Google investiert 21,5 Millionen Euro in 92 deutsche Medien
Medien müssen unabhängig agieren und berichten, um ihrer Funktion als vierte demokratische Gewalt gerecht zu werden. Diese Unabhängigkeit gilt sowohl für einzelne Journalisten, für Redaktionen aber auch für Verlage. Richtlinie 15.1 des deutschen Pressekodex besagt:
Recherche und Berichterstattung dürfen durch die Annahme von Geschenken, Einladungen oder Rabatten nicht beeinflusst, behindert oder gar verhindert werden.“ Außerdem müsse „schon der Anschein, die Entscheidungsfreiheit von Verlag und Redaktion könne beeinträchtigt werden“, vermieden werden.
Wie Google den Journalismus umgarnt
Was aber ist, wenn es nicht um Einladungen oder (kleine) Geschenke geht, sondern um Zuschüsse in Millionenhöhe? Diese Frage stellten sich Ingo Dachwitz und Alexander Fanta in ihrer Studie mit dem Titel „Medienmäzen Google – Wie der Datenkonzern den Journalismus umgarnt“.
Wie Dachwitz und Fanta berichten, hat Google in den letzten sieben Jahren „mehr als 200 Millionen Euro in den europäischen Journalismus gesteckt.“
Neben Investitionen in Technik „werden auch Rechercheprojekte gefördert, Journalismus-Kongresse organisiert und Ausbildungsaufenthalte junger Journalisten finanziert.“ Dies führe unweigerlich zu der Frage, warum macht Google das? Und warum nehmen Medien entgegen dem Pressekodex dieses Geld an?
Letzteres ist schnell beantwortet: Medien brauchen Geld, um zu berichten. Mit der zunehmenden Digitalisierung verlagere sich jedoch auch die Werbung aus der gedruckten Zeitung ins Internet. Google selbst sagt, man wolle mit diesem Geld Medienhäuser unterstützen, sich vom „Tagesgeschäft zu lösen und über andere Dinge nachzudenken“, zitieren Dachwitz und Fanta. Weiter schreiben sie:
Andererseits bleiben technologische Produkte, an denen im Internet niemand vorbeikommt, das Kerngeschäft von Google – und dass es auch wirtschaftliche Interessen gibt, gestehen Google-Manager im Interview mit den Autoren durchaus ein.“
Mit anderen Worten, Google finanziert Medien die Möglichkeit, ihr Angebot ins Internet zu verlagern, wo sie wiederum Google nutzen (müssen) und dafür bezahlen.
„Beträchtliches Gefährdungspotenzial“
Google – und anderen Internetkonzernen – kommt dabei mehr als nur die Rolle des Geldgebers zu. Google, Facebook, Twitter und Co lenken das Internet und können mit individuellen Entscheidungen Menschen, Meinungen und ganze Medien praktisch ausblenden.
Als Beispiel nennen Dachwitz und Fanta den Axel Springer Verlag. 2014 verlangte dieser Lizenzgebühren von Google. Google weigerte sich und entfernte Springer-Publikationen aus ihren Suchergebnissen. Infolgedessen brach die Reichweite des Verlages erheblich ein. Schließlich „einigte“ man sich mit Google auf kostenfreie Lizenzen. 2021, sieben Jahre später, teilte Google mit „im Rahmen individueller Lizenzvereinbarungen“ für bestimmte journalistische Angebote zu bezahlen.
Beweise, „dass Google-Geld die Unabhängigkeit von Medienhäusern und Journalisten einschränkt“, gebe es nicht. Die Autoren sehen jedoch „beträchtliches Gefährdungspotenzial“ und plädieren für eine europäische Debatte um öffentlich-rechtliche Innovationsförderung für Medien.
Inwiefern dabei die Unabhängigkeit gewahrt bleibt und ob große und kleine Medien gleichermaßen profitieren, bleibt abzuwarten. Ein Blick in die Studie zeigt jedenfalls mehrheitlich große Namen und große Summen.
Google finanziert über 600 verschiedene Projekte
„Spätestens seit dem Jahr 2015 fördert [Google] die Branche in Europa mit mehreren hundert Millionen Euro“, fassen die Forscher zusammen. Zugleich sei Google sowohl Technologie- und Geschäftspartner als auch wirtschaftlicher Konkurrent.
Daraus ergebe sich „ein klares Spannungsverhältnis zwischen den Rollen Googles als Förderer, Partner, Mitbewerber und Objekt der Berichterstattung“.
Ihrer Arbeit liegt die Datenanalyse von mehr als 600 von Google geförderten Medienprojekten in Europa und 25 Interviews mit Verlegern und Journalisten zugrunde, ergänzt durch eine schriftliche Umfrage unter 22 deutschen Medienhäusern. Fördersummen für einzelne Projekte lassen sich aus den Daten nicht rekonstruieren. In Einzelfällen sind diese aus anderen Veröffentlichungen bekannt.
Empfänger | Fördersumme [in Euro] min max |
Anzahl geförderter Projekte |
Projektsumme (sofern bekannt) [in Euro] |
|
Wirtschafts-Woche | 650.000 | 2.300.000 | 3 | 650.000 ? ? |
Deutsche Welle | 650.000 | 2.100.000 | 4 | 437.500 ? 50.000 25.000 |
Handelsblatt | 625.000 | 2.050.000 | 3 | ? ? ? |
Spiegel Online | 600.000 | 2.000.000 | 2 | 850.000 689.116 |
DuMont Mediengruppe |
600.000 | 2.000.000 | 2 | 475.000 ? |
Frankfurter Allgemeine Zeitung |
400.000 | 1.600.000 | 3 | 500.000 ? ? |
Tagesspiegel | 350.000 | 1.300.000 | 2 | 550.000 ? |
Gruner + Jahr | 350.000 | 1.300.000 | 2 | ? ? |
Funke Mediengruppe |
350.000 | 1.300.000 | 2 | 500.000 ? |
dpa | 350.000 | 1.300.000 | 2 | ? 165.000 |
Mehr als 300.000 Euro erhielten außerdem:
- Correctiv – Recherchen für die Gesellschaft gGmbH (Fördersumme 500.000 Euro)
- Headline24 GmbH & Co. KG (680.000 Euro)
- Presse-Druck- und Verlags-GmbH (491.000 Euro)
- RP Digital GmbH (300.000 Euro)
- Schwäbischer Verlag GmbH & Co. KG (371.000 Euro)
- ypsilon.io (350.000 Euro)
- und Andere (konkrete Fördersummen unbekannt)
Die vollständige Studie finden Sie hier.
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