierenden Grundsicherung‘ und Beendigung des selbstmörderischen Irrwegs der sogenannten ‚Energiewende‘ und Wiedereinstieg in die Kernenergie.“
Um den „Niedergang Deutschlands“ aufzuhalten, verlangen Weidel und Chrupalla zudem „wieder echte Freiheit für die Bürger und nicht noch mehr Bürokratie, noch mehr staatliche Gängelung“ – alles Standpunkte, die in ähnlichen Worten auch von der CDU und der FDP vertreten werden. Im Gegensatz zur Aufarbeitung der Corona-Krise, die von den Fraktionen der Ampel und der Union zuletzt nicht weiter ernsthaft verfolgt wurde.
Obwohl die AfD-Fraktion dieses Thema in ihrem Rundbrief nicht ausdrücklich erwähnt, steht ihre Forderung nach einem Untersuchungsausschuss im Bundestag weiter im Raum. Erst vor wenigen Tagen hatte die AfD ihr drittes Berliner Symposium dazu veranstaltet.
Opposition macht Druck für schnelle Neuwahlen
Mit Ausnahme der SPD und der Grünen verlangen sämtliche im Bundestag vertretenen Parteien vom Bundeskanzler, die Vertrauensfrage schon spätestens im Verlauf der aktuellen Woche zu stellen, um den Weg für Neuwahlen im Bundestag schnellstmöglich freizumachen.
Diesen Schritt sei Scholz „diesem Land schuldig“, alles andere sei „unverantwortlich“, kommentierte AfD-Co-Bundessprecherin Weidel das Ampel-Ende vom 6. November am Tag danach auf einer Pressekonferenz (Video auf YouTube).
Für die Zeit danach wünschen sich Weidel und Chrupalla laut Rundbrief „endlich“ einen „Schlussstrich unter Brandmauern und Ausgrenzungen“.
Weidel hatte auf der Pressekonferenz zudem angekündigt, jene älteren Anträge ihrer Fraktion aus den Jahren seit 2017 „selektiv“ noch einmal in den Bundestag einzubringen, die bislang „vor allen Dingen von der CDU und FDP geflissentlich abgelehnt“ worden seien. Man wolle „sehen, wo hier die CDU und die FDP auch wirklich inhaltlich stehen“. „Denn das AfD-Programm einfach abzuschreiben und nachher die Wähler zu betrügen, das wird nicht mehr funktionieren“, ergänzte Weidel. Im ZDF forderte sie, „endlich verantwortungsbewusst zu handeln und die AfD einzubeziehen in Gesetzesvorhaben“.
Seit 7. November: „Strukturelle Mehrheit“ im Bundestag für CDU, AfD und FDP
Tags darauf, am Freitagmittag, hatte Weidel per X-Eintrag bekannt gegeben, dass die Unionsfraktionen sich inzwischen weigern würden, eigene Anträge im Bundestag zu stellen – und zwar aus „Angst“ davor, dass diese Anträge „durch Stimmen der AfD angenommen werden“ könnten.
In der Tat hatte die Union ursprünglich geplant, am Freitag über ihren Antrag für ein „Zustrombegrenzungsgesetz“ (PDF) beraten zu wollen. Laut Beschlussempfehlung des Innenausschusses vom Mittwoch (PDF) hätten Union, AfD und BSW zwar wohl gemeinsam zugestimmt, aber mangels genügender Stimmen wohl nichts erreicht.
Mit dem Ampel-Bruch vom Mittwochabend hätte es der FDP-Fraktion allerdings freigestanden, sich dem Antrag anzuschließen, wie es sich etwa die AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch auf X erhofft hatte. Das hätte zumindest für eine gewisse Änderung der Migrationspolitik genügt. Von Storch stellte auf X klar:
Es gibt im aktuellen deutschen Bundestag eine strukturelle Mehrheit von CDU, AfD und FDP: für die Abschaffung des Soli, für Kernenergie und auch für eine Korrektur bei Migration und Energiewende.“
Der Bundestag aber strich daraufhin kurzfristig seine Tagesordnungspunkte für Donnerstag und Freitag auf ein Rumpfprogramm zusammen. Dem fiel auch die Debatte um das Zustrombegrenzungsgesetz zum Opfer. Eine Frage der Epoch Times an die Unionsfraktion, ob der Antrag noch einmal beraten werden soll, blieb bis zum Redaktionsschluss unbeantwortet.
Eine Sprecherin des Bundestags bestätigte auf Anfrage der Epoch Times, dass laut Geschäftsordnung allein „die Fraktionen und Gruppen im Ältestenrat“ für Tagesordnungsänderungen zuständig seien. Da dessen Sitzungen nicht öffentlich sind, könne sie nicht sagen, wer letztlich für die Absetzung gesorgt hatte.
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