Schwibbogen – Erhellende Handwerkstradition aus Sachsen
Es ist Heiligabend und die ganze Familie ist zusammengekommen, um gemeinsam Weihnachten zu feiern. Die heimischen mollig-warmen vier Wände sind festlich geschmückt, es duftet nach Bratapfel und Räucherkerzchen und ein Radio spielt Weihnachtsklassiker wie „Ave Maria“ oder „Stille Nacht, Heilige Nacht“. Wie so oft klingen diese Tage nach einem reichhaltigen Festtagsessen mit einem winterlichen Abendspaziergang aus.
Besonders in Sachsen sind diese in bewohnten Gebieten keineswegs finster und verbreiten auch keine betrübende Stimmung. Der Grund sind die traditionell geschmückten und in einem warmen Licht erstrahlenden Fenster. In nahezu jedem Haus steht mindestens ein hell erleuchtetes und geschnitztes Kunstwerk: ein Schwibbogen.
Seine Wurzeln hat der Lichterbogen tief im Erzgebirge – genauer gesagt im bergmännisch geprägten Johanngeorgenstadt im westlichen Teil des Mittelgebirges. Hier entstand nicht nur der Erste seiner Art, sondern die Stadt beherbergt auch den größten frei stehenden Schwibbogen der Welt.
Eiserne Tradition
Lange bevor Menschen einen aus Holz geschnitzten Schwibbogen zu Weihnachten aufstellten, meißelten sie diesen in Stein. Tatsächlich stammt der Begriff nämlich aus der Architektur, wo ein Schwibbogen auch als Schwebebogen bezeichnet wird.
Dabei handelt es sich um einen horizontal gemauerten Bogen zwischen zwei Gebäuden, dessen Abschluss oben gerade ist. Derartige Architekturelemente finden sich häufig in den schmalen Gässchen von Städten, die einen mittelalterlichen Ursprung haben. Trotz seiner optischen Ähnlichkeiten hat der Lichterbogen also nichts mit dem Eingang eines Bergwerkes zu tun, wie fälschlicherweise oft angenommen wird.
Und auch wenn Bergmänner und Stollen heute oft die kunstvollen Bögen zieren, besaß der älteste bekannte Schwibbogen aus dem Jahr 1740 ein christliches Motiv. Der erzgebirgische Schmied Johannes C. Teller aus Johanngeorgenstadt fertigte diesen aus Eisen und versah ihn mit elf Kerzentüllen.
Während heute die Anzahl der Kerzen je nach optischer Ästhetik variieren kann, hatte die Zahl Elf eine besondere Bedeutung. So stand jede der elf Kerzen für einen der zwölf Jünger Jesu – ausgenommen Judas, der Jesus von Nazareth an die Römer verraten hat. Als die Schwibbogen schließlich ihren Weg in die Häuser fanden, wurden diese aus Holz geschnitzt und mit elektrischen Kerzen versehen.
Ein Licht in der Dunkelheit
Was genau Johannes C. Teller bei der Herstellung seines Schwibbogens inspirierte, ist nicht überliefert. Es könnte jedoch im engen Zusammenhang mit seinen Kollegen und Bergmännern stehen.
So ist der Bergbau für die Geschichte von Johanngeorgenstadt seit seiner Gründung im Jahr 1654 von entscheidender Bedeutung. In den Stollen bauten die Männer unter größtem Arbeitseinsatz und nur mit Schlegel und Eisen die wertvollen Rohstoffe Silber, Zinn und Eisen ab.
Am 24. Dezember legten die Bergmänner für wenige Tage ihre Werkzeuge nach altem Brauch mit der Mettenschicht nieder. Diese wurde vom Steiger, der Aufsichtsperson eines Stollens, durch Klopfen an die Wände angekündigt. Jeder Bergmann begab sich daraufhin mit seinem „Frosch“, also seiner Grubenlampe zum Eingang des Bergwerkes, wo sie ihre Lampen entlang der Grubenöffnung oder in einem Bogen an der Wand aufhängten. Diesen Anblick könnte der Bergschmied schließlich symbolisch in seinem Lichterbogen verewigt haben.
Es kommt also nicht von ungefähr, dass Johanngeorgenstadt auch als „Stadt des Schwibbogens“ bezeichnet wird. Entsprechend gibt es hier vor allem in der Adventszeit für Besucher viel zu sehen.
25 Meter langer Schwibbogen
Neben dem Schwibbogenfest mit Weihnachtsmarkt überrascht die erzgebirgische Bergstadt mit dem größten frei stehenden Schwibbogen der Welt. Der 25 Meter lange und 14,5 Meter hohe Lichterbogen besteht aus 700 Tonnen Stahlbeton sowie 15 Tonnen Edelstahl und zeigt ein typisches Bergmann-Motiv mit Bergleuten, Klöpplerin, Schnitzer, Blumen, Kurschwertern und Bergmannswerkzeug.
Noch größer ist nur noch der Schwibbogen der kleinen sächsischen Gemeinde Gelenau im Erzgebirge. Für diesen fast 37 Meter breiten und 20 Meter hohen Bogen, der an einer Hausfassade befestigt ist, wurden insgesamt 11,5 Kubikmeter Holz verbaut.
Für alle, die nicht so viel Platz in ihrem Haus oder Garten haben, gibt es zahlreiche Holzkunstwerkstätten, die kleinere Schwibbögen herstellen. Die Formen variieren von klassischen Bögen bis hin zu Lichterspitzen mit und ohne Kerzen. Außerdem gibt es neben traditionellen und beliebten Motiven wie Bergbau, Wald, Tieren oder christlichen Szenen auch Schwibbögen mit anderen Weihnachts- oder Wintermotiven.
Noch immer wird in Sachsen diese Tradition gelebt und wo einst Grubenlampen den Bergleuten den Weg leuchteten, geleiten heute leuchtende Schwibbögen die Weihnachtsspaziergänger durch winterliche Straßen.
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